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Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baükünde in Stuttgart.
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jedoch nur da, wo es die Notdurft erfordert, besondere Aufseher,
Rechner und Verwalter mit angemessenem Gehalt bestellen,
z. B. Waldmeister, Pferchmeister, Proviantvorratspfleger, Bau
verwalter und dergleichen.“ Lässt sich eine derartige Ein
ordnung des Technikers auch nach der damaligen Bedeutung
desselben in der Gemeinde vielleicht verstehen, so erscheint es
unbegreiflich, dass die Verwaltungsnovelle vom Jahre 1891,
welche besondere Bestimmungen für die Verwaltung der grösseren
Stadtgemeinden verordnet, trotz des hervorragenden Anteils,
welchen die Technik an der Entwicklung der Städte in unserer
Zeit besitzt, den Techniker überhaupt nicht erwähnt und ihn
von der Anstellung als besoldeten Gemeinderat durch die Be
stimmung ausschliesst, dass zu solcher Stellung „nur Personen
wählbar sind, welche die zweite höhere Dienstprüfung im Justiz-,
Regiminal- oder Finanzfache erstanden haben.“ Die leitenden
städtischen Baubeamten nehmen hier also nur die Stellung von
Hilfsbeamten ein, die dem Stadtschultheiss beziehungsweise
dem Gemeinderate unterstellt sind.
Eine Besserung ist aber erfreulicher Weise angebahnt.
In dem Entwurf einer Städteordnung, der in nächster Zeit dem
württembergischen Landtage vorgelegt werden wird, ist die
Einführung der Magistrats-Verfassung vorgeschlagen und wird
damit dem Techniker der Weg in das Magistrats-Kollegium
geöffnet.
Im Grossherzogtum Baden liegen die Verhältnisse
nicht viel anders wie in Württemberg. Die Verwaltung wird
dort durch die Städteordnung vom 24. Juni 1874 geregelt.
Da nach derselben ausser dem Bürgermeister besoldete Stadträte
nicht zugelassen sind, ist der leitende städtische Baubeamte
von der Mitgliedschaft im Stadtrat ausgeschlossen.
Im Gross her zogtu m Hessen gilt die Städteordnung
vom 13. Juni 1879. Wie in der Rheinprovinz besteht keine
Magistrats-Verfassung. Dem Bürgermeister sind Beigeordnete
zugesellt, welche nach Artikel 18 kein besoldetes Gemeindeamt
bekleiden dürfen. Die Stadtbauräte können als solche also
nicht Beigeordnete sein, man hat hier daher in mehreren
Städten denselben Weg beschritten wie in der Rheinprovinz und
technisch gebildete Beigeordnete gewählt, denen die Leitung
des Bauwesens übertragen wurde. Wo das nicht der Fall ist,
kann der leitende Techniker auch nicht stimmberechtigtes
Mitglied von Kommissionen und Deputationen werden, da sich
diese nach Artikel 52 entweder aus Stadtverordneten oder aus
letzteren und stimmberechtigten und wahlfähigen Mitgliedern
der Stadtgemeinde zusammensetzen.
Für das Herzogtum Braunschweig besteht in der
ursprünglichen gütigen Städteordnung vom 18. Juni 1892 keine
gesetzliche Bestimmung, welche die Wahl des leitenden Technikers
zum Magistrats-Mitgliede ausschlösse. In § 69 heisst es aus
drücklich : „Zum Amt eines besoldeten Mitgliedes des Stadt
magistrats ist jeder Reichsangehörige wählbar, der fähig ist,
Bürger zu werden“. Doch heisst es gleichzeitig: „Etwaige
andere Bedingungen für die Wählbarkeit einzelner Mitglieder
des Stadtmagistrats sind statutarisch festzustellen“. Von dieser
letzteren Bestimmung ist Gebrauch gemacht worden in dem
Statut, die Ordnung und Verwaltung der Stadtgemeinde
Braunschweig betreffend, vom 24. März 1893, nach dessen
§ 10 festgesetzt ist: „Zum besoldeten Mitgliede des Stadt
magistrats kann nur gewählt werden, wer die Fähigkeit zum
Richteramt oder zum höheren Staats-Verwaltungsdienste erlangt
hat. Dem Stadtmagistrate wird das zur Besorgung der ihm
unterliegenden Geschäfte erforderliche Hills- und Unterbeamten-
Personal beigegeben.“
Nach den „Erläuterungen und Bemerkungen zu den ge
setzlichen und statutarischen Vorschriften über die Anstellung
der Baubeamten bei der Verwaltung der Stadtgemeinde Braun
schweig“ heisst es vom Stadtbaurat: „Der Stadtbaurat ist ein
Hilfsbeamter des Stadtmagistrats und kann vermöge der Be
stimmung in § 18 des Statuts zu einem besoldeten Mitgliede
desselben nicht gewählt werden, wenn schon gesetzliche
Vorschriften das nicht verbieten.“
In den übrigen, hier nicht einzeln ausgeführten,
Bundesstaaten scheinen auch gesetzliche Bestimmungen,
welche die Wahl eines Technikers zum vollberechtigten Mitgliede
der obersten städtischen Verwaltung ausschlössen, nicht vor
handen zu sein. Dasselbe gilt von den Reichslanden. (Die
freien Hansestädte kommen hier nicht in Betracht, weil deren
Baubeamte Staatsbeamte sind.) —
Derzeitige Stellung der höheren städtischen
Baubeamten.
Aus diesen verschiedenen, in den einzelnen Städten des
selben Landes ausserdem ausserordentlich ungleichartig gehand-
habten Bestimmungen ergibt sich ein buntes Bild von der
derzeitigen Stellung der leitenden städtischen Baubeamten. Noch
grösser wird die Verschiedenheit, wenn man die Untersuchungen ,
auf die sämtlichen höheren städtischen Baubeamten aus
dehnt, wie dies unter Zugrundelegung der aus 94 grösseren
Städten Deutschlands eingegangenen Frage-Beantwortungen,
nach den einzelnen Bundesstaaten geordnet, geschehen ist.
I. P reus sen.
A. Die alten Provinzen.
In den grösseren Städten der Provinzen Ost- und West
preussen, Posen, Schlesien, Pommern, Brandenburg und Sachsen
steht an der Spitze der Stadtverwaltung ein Magistrat — in ;
Stralsund ein Rat — dem der oberste Baubeamte mit dem ;
Titel Stadtbaurat als vollberechtigtes Mitglied angehört.
Die Wahl des Stadtbaurates erfolgt durch die Stadtver- j
ordneten auf 12 Jahre — in Stralsund durch den Rat auf
Lebenszeit — und unterliegt der Bestätigung durch den
Regierungs-Präsidenten
Die erfolgte Ablegung der Prüfung als Regierungs-Bau
meister ist überall unumgängliche Vorbedingung; eine Probe
dienstzeit ist allein in Potsdam verlangt und auch geleistet
worden.
Neben den Stadtbauräten sind je nach der Grösse der
Stadt noch Stadtbauinspektoren und Stadtbaumeister als höhere
Baubeamte, mit wenigen Ausnahmen auf Lebenszeit, angestellt, ,
deren Wahl sich durch den Magistrat unter Zustimmung der
Stadtverordneten vollzieht und keiner Bestätigung seitens der
Aufsichtsbehörde unterliegt. Für diese Beamten wird nur in
Breslau und Potsdam die Prüfung als Regierungs-Baumeister
nicht verlangt; Frankfurt a. O. fordert sie für den Bauinspektor, ■
nicht aber für den Baumeister.
Die Pensionsverhältnisse sind für die Bauräte durch die
Städteordnung geregelt, doch ist in einigen Städten neuerdings
durch Ortsstatut insofern eine Verbesserung herbeigeführt, als
die Pensionsberechtigung nicht nach sechs Jahren, sondern
sofort beginnt und die Pensionsbezüge nicht zu 2 / s , sondern bis
zu 3 / 4 des Gehaltes steigen.
Für die übrigen höheren Baubeamten wird die Pensionierung
nach den Bestimmungen für die Staats-Baubeamten unter An- ■
rechnung der im Staats- oder Kommunaldienst verbrachten \
Zeit geregelt.
Sitz und Stimme haben in den Deputationen die Bau
inspektoren nur in Halle, Breslau und Potsdam und auch hier
nur in den von ihnen vorgetragenen Angelegenheiten; die
Vertretung von Bauangelegenheiten im Magistrat und in der [
Stadtverordneten-Versammlung durch dieselben ist nur in Posen
vorgekommen.
B. Die neueren Provinzen.
1. Schleswig-Holstein. An der Spitze der Ver-j I
waltung steht ein Magistrat, dem der Stadtbaurat nicht als °
Mitglied angehört. Die Wahl des Baurates erfolgt auf
Vorschlag des Magistrats durch die Stadtverordneten auf Lebens- '
zeit und unterliegt keiner Bestätigung. Probedienstzeit wird
nicht verlangt, ebensowenig Prüfung als Regierungs-Baumeister.
Sitz und Stimme hat der Stadtbaurat nur in einigen
Kommissionen, im Magistrate nicht einmal Sitz.
In Kiel und Altona sind ausser dem Stadtbaurat Bau
inspektoren und Baumeister auf Lebenszeit angestellt. Für die
ersteren wird in Altona Prüfung als Regierungs-Baumeister
verlangt; in Kiel bestehen zwar keine Vorschriften, doch sind i
die Bauinspektoren geprüfte Baumeister. Bauinspektoren wie
Baumeister haben nur Sitz in den Deputationen. Die Pensionierung ;
erfolgt für sämtliche Baubeamte nach staatlichen Grundsätzen,
2. Hannover. In den Städten der Provinz Hannover ;
steht ein Magistrat an der Spitze, dem ein Techniker als voll- I
berechtigtes Mitglied nur in der Stadt Hannover, in den übrigen (
grösseren Städten dagegen als Mitglied zweiter Ordnung, d. h. i'
nur stimmberechtigt in technischen Angelegenheiten, angehört, jp
Eine Ausnahme macht nur Osnabrück, wo der Techniker
überhaupt nicht Magistrats-Mitglied ist. In der Stadt Hannover
erfolgt die Wahl durch die städtischen Körperschaften auf :