20
Der Architekten- und Ingenieur-Verein in Mannheim
teilt mit, daß er seinen Namen in Architekten- und Ingenieur-
Verein Mannheim-Ludwigshafen abgeändert habe.
Der Verein hat sich seiner Zeit in Gemeinschaft mit dem
Württembergischen Bezirksverein deutscher Ingenieure mit dem neuen
Wasserrechtsgesetze eingehend befaßt und eine Aeußerung an die
K. Staatsregierung, sowie an die Ständeversammlung abgegeben,
wobei zur Ergänzung dieses Gesetzes ein Flußbaugesetz beantragt
wurde. Nachdem das Flußbaugesetz im Entwurf erschienen ist, sollte
dieser von der für das Wasserrechtsgesetz bestellten Kommission gleich
falls in Gemeinschaft mit dem Württembergischen Jngenieurverein
beraten werden. Der Vorsitzende teilt mit, daß er Hiewege die
nötigen Einleitungen getroffen habe; dabei bringt er noch zur Kennt
nis, daß er sich an den Herrn Ministerialrat Fecht in Straßburg
mir der Bitte gewendet habe, im Verein einen Vortrag über die
Organisation des kulturtechnischen Dienstes in Elsaß-Lothringen zu
halten. Derselbe habe aber abgelehnt, da er mit Rücksicht auf seine
dienstliche Stellung nicht in der Lage sei, einen Vortrag im Verein
zu halten; dagegen werde er demnächst eine ausführliche Arbeit über
die fragliche Organisation veröffentlichen.
Hierauf erstattet Regierungsbaumeister Blümer einen Bericht
über die mit verschiedenen Unfallversicherungs-Gesellschaften gepflogenen
Verhandlungen, welche bezwecken, den Vereinsmitgliedern bei Ver
sicherungen gegen Unfall gewisse Vorteile zu gewähren. An Hand
einer tabellarischen Uebersicht erläutert der Referent die bei den
verschiedenen in Betracht kommenden Unfallversicherungsgesellschaften
giltigen Prämiensätze und kommt auf Grund der angestellten Er
hebungen zu dem Antrag, mit der Magdeburger Unfallversicherungs
Gesellschaft einen Vertrag abzuschließen, welcher den Mitgliedern im
Fall eines Versicherungsabschlusses einen Rabatt von 15°/», und
dem Verein einen solchen von 2Vr°/o an den gewöhnlich giltigen
Einheitssätzen gewährt. Der Vertragsentwurf kommt zur Verlesung
und erklärt sich der Verein ohne weitere Debatte mit dem Vertrags
abschluß einverstanden. Der Vorsitzende dankt dem Referenten für
seine mühevolle und dankenswerte Arbeit.
Nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten bespricht Herr
Regierungsbaumeister Feil den von der Firma Böklen L Feil
ausgearbeiteten Entwurf einer zweiten evangelischen Kirche
in Cannstatt und teilt hierüber Folgendes mit:
Die evangelische Kirchengemeinde in Cannstatt schrieb zur Ge
winnung von Plänen für eine neue Kirche mit 1200 Sitzplätzen
einen allgemeinen Wettbewerb aus. Bei diesem Wettbewerb sind im
ganzen 37 Pläne eingekommen, von denen die Arbeiten der Architekten
Reinhardt & Süssengut in Berlin mit dem ersten, des Archi
tekten Ratzel in Karlsruhe mit dem zweiten und der Architekten
Böklen & Feil in Stuttgart mit dem dritten Preis ausgezeichnet
wurden. Die Bearbeitung der Ausführungspläne wurde den Archi
tekten Böklen 8c Feil übertragen. Es wurde von seiten der
Kirchenbau-Kommission hiebei die Forderung gestellt, daß die Kirche
statt der im Preisausschreiben angenommenen 350 000 Ji, nur
280 000 JL soften solle. Da eine so bedeutende Kostenersparnis
nicht durch eine bloße Vereinfachung der Bauformen möglich war,
so mußte eine Verringerung der Sitzplätze von 1200 auf 1100
vorgenommen werden, wodurch eine Einschränkung der räumlichen
Ausdehnung, sowohl nach der Grundfläche, als nach der Höhenent
wicklung möglich war.
Die Kirche kommt an die Waiblingerstraße in die Nähe des
Uffkirchhofs zu liegen.
Der Grundriß zeigt die neuerdings für protestantische Kirchen
mehrfach in Anwendung gebrachte zweischiffige unsymmetrische Anlage
mit breitem Hauptschiff und schmälerem Seitenschiff, in welchem die
Hauptempore untergebracht ist. Diese Anordnung hat im vorliegenden
Falle den Vorzug, daß beim Hauptvormittagsgottesdienst die Kirchen
besucher abgewendet von den hell beleuchteten Fenstern sitzen, was
im Programm vorgeschrieben war. Dem Haupt- und Seitenschiff
gliedert sich gegen die Waiblingerstraße eine Vorhalle mit darüber
liegender Orgelempore an; der Turm ist an der Ecke der Waiblinger-
und Teckstraße situiert. An das Hauptschiff schließt sich der recht
winklig geschlossene Chor an. In die Ecke zwischen Chor und
Seitenschiff legen sich Vorraum und Emporentreppe, weiter ein großer
Konfirmandensaal, sowie die Sakristei samt Nebenräumen an. Die
Architektur zeigt frühgothische Formen; der geringeren Kosten wegen
soll in der Hauptsache Backstein mit sparsamer Verwendung von
Hausteinen in Anwendung kommen. Die Jnnenräume werden ge
wölbt, die Gewölberippen in Backstein erstellt, die Gewölbekappen
geputzt. Mit der Ausführung soll im Frühjahr 1898 begonnen
werden und hofft man die Kirche in drei Baujahren zu vollenden.
Im Anschlüsse hieran bespricht der Vortragende noch das von
der Firma Böklen 8c Feil im Vorjahr zur Ausführung gebrachte
Geschäftshaus an der Eberhards- und Thorstraße in Stuttgart.
Der Vorsitzende dankt dem Vortragenden für seine interessanten
Mitteilungen und ergreift sodann selbst noch das Wort zu einer kurzen
Beschreibung des in Berlin neu erbauten großen Warenhauses der
Firma Wertheim an der Leipzigerstcaße. Das Haus hat eine
Frontlänge von 60 m und eine Tiefe von 75 m, besitzt 5 Stock
werke, in welchen sämtlich verkauft wird und zu deren Ersteigung
6 Fahrstühle und 5 Treppen angeordnet sind. Die gesamte Anlage
ist, wie aus den aufgehängten Zeichnungen ersichtlich ist, mit allen
modernen Einrichtungen versehen und in der Gesamtausstattung sehr
großartig angelegt. Der Bauaufwand für dieses Warenhaus beträgt
7 Millionen. Der Entwurf stammt von den Architekten Messel L Alt
gelt in Berlin, welchen auch die Leitung der künstlerisch vollendeten
Bauausführung übertragen war. Die Mitteilungen werden mit all
seitigem Beifall aufgenommen.
Die Balmger Hochwasser-Katastrophe.
Hydrographische Darstellung des Eintritts und des Verlaufs des Hochwassers der Eyach, der Schmiecha und der Schlichem in der Zeit vom 4. bis 7. Juni 1895.
Vortrag von Bauinspektor Roller, gehalten am 8. Januar 1898.
1. Beschreibung des Geländes und geognostische Beschaffenheit.
Der vom 4. bis 7. Juni 1895 durch Gewitter, Wolkenbrüche
und Ueberschwemmungen schwer betroffene Teil Württembergs liegt
in dem rechten Winkel, welchen die hohenzollerischen Lande bilden
und umfaßt zu beiden Seiten der europäischen Wasserscheide die
oberen Thäler der Eyach, Schmiecha und Schlichem.
Die Höhe der das Gebiet umgrenzenden Wasserscheidelinien be
trägt in dem Eisenbahneinschnitt zwischen Lautlingen und Ebingen
738 m und steigt bis auf die Hochebene des Plettenbergs auf
1002 m. — Die Thalsohlen der Eyach bei Margrethausen, der
Schlichem unterhalb Hausen a. Th. und der Schmiecha bei Ebingen
liegen auf einer Höhe von 700 m, so daß die Hanghöhe bis zu
300 m beträgt. 30,6 °/o des Gebiets sind bewaldet, es enffpricht
dies der mittleren Bewaldung Württembergs.
Das Hauptmassio der Berge bilden in der Gegend die a und
ß Schichten des weißen Jura.
Der äußerst kräftig ausgebildete Gebirgsfuß besteht aus Braun
jura, welcher zum großen Teil mit schönen Waldungen bedeckt ist.
Der Bcaunjura erhebt sich plötzlich und unvermittelt aus der
vorgelagerten Lias-Ebene und bildet teilweise kuppenförmige Vor
berge, er weist wenig wetterbeständige Steinbänke, aber viel thonige
uad mergelige Schichten auf und ist zu Rutschungen sehr geneigt.
In den Jahren 1787 uad 1851 kamen im Schlichemthal über