26
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
No. 4
zur Anwendung. Die Flachdrainierung mit geringeren Tiefen
hat sich nicht bewährt.
Die Drainstränge werden in neuerer Zeit nach dem System
der Kopfdrainierung annähernd in die Richtung der Horizontalen
des Geländes gelegt mit Gefällen von 0,3 bis 1 °/ 0 , wobei die
Sammeldrains in die Richtung des grössten Gefälls zu liegen
kommen.
Die Vorteile dieser Methode gegenüber der früher geübten,
wobei die Saugdrains in die Richtung des grössten Gefälls zu
liegen kamen, sind augenfällig.
Bei Berechnung der Rohrweiten werden die Ergebnisse der
meteorologischen Stationen des Landes thunlichst berücksichtigt
und im allgemeinen angenommen, dass die Rohrleitung ein
Wasserquantum von 0,6—1,8 Sekundenliter pro ha abführen
kann. Engere Röhren als solche mit 45 — 50 mm lichter Weite
werden nicht verwendet.
Der Erfolg der Drainierung ist meist ein sehr guter. In
nassem Gelände kann man annehmen, dass sich die Kosten
der Anlage mit der dritten Ernte bezahlt machen.
Zur Entwässerung der Wiesen wird meist ein Netz von
offenen Gräben, unter Umständen in Verbindung mit einzelnen
Drains zur Abfangung des Schichtenwassers angelegt. Bei
Wiesengelände braucht die Senkung des Grundwasserstandes
nicht so stark zu sein wie bei Ackerfeld, und die Gefahr des
Zuwachsens der Drainstränge ist bei Wiesen eine grössere, es
muss daher bei der Anlage von Drains mit grosser Vorsicht
vorgegangen werden.
In vielen Fällen muss auch eine Korrektion des Vorflutgrabens
und behufs Ermöglichung einer regelmässigen Anlage des Graben
netzes eine neue Grundstückseinteilung mit Regelung der Zufahrts
verhältnisse vorgenommen werden. Eine solche Bereinigung
bietet den Vorteil der Ermöglichung des prozentualen Abzugs
der Grundfläche der gemeinsamen Anlagen statt des Ankaufs
derselben mit Geld.
Derartige Anlagen kamen in grösserer Zahl in den letzten
Jahren im württembergischen Unterland zur Ausführung, als
es galt, für die durch das Gewitter vom 1. Juli 1897 stark ge
schädigten Bewohner jener Gegenden Arbeit und Verdienst zu
schaffen und gleichzeitig die Ertragsverhältnisse des Bodens zu
verbessern.
Ich kann mir nicht versagen, hier auf die Frage einzugehen,
inwieweit durch die Ausführung von Entwässerungsanlagen der
rasche Abfluss der Meteorwasser und die Steigerung des Hoch
wassers der Bäche und Flüsse gefördert wird.
Es ist ja diese Ansicht bei Laien und Sachverständigen
vielfach verbreitet.
Ich meinerseits kann derselben nicht zustimmen, ich glaube
vielmehr, dass zweckmässig ausgeführte Entwässerungsanlagen
in Bezug auf den Wasserabfluss insofern günstig wirken, als
durch sie eine aufnahmefähige trockene Bodenschicht geschaffen
wird, in deren Hohlräume bei Niederschlägen das Wasser ein
dringt, sodass die entwässerte Fläche gleichsam als Wasser
reservoir wirkt, welches das Wasser nach und nach an den
Wasserlauf abgibt.
Es stimmt diese Auffassung mit der Thatsache überein,
dass das Wasser aus Drainsystemen oft wochenlang nach dem
Niederschlag noch hiesst, während es von nicht entwässerten
Flächen, die nicht im stände sind, einen Ueberschuss zurück
zuhalten, in wenigen Tagen nach erfolgtem Niederschlag ab
geflossen ist. Es ist eine nicht entwässerte Fläche gewisser-
massen mit einem Schwamm zu vergleichen, dessen Hohlräume
mit Wasser gefüllt sind, und der nicht im stände ist, weiteres
Wasser aufzunehmen. Der trockene Schwamm kann dagegen
eine verhältnismässig grosse Wassermenge in seine Hohlräume
aufnehmen, ehe der Abfluss beginnt.
Durch Drainierungen werden die Hohlräume der obersten
Erdschichten vermehrt. Es sind daher Entwässerungsanlagen,
wenn sie innerhalb eines Niederschlagsgebiets in grösserem Um
fang und in zweckmässiger Weise ausgeführt sind, im stände,
auf die Wasserführung der öffentlichen Gewässer regulierend
einzuwirken.
Indem ich nun auf die Bewässerungsanlagen über
gehe, möchte ich vorausschicken, dass in einem grossen Teil unseres
Vaterlandes, namentlich im Donauthal, den Thälern der schwä
bischen Alb und des Schwarzwaldes, sowie in Oberschwaben
auf Gebieten mit durchlässigem Boden Bewässerungsanlagen,
aus früheren Zeiten stammend, vorhanden sind.
An vielen Orten sind diese Anlagen von den Insassen der
früheren Klöster eingerichtet worden, denen man auch sonst
noch manche Anlage aus dem Gebiet des Wasserbaus — ich
erinnere nur an die oft grossartigen Teichanlagen — zu ver
danken hat.
Diese Bewässerungsanlagen werden, je nachdem die Be
völkerung mit der Handhabung derselben vertraut ist, mehr
oder minder gut betrieben. Leider wird in vielen Fällen aus
Mangel an Verständnis und genügender Einrichtungen die
Wasserzufuhr übertrieben, sodass öfters ein verhältnismässig
geringer Erfolg erzielt wird und häufig Streitigkeiten mit den
übrigen Nutzungsberechtigten entstehen.
In den Jahrgängen 1893 und 1895, welche durch ihre
ausserordentliche Trockenheit einen starken Ausfall an Futter
und grosse Verluste am Viehstand gebracht haben, haben sich
die vorhandenen Bewässerungseinrichtungen aufs beste bewährt
und allgemein hat sich damals das Bedürfnis nach Ausdehnung
derartiger Anlagen geltend gemacht.
Trotzdem sind nur wenige neuere Anlagen ausgeführt
worden, da der Mangel eines Wassergesetzes einer weiter
gehenden Benützung des fliessenden Wassers zu Bewässerungs
zwecken hindernd im Wege stand.
Nachdem nun mit dem Beginn dieses Jahres das Wasser
gesetz in vollem Umfang in Kraft getreten ist, wird es möglich
sein, die Mittel- und Hochwasser der öffentlichen Gewässer,
welche die Wassertriebswerke nicht ausnützen können, zur
düngenden Bewässerung der Wiesen zu verwenden.
Dagegen wird die Ausdehnung der anfeuchtenden Be
wässerung, welche vorzugsweise im Sommer bei trockenen
Zeiten notwendig ist, nur in den wenigsten Fällen möglich
sein, da die vorhandenen Wassermengen im Lauf der Zeit
grösstenteils von der Industrie in Anspruch genommen wurden
und deren Zurückgewinnung für die Landwirtschaft meist mit
zu grossen Opfern verknüpft sein dürfte.
Vielleicht wird es mit der Zeit gelingen, im Verein mit der
Industrie eine Verstärkung der Niederwasser der Bäche und
Flüsse durch Erbauung von Sammelweihern zu erzielen, wie
dies z. B. in Elsass-Lothringen mit grossem Erfolg geschehen
ist. Es liesse sich hiedurch bei Niederwasserstand sowohl ein
ungestörter Betrieb der Wasserwerke, als auch die für die Land
wirtschaft an vielen Orten so überaus wichtige Sommer
anfeuchtung der Wiesen bewerkstelligen.
Eine vorteilhafte Anwendung wird die Bewässerung mit
der Zeit noch finden in den breiten ebenen Flussthälern mit
durchlässigem Untergrund, in welchen der Grundwasserstand
infolge ausgeführter Flusskorrektionen sich in nachteiliger Weise
gesenkt und die Futtererträge der Wiesen hiedurch not gelitten haben.
Ich bin der Ansicht, dass auf diesem Gebiete noch grosse
Aufgaben in Württemberg zu lösen sind und ein namhafter
Gewinn aus den geschaffenen Anlagen sich erzielen lässt. Ist
es ja doch möglich, die Erträge der Wiesen an gutem Futter
durch Bewässerung auf das dreifache zu steigern. Möge es
unsern Landwirten und unsern Ingenieuren nie an dem richtigen
Verständnis und dem guten Willen für die Lösung dieser
wichtigen Frage fehlen.
Was nun die technische Seite der in letzter Zeit ausge
führten Anlagen anbelangt, so kam statt des früher üblichen,
teuren und un zweckmässigen Kunstwiesenbaues mit weit
gehendem Umbau der Oberfläche und verwickeltem, schwer
zu unterhaltendem Grabennetz ein natürliches Wiesenbausystem
mit Benützung der vorhandenen Bodenoberfläche zur Anwendung,
wobei an Bau- und Betriebskosten wesentlich gespart werden
konnte. Die Bewässerung geschieht unmittelbar oder unter
Anwendung von Horizontalrinnen aus den Hauptgräben, welche
mit geringem Gefall derart angelegt sind, dass sie die höchsten
Geländepunkte beherrschen. Die Gräben sind etagenförmig in
horizontale Haltungen zerlegt, deren Enden mit Schleusen ab
geschlossen werden. Die Sohle erhält ein durchgehendes Gefall.
Grosse Sorgfalt ist der gründlichen Abführung des zugeleiteten
Wassers zuzuwenden, falls die Bodenart zur Versumpfung
neigt. Bei den früher ausgeführten Anlagen ist in dieser
Hinsicht manches versäumt worden. (Schluss folgt.)
Herausgeg. v. Württb. Verein f, Baukunde.—- Redaktion: Reg.-Baumeister Schury, Stuttgart. —Verlag: Südd. Verl.-Anst., G. m. b. H., München.
Druck: G. Frariz’sche Hofbuchdruckerei (G. Emil Mayer), München.