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Nach genereller Berechnung des hydrographischen Bureaus betrug
die größte sekundliche Abflußmenge der Eyach am 5. Juni
unterhalb Margrethausen bei 5 km Thallänge 164 cbm
oberhalb Balingen „ 23 „ „ 350 „
so daß sich bei 19 qkm bezw. 90 qkm Einzugsgebiet die größte
sekundliche Abflußmenge berechnet
unterhalb Margrethausen zu 8,6 cbm für 1 qkm
oberhalb Balingen „ 3,3 „ „ „ „
Hienach würde die größte sekundliche Abflußmenge am 5. Juni das
6 bis 15 fache der größten aus den Tagesbeobachtungen berechneten
Niederschlagsmengen betragen. Es geht daraus hervor, daß die
Höhe der Wasseranschwellungen eines Flusses weniger von der täg
lichen Regenhöhe, als von der Menge der in kurzem Zeitraum nieder
gehenden Wassermasse, d. h. von der „Intensität" des Regens ab
hängig ist. Zur Erlangung technisch brauchbarer meteorologischer
Beobachtungsergebnisse ist daher ein genauer Aufschrieb der Zeit, in
welcher der Niederschlag erfolgte, oder besser die Aufstellung selbst
thätiger Regenmesser äußerst wünschenswert.
Das Mittelwasser der Eyach beträgt bei
Margrethausen 250 Sek.-Liter
oberhalb Balingen 600 „ „
Im Sommer 1895 wurden an diesen Stellen 2l bezw. 44 Sek.-
Liter gemessen, die Eyach führte also bei dem Hochwasser 8000 mal
mehr Wasser in der Sekunde ab, als bei kleinstem Niederwasser.
3. Verlauf des Hochwassers.
Wie schon erwähnt, erfolgten anfangs Juni starke Regengüsse
im Balinger Gebiet, so daß am 4. Juni die Eyach, die Schlichem
und die Schmiecha schon starke Hochwasser führten. Der verhängnis
volle Wolkenbruch ging am 5. Juni abends zwischen 7 und 9 Uhr
nieder. Die steilen Halden bei Pfeffingen und Margrethausen, von
denen in unzähligen Rinnen Wildbäche niedersausten, glichen bei dem
Aufleuchten der Blitze schäumenden Wasserfällen, welche die Eyach in
Zeitkürze zu einem Strom von nie gekannter Stärke anwachsen ließen.
Mit rasender Geschwindigkeit bahnte sich die Flut ihren Weg durch
die engen Thälchen, so daß schon um 9 Uhr die Flutwelle in Pfef
fingen und um 9 1 /* Uhr in Margrethausen ihren höchsten Stand
erreichte. Um 9b* Uhr trafen die Wassermassen in dem 2,5 km von
Margrethausen gelegenen Lautlingen ein, die Geschwindigkeit der Flut
welle betrug auf dieser mit 1,4°/» geneigten Flußstrecke, 2,8 m in
der Sekunde; 1 km Wegs wurde in 6 Minuten zurückgelegt. Um
9 3 /<i Uhr durchbrach die Hochflut den Ort Laufen, wobei die Zurück
legung eines Kilometers in 7 Minuten geschah. Von Laufen ab
wärts brauchte die Flutwelle 8 Minuten, um sich 1 km weiterzu
wälzen, so kam sie um 10 Uhr nach Dürrwangen und um 1 / 4 11 Uhr
nachts durch unzählige Seitenbäche verstärkt nach Frommern, um
11 Uhr nach Balingen und gegen Mitternacht an die hohenzollerische
Landesgrenze. Eine eigentliche Vorflut war nicht vorhanden, die
Flutwelle kam wie eine Mauer, so gewaltig, daß in wenigen Minu
ten der höchste Stand erreicht war, dieser hielt 1 bis 1 1; 2 Stunden
an, dann kam die Eyach ins Fallen; da es aber am 6. Juni fort
während regnete, so trat ein erneutes Wachsen der Eyach ein und
erst vom 7. Juni ab ging der Fluß langsam, aber andauernd zurück.
Fast zu gleicher Zeit, wie die Eyach, führte die Schlichem ihr
größtes Hochwasser. Die Hochflut erreichte Hausen a. Th. am 5. Juni
abends 1OY4 Uhr und das 3,5 km weiter abwärts gelegene Raths
hausen um ll 1 /* Uhr, die Schlichem legte somit 1 km in 8V2 Minu
ten zurück.
Anders war es bei der Schmiecha; dieselbe erreichte am Abend
des 5. Juni wohl eine außerordentliche Höhe, aber den höchsten
Stand hatte sie wohl in der folgenden Nacht, am 7. Juni morgens
1 Uhr stand der Hochwasserspiegel um 20 cm höher, als am Abend
des 5. Juni. Auch die Schmiecha führte längere Zeit starkes Wasser
und kam erst nach und nach wieder auf ihren früheren Stand zurück.
Einige Monate später waren Eyach, Schlichem und Schmiecha nahezu
ausgetrocknet.
4. Wirkung des Hochwassers.
Gleich beim Zusammenströmen der Wasser im Quellgebiet der
Eyach auf der Markung Pfeffingen wurden fast alle vorhandenen
Brücken zertrümmert, die Felder der Humusdecke beraubt, oder mit
Geröll überschüttet,das seichte Flußbett entlang der Ortschaft Pfeffingen
tief und breit ausgerissen und das Geschiebe bei der Hauser'schen
Mühle derart aufgehäuft, daß vom Unterkanal und vom Eyachbett
nichts mehr zu sehen war, das Mühlwehr war fort und die Mühle
steckte über 1 Meter tief im Wasser. Ein Schuppen wurde wegge
rissen und 2 kleinere Wohnhäuser derart beschädigt, daß sie abge
tragen werden mußten. Menschenleben gingen in Pfeffingen nicht
verloren. Von Pfeffingen bis Margrethausen wurde die Straße mit
Geröll überschüttet und der Böschungsfuß durch die Wasser ange
griffen und ausgerissen.
Durch ungezählte kleinere Bäche, durch den Kiesersthalbach,
den Jrrenbach und den Ochsenthaler Bach von links her und den
Rohr- und Käsenthalerbach von rechts her verstärkt, Hölzer aller
Art, Schlamm, Schutt und Strauchwerk in Menge mit sich führend,
trafen die Flutwellen den Ort Margrethausen und setzten den oberen
Dorfteil sofort unter Wasser, die beiden Brücken wurden weggerissen
und mit Macht bahnte sich der Fluß seinen Weg gegen das untere
Dorf, dort hielt rechts eine hohe Mauer am Pfarrgarten stand, aber
um so heftiger drängten die Wogen gegen die linksseitigen Häuser,
von denen 3 fielen, wobei 5 Menschen ihr Leben verloren, einige
konnten sich auf nahe Bäume retten. Nun kamen die Brücken
zwischen Margrethausen und Lautlingen und 2 Mühlwehre an die
Reihe, die schönen Felder wurden mit tiefen Rinnen durchfurcht, für
die Eyach entstand ein ganz neues Bett, das alte füllte sich teilweise
mit Geröll aus, die Bäume wurden ausgerissen oder in Mannshöhe
von treibenden Hölzern entrindet, was im Wege stand, wurde mitge
nommen. Aus 2 in Lautlingen weggeschwemmten Häusern konnten
sich die Bewohner durch schleunige Flucht noch retten, so daß in
Lautlingen Niemand um's Leben kam. Zwischen Lautlingen und
Laufen wurden 3 Feldwegbrücken und 2 Wehre zerstört, die Felder
wurden verwüstet und die Flußufer so ausgerissen, daß gegen den
Berghang Rutschungen entstanden.
Schwer betroffen wurde die Gemeinde Laufen, das seichte Eyach
bett hatte im Ort felsigen Untergrund und starkes Gefälle, die Wasser-
massen stürzten mit solcher Wucht auf den Flecken, daß gleich oben
einige Häuser weggeschwemmt wurden, wobei 15 Personen in den
Wellen verschwanden; eine Menge Vieh und Geflügel ging zu Grunde,
10 Häuser erlitten solche Beschädigungen, daß sie abgetragen werden
mußten. Die mitgeführten Gebäudetrümmer und das reiche Schnitt
warenlager einer Sägmühle füllten das Eyachbett ganz mit Holz-
werk, so daß der unterhalb Laufen in der Staatsstraße nach Ebingen
gelegene gewölbte Durchlaß vollständig verstopft wurde; die Wasser
massen wälzten sich über den hohen Straßendamin und rissen die
unmittelbar flußabwärts gelegene gewölbte Feldwegbrücke weg. In
Dürrwangen nahm die Flut Brücken und Wehre fort und beschädigte
eine Mühle so schwer, daß sie abgetragen werden mußte (angezündet).
Der Müller kam selbst in große Gefahr; als er seine Pferde los
binden wollte, stieg das Wasser rasch, die Thür konnte nicht mehr
geöffnet werden, er stieg in die Futterkrippe und sägte mit dem
Taschenmesser ein Loch in die morsche Decke, durch welches er ent
schlüpfte, auch vermochte der Mann den Pferden die Köpfe so lange
in der Oeffnung festzuhalten bis das Wasser fiel, die Thiere waren
gerettet. Ein Haus wurde in Dürrwangen weggeschwemmt, 4 andere
waren so beschädigt, daß deren Abbruch angeordnet werden mußte.
Zwischen Dürrwangen und Frommern wurden die Obstbaumanlagen
vernichtet, das obere Frommener Mühlwehr und ein Teil der Mühle
weggerissen, dann drang das Wasser in die Ortschaft Frommern ein,
riß einige Häuser vollständig weg und nahm in deren Trümmern
11 Menschen mit, von denen 10 umkamen und nur einer sich retten
konnte; die Ortsstraße in Frommern wurde samt der Wasserleitung
für die Stadt Balingen auf eine große Strecke vollständig wegge
schwemmt, ganze Häuserreihen waren dem Zusammensturz nahe ge
bracht, so daß in Frommern noch 25 Häuser abgetragen werden