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No. 7
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
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Die Vorführung der Abwasser-Reinigungs-Versahren auf der Pariser
Weltausstellung 1900.
Von Dr. O h 1 m ü 11 e r, Geh. Regierungsrat im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Bei den geschilderten Verfahren von Eichen und von
Riensch ist gegebenen Falles eine Nachreinigung des Ab
wassers empfohlen worden. Es soll nicht gesagt sein, dass
solche Verfahren deshalb unvollkommen oder minder brauchbar
seien; sie können im geeigneten Falle ihren Zweck erfüllen.
Ueberhaupt wird sich die Auswahl eines Systems stets nach
der Art des Abwassers, den örtlichen Verhältnissen, der
Verwendung der Rückstände und der Möglichkeit der Ab
leitung des geklärten Abwassers richten. Aber es bleiben bei
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jedem Verfahren die beiden wichtigsten Grundsätze, thunlichste
Reinigung des Abwassers zu erreichen und eine zu grosse An
häufung von Rückständen zu verhüten. Von diesem Gesichts
punkte aus ist die Abwasserreinigung weiter ausgebaut worden,
indem man neben der Klärung auf mechanischem oder chemischem
Wege andere Kräfte, wie Filtration, Flächenanziehung, Oxydation,
sich zu Nutzen machte.
Die Firma M. Friedrich & Co., Bureau für gesundheits
technische Anlagen, hatte ein Verfahren in Modell und Zeichnung
vorgeführt, bei welchem die Kohle als Klärmittel dient,
welche aus den Rückständen des Abwassers ge
wonnen wird (Fig. 6).
Das Abwasser passiert zunächst einen Sandfang, ein ein
faches Becken (W), welches zur Regulierung des Durchflusses
mit einer Eintauchwand versehen ist. Von hier ergiesst es sich
in ein zweites Becken (V) und setzt durch sein Gefälle eine
siebartige Trommel (J) in drehende Bewegung, welche in das
Abwasser eintaucht. Diese Trommel hat den Zweck, das
Material, welches zur Klärung und Filtration benutzt wird, zu
sortieren. Ueber derselben befindet sich ein Schweelofen (0),
in welchem die gesamten festen Rückstände der Anlage in
später zu beschreibender Weise geglüht und verkokt werden.
Aus dem Schweelofen wandern die glühenden Kokes durch
einen Schneckengang in die Sortiertrommel. Hier werden sie
durch die Drehung derselben vom Abwasser abgelöscht und
abgekühlt. Die feineren Kokes- und Kohlenteilchen werden
ausgewaschen und vermischen sich als Klärmaterial innig mit
dem Abwasser; die gröberen Kokesbestandteile werden durch
einen Schneckengang nach dem Lager für Filterkohle befördert.
Nach der Vermischung mit den feineren Kokesteilchen
wandert das Abwasser nach einem Schlammbrunnen (S), wo
es zur Ruhe kommt, damit die klärenden Stoffe mit dem
Schmutz sich absetzen können. Das geklärte Abwasser fliesst
nun über eine schräge gerauhte Rieselfläche (R), um mitgeführte
Schlammteilchen abzusetzen und andererseits Sauerstoff aus der
Luft aufzunehmen. Man hat diesen Teil der Anlage als Oxy
dationsfeld bezeichnet.
Das so vorbereitete Abwasser durchläuft nun von unten
nach oben Filter (F), welche mit der gewonnenen Filterkohle
beschickt sind; auch hier wird die Wirkung des Sauerstoffs
ausgenutzt, indem die Filtration intermittierend betrieben wird.
Damit ist die Reinigung des Abwassers beendigt, dasselbe
liesst ab. Es bleibt noch übrig, die Bearbeitung der Schmutz
stoffe, sowie des Klär- und Filtermaterials zu schildern. Der
auf der Rieselfiäche (R) abgelagerte Schlamm wird zeitweise
nach dem Schlammbrunnen (S) abgeschwemmt und so mit den
daselbst angesammelten Klärrückständen vereinigt. Der Inhalt
des Brunnens wird abgepumpt und mit dem abgebrauchten
Filtermaterial auf' einer Halde (H) schichtenweise aufgetragen,
u m den Wassergehalt zu vermindern. Dieses abgetrocknete,
(Fortsetzung.)
stichfeste Material wird zum Teil wieder nach dem Schweel
ofen zurückgeführt, daselbst geglüht und macht dann wieder
den Kreislauf durch die Anlage, soweit es benötigt wird. Der
Rest wird auf einer geschlossenen Tenne (T), welche durch
die abziehenden Gase des Schweelofens geheizt ist, getrocknet
und in zerkleinerter Form als Dünger abgegeben. Bei dieser
Trocknung werden als Kondensationsprodukte Teer und
Ammoniakwasser gewonnen; die sich bildenden Gase dienen
zur Heizung des Schweelofens.
Während die vorher erwähnten Verfahren nur auf
die Beseitigung der ungelösten Stoffe aus dem Abwasser
abzielten, ist bei dem von Friedrich darauf Bedacht
genommen, auch die gelösten zu beseitigen An
sich hat die Kohle allein, d. h. ohne Zugabe von
chemischen Klärmitteln (speziell von Eisensalzen) keine
3S besonders günstige Klärwirkung; dieser Nachteil wird
aber durch die Anwendung der Filtration ausgeglichen.
Die Kohle hat eben ein grosses Anziehungsvermögen
für gelöste organische Stoffe, und dieses kommt n ament-
lich in den Filtern zur Geltung, wo die poröse Kohle
das Füllungsmaterial bildet.
Man hat ferner durch die Einschiebung des Oxy
dationsfeldes und durch die intermittierende Filtration
Gelegenheit zum Zutritt von Sauerstoff gegeben, offenbar in
der Absicht, um den durch Bakterienthätigkeit zerlegten Stoffen
die Möglichkeit zur Oxydation zu geben. In diesen Abschnitten
ähnelt das Verfahren den später zu schildernden sogenannten
biologischen. Besonders charakteristisch ist, dass die Rück
stände in dem Verfahren selbst zum Teil wieder Verwendung
finden. Ob das durch Trocknung auf der Tenne gewonnene
Material einen wertvollen Dünger darstellt, muss bezweifelt
werden, da es doch zu stark von nutzloser Kohle durchsetzt
ist. Auch ist nicht ersichtlich, ob sich die Darstellung von
Teer und Ammoniakwasser lohnt; jedenfalls liegen aber in
der Trocknung auf der Tenne die Vorteile, dass dieses Rück
standsmaterial in eine dauerhafte Form übergeführt wird, und
dass durch diese Massnahme an der Heizung des Schweel
ofens gespart wird.
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cfcdj. 7.6.
In anderer Weise als Friedrich hat Rothe nach dem
Vorschlage von Degen er das Flächenanziehungsvermögen der
Kohle und deren klärende Wirkung nach Zusatz von
Chemikalien ausgenutzt. Von dem Verfahren war ein Modell,
sowie photographische Bilder ausgeführter Anlagen ausgestellt
(Fig. 7 a u. b).
Bei diesem Verfahren wird das Kanalwasser durch einen
Sieb- und Sandfang zunächst von gröberen Schwimm- und
Sinkstoffen befreit und fliesst dann durch ein Mischgerinne (M),
einen Kanal, in welchen nach einer Seite .wechselseitig offene
Querwände (Q) eingebaut sind. Hier werden dem Abwasser
zuerst eine Aufschwemmung von fein verschlissenen Humus-