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Jahrgang 1902.
6. September 1902.
Heft 8.
Inhalt: Die Vorführung der Abwasser-Reinigungs-Verfahren auf der Pariser Weltausstellung 1900, WtfSw- und Geschäftshaus Sieber,
München, entworfen und ausgeführt von Architekt Max Ostenrieder daselbst.
Die Vorführung der Abwasser-Reinigungs-Verfahren auf der Pariser
Weltausstellung 1900.
Von Dr. O h 1 m ü 11 e r, Geh. Regierungsrat im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
(Schluss.)
Aus dem Sedimentierraum ergiesst sich das Kanalwasser
durch Knierohre auf ein Grobfilter (G), welches mit grobem
Kies und Schotter gefüllt ist, sammelt sich in einem darunter
befindlichen Raum zur abermaligen Abklärung durch Sedimen-
tierung und tritt schliesslich noch durch ein Feinfilter (F) aus
Kies und grobem Sand zur Beseitigung der körperlichen Stoffe.
Am Boden des letzteren Filters sammelt sich das vorbehandelte
Abwasser in einer Drainage und wird mittels einer Rinne (R)
auf die vier Kammern eines Oxydationsraumes (O) abwechselnd
verteilt, indem immer nur eine Kammer beschickt wird. Als
Füllraum für den Oxydationsraum ist eine 75 cm hohe Kokes-
schicht verwendet, welche auf einer Kiesschicht ruht und von
einer solchen bedeckt ist. In diesem Teil der Anlage verbleibt
das Abwasser 2—3 Stunden und Hiesst dann durch eine
Sammelleitung ab. Die in den Oxydationskammern auftretenden
physikalischen, biologischen und chemischen Vorgänge zur
Reinigung des Abwassers sollen später besprochen werden.
Als zweites Modell dieses Verfahrens war die Anlage von
Belle Isle vorgeführt, welche die Abwässer von 1500 Ein
wohnern des Distriktes St. Leonhard der Stadt Exeter reinigt.
Diese besteht aus einem Faulraum und fünf Filtern (Oxydations
räumen), von welchen immer nur vier wechselseitig in Gebrauch
genommen werden, sodass jedes Filter allmonatlich eine Woche
lang in Ruhezustand gelassen werden kann. Eine Vorreinigung
des Abwassers besteht hier nicht; die Beschickung der Filter
erfolgt auf automatischem Wege durch Kippgefässe.
Auf Grund eingehender Untersuchungen ist man zu folgen
der Erklärung der Reinigungsvorgänge des biologischen Ver
fahrens gelangt. Früher nahm man an, dass im Faulraum
durch die Thätigkeit anaerober Bakterien die ungelösten und
gelösten organischen Stoffe des Abwassers für ihre weitere
Mineralisierung in den Oxydationsräumen vorbereitet werden,
dass sie daselbst zum Teil auch aufgebraucht würden durch
die Entwicklung der Lebensthätigkeit der Bakterien. In letzter
Beziehung gingen die Erwartungen so hoch, dass man glaubte,
die Bildung von Schlamm sei überhaupt zu vermeiden, es sei
zu erreichen, dass derselbe vollständig aufgezehrt werde. Diese
kühne Hoffnung hat sich nicht erfüllt, vielmehr bildet die Aus
scheidung des Schlammes immer noch die schwierigste Aufgabe
bei der Ausbildung des biologischen Verfahrens, da dessen An
sammlung in den Oxydationsräumen zu Störungen Veranlassung
gibt, die nur mit Schwierigkeit zu beseitigen sind. Dies war
wohl die Veranlassung, dass Merten den Oxydationsräumen
eine so komplizierte Vorrichtung zur Sedimentierung und Filtration
vorgeschaltet hat. Damit hat man auf die Beseitigung des
Schlammes durch biologische Vorgänge verzichtet, und die Last
seiner Ansammlung besteht nach wie vor.
Neuerdings neigt man mehr und mehr zu der Ansicht, der
Faulraum sei überhaupt zu entbehren, und in der Hauptsache
spiele sich der Reinigungsvorgang in den Oxydationsräumen ab.
Diesen letzteren stellt man sich so vor, dass auf der grossen
Oberfläche des Füllungsmaterials der Oxydationsräume, als
welches jetzt wohl ausschliesslich Koke in einer Korngrösse bis
zu 7 mm Durchmesser verwandt wird, eine Sedimentierung
der körperlichen Bestandteile stattfindet, und dass die Kokes
durch Flächenattraktion gelöste Stoffe des Abwassers an sich
ziehen. Die Zeit, während welcher das Abwasser in den
Oxydationsräumen ruht, ist so kurz bemessen (auf 2—3 Stunden),
dass man von der reinigenden und aufzehrenden Thätigkeit der
Kleinflora und -Fauna nicht viel erwarten darf. Diese setzt
aber ein, sobald die Oxydationsräume entleert längere Zeit der
Ruhe überlassen werden. Durch das Nachdringen der Luft in
die Hohlräume zwischen den Kokesstückchen werden Oxydations
vorgänge der von den Bakterien gebildeten Zersetzungsprodukte
begünstigt. Zweifellos findet hier ein Verbrauch organischer
Masse statt, und das Füllungsmaterial (Koke) wird für eine
nächste Beschickung „regeneriert“, jedoch nicht in dem Masse,
dass eine zuweilen vorzunehmende gründliche Reinigung des
Oxydationsraumes durch Umharken und Entfernung des Füll
materials erspart bliebe. Wie oft dies zu geschehen hat, bezw.
der Zeitpunkt, bei welchem die Leistungsfähigkeit des Koke
erschöpft ist, richtet sich im wesentlichen nach der Menge der
körperlichen Bestandteile des Abwassers, wie überhaupt dessen
Beschaffenheit für das Zustandekommen eines Erfolges von
Belang zu sein scheint.
Es lassen sich daher auch keine bestimmten Vorschriften
über den Bau einer solchen Anlage geben, sondern man wird
bestrebt sein, sie den einschlägigen Verhältnissen des einzelnen
Falles anzupassen. Auf diesem Wege werden sich im Laufe
der Zeit Erfahrungen sammeln, welche der Vervollkommnung
und dem weiteren Ausbau des Verfahrens dienlich sind. In
seiner jetzigen Form ist das biologische Verfahren jedenfalls
schon so weit gediehen, dass es für eine Nachrieselung des
Wassers insoferne gute Dienste leistet, als man nach einer
solchen Vorreinigung mit einer weit geringeren Rieselfläche
auskommen kann, und dass hierbei die Dungstoffe in die für
Pflanzen assimilierbare Form zum grössten Anteil übergeführt sind.
Von allen Abwasserreinigungsverfahren ist entschieden das