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die Techniker der K. Zentralstelle Herr Baurat Ca nz und Herr Bau
inspektor Mörike, sowie Herr Professor Maurer von der K. Bau
gewerkschule übernommen.
Am l 2. Juli konnten schon die Arbeiten für die Staatsstraßen
brücke und für die Staatsstraße bei Balingen und der dortigen
Amtskörperschaftsstraße gegen Heselwangen ausgeschrieben werden,
am 19. Juli erfolgte deren Vergebung durch Herrn Präsident von
Leibbrand auf dem Balinger Baubureau. Rasch folgten jetzt auf
einander die Vergebungen der Straßen- und Brückenbauten und bald
waren im Eyach- und Schlichemthale Hunderte geübter Arbeiter mit
der Wiederherstellung der zerstörten Bauten beschäftigt.
Durch das Finanzgesetz vom 18. Juli 1895 wurde für die
Beseitigung der Hochwasserschäden eine Nachcxigenz von 400000 Mk.
auf Kapitel 109 (Reservefonds) genehmigt und der Grundsatz auf
gestellt, daß von diesen Mitteln in erster Linie die vom Staate
übernommenen, früher in Unterhaltung der Amtskörperschaft ge
standenen Eyachbrücken in Balingen und Dürrwangen, sowie die
Staatsstraße bei Balingen erbaut werden sollen und daß die Amts
körperschaften und Gemeinden zu ihren Brücken- und Straßenbauten
*/ 3 des Bauaufwands einschließlich der Grunderwerbungskosten zu
erhalten haben. Die Kosten der Pioniere und die Bauleitungskosten
für sämtliche Amtskörperschafts- und Gemeindebauten, desgl. die
Kosten für die Wehrentwürfe, soweit solche von den Technikern der
K. Zentralstelle gemacht wurden und endlich die Kosten der Hochbau
techniker, welche die Entwürfe für die neu zu erstellenden Gebäude
und die Wiederinstandsetzung beschädigter Gebäude ausarbeiteten,
übernahm der Staat voll und ganz.
Bei den späteren Bewilligungen zu den Eyachkorrektionen auf
den Markungen Ostdorf, Engstlatt, Balingen, Frommern, Dürrwangen,
Laufen, Lautlingen, Pfeffingen und zu der Schmiechakorrektion
in Ebingen wurde durch hohen Ministerial-Erlaß ausgesprochen, daß
von der Rachtragsexigenz von 600 000 Mark, die von der K. Staats
regierung eingebracht und von den Ständen verwilligt wurde,
75 000 Mark als Staatsbeitrag für die Eyach- und Schmiecha-
korrektionen verwendet werden dürfen. Die unter Zugrundelegung
von 50 °/o der eigentlichen Baukosten und der Uebernahme der Bau
aufsicht zu obigen Korrektionen weiter erforderlichen 79 000 Mark
wurden in den Flußbaufonds für 1897/99 eingestellt.
Im ganzen hat die Straßenbauverwaltung für Staatsstraßen
und Brücken, sowie für diejenigen Brücken- und Straßenbauten, für
welche 2 /s des Bauaufwands als Staatsbeitrag für die Amtskörper-
schaften und die Gemeinden vorgesehen war, aufgewendet 290 400 Jt.
Als Staatsbeitrag für die Flußkorrektionen mit
50°/« des wirklichen Bauaufwands .... . . 169200 Jk.
Summa
459 600 Jtk.
Der Staat hat für Bauleitung und Staats-
bauten aufgewendet
84 600 Jt.
Die Amtskörperschaft Balingen hat aufgewender
121 200 „
„ „ Rottweil
1200 „
Die Gemeinden zusammen
417 300 „
Die Wehre und Kanäle kosteten ....
200 000 „
Die Mühlwerke
18 000 „
Die Gebäude . . .
207 000 „
Für Herrichten der Felder und Feldwege. .
190 000 „
1239 300 Jt.
noch sind jedoch die Bauleute im Bezirk in reger Thätigkeit, so daß
bis zum Schluß der Bauarbeiten die Bausumme von 1300000«^.
wohl erreicht wird ohne Jnventarbeschaffung.
7. Hilfskomite.
Am 7. Juni 1895 traten die bürgerlichen Kollegien von Balingen,
die Bezirksbeamten, die Geistlichkeit und andere Wohlthäter zusammen,
um zur Beseitigung der dringendsten Not ein provisorisches Hilfs
komite zu bilden. Dieses Komite wurde am 9. Juni nach den In
tentionen S. Exzellenz des Herrn Staatsministers von Pischek zum
Bezirkshilfskomite umgestaltet, dieses bestand und besteht jetzt noch
aus einem weiteren und einem engeren Komite. Dem weiteren
Komite gehören an Herr Oberamtmann Filser als Vorsitzender,
ferner je 10 Vertreter der Städte Balingen und Ebingen, die Ver
treter der gemeinschaftlichen Aemter der betroffenen Gemeinden und
der Landtagsabgeordnete des Bezirks Herr Rechtsanwalt Konrad
Haußmann.
Des engere oder Aktionskomite besteht aus Herrn Oberamtmann
Filser als Vorsitzender und den 10 Mitgliedern des weiteren Komites
von Balingen, aus letzterem wurde Oberamtspfleger Roller als
Kassier gewählt. Die Sammlungen wurden sofort ganz energisch in
die Hand genommen; von Haus zu Haus gingen die angesehensten
Männer mit dem Klingelbeutel und nicht nur durch gedruckte Bitt
gesuche, durch verschickte Photographien und durch immer wieder
kehrende Berichte über die Katastrophe, welche in die Blätter fast
aller Länder übergingen, kamen große Summen ein (wie eine Menge
kleiner Geldbeiträge), sondern auch durch Bettelbriefe, welche den
oberen Klassen der Schulen im Oberamtsbezirk läglich einige Stunden
diktiert, von Herrn Oberamtmann Filser unterzeichnet und vom
Komite überallhin verschickt wurden, kamen so viel kleinere Beiträge
zusammen, daß die Hilfskasse bald mächtig erstarkte. Einen von
Kinderhand geschriebenen Brief wirft man nicht in den Papierkorb^
sagte sich mit Recht das Komite, derselbe wird gelesen und mit einer
Gabe beantwortet. Die ersammelten Gelder erreichten die Höhe von
769140 Jt, daneben konnten eine Menge Nahrungsmittel, Kleidungs
stücke, Bettzeug und Hausrat an die Ueberschwemmten abgegeben
werden. Die Gelder selbst wurden wie folgt verteilt:
Schadensposition
Höhe des
Vom Hilfs
komite gewährte
Teil des
Schadens
Entschädigung
Beschädigten
I. Gebäude:
M.
M.
M.
a) 540 beschädigte Gebäude
71 200
52 500
18 700
b) 121 zerstörte „
135 615
135 615
II. Jnventarschaden:
a) Totes Inventar
105 370
67 570
37 800
b) Lebendes Inventar pflüge!
21844
2 606
21844
2 606
III. Flurschaden:
a) Dauernder Flurschaden.
b) Ernteschaden
478 500
190 000
c) Baumfchaden
J
IV. Wasserwerksanlagen:
a) Werkseinrichtungen
24 000
18 000
6 000
b) Wehranlagen
216 700
180 000
ca. 40 000
c) Beiträge zu Brückenbauten
481 260
6 000
ä) Kanal- und Uferbautcn
31 400
20 000
V. Dispositiousfond
VI. Fürsorge für die Hinter-
40 000
für Wehre
bliebenen
25 000
VII. Freiwillige Gaben von
Calw und Nagold
10 000
| 1568 500
769140
113 860
Hiebei wurde der Flurschaden von 190 000^. den Betroffenen
nicht bar ersetzt; es mußten die Gemeinden die Felder wieder voll
ständig herrichten lassen, worauf sie je nach dem Fortschreiten der
Arbeiten Abschlagszahlungen erhielten. Diese Wiederinstandsetzung
der Felder geschah durch Ortsangehörige, welche die den Gemeinden
bewilligten Summen abverdienen mußten. Diese Arbeitergruppen
hießen im ganzen Bezirk die Heilsarmee und standen unter der
Leitung der Landwirtschaftsinspektoren Kost und Hornberger.
Für die beschädigten Obstbäume wurden junge Bäume in großer
Zahl abgegeben, so daß für einen alten beschädigten Baum 6 bis
10 der schönsten, jungen Obstbäumc gesetzt wurden, es entstanden
viele neue Baumgärten. Das Vieh und Geflügel wurde von einer
Kommission aufgekauft und den Beschädigten nach dem Wert ihres
verlorenen Viehstandes überwiesen.
Aus den Zinsen der angesammelten Gelder konnten zur Er
innerung an die Hochwasserkatastrophe und zum Andenken an die
Ertrunkenen in Laufen, Dürrwangen und Balingen würdige Denk
mäler nach Entwürfen von Herrn Präsident von Leibbrand
erstellt und mit kleinen Anlagen umgeben werden.
Die Brücken wurden größtenteils aus Flußeisen hergestellt, da
man glaubte, hiedurch schneller zum Ziele zu gelangen. Diese Voraus
setzung war unzutreffend; die Eisenkonstruktionen ließen lange auf
sich warten und verzögerten die Bauzeiten wesentlich. Mit der Aus
führung gewölbter Betonbrücken, deren in späterer Bauperiode einige
ausgeführt wurden, wäre es erheblich schneller gegangen.
Loransgegebrn vom Württemv. titinn für «anlmndr. Für Levsold-n- wverdanrat a.ffl. ». Ärockmann. — Ärnck von Alfred fSäUet * Co. — vorlag von 3. Weiso'o
Hofdnchhandtnng, sämtlich ln Stuttgart.