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Auf der Abgeordnetenversammlung zu Freiburg am 3. September
war der Verein vertreten durch von Hänel und Mayer. Den
Bericht über diese Versammlung erstattet Mayer, welcher den außer
ordentlich gelungenen Verlauf des ganzen Festes, sowie die Gast
freundschaft und Liebenswürdigkeit der Einwohner rühmend hervor
hebt. Als Ort für die nächste Abgeordnetenversammlung ist Braunschweig
und für die Wanderversammlung Bremen gewählt.
Als Gast hat sich eingefundcn Herr Professor Rettich, welchen
der Vorsitzende begrüßt.
Stadtbaurat Kölle hält hierauf einen Vortrag über die Aus
führung der Wasserwerksanlage in Marbach für die Erweiterung der
Elektrizitätswerke in Sruttgart. Dem Vortrag ist eine große Anzahl
Zeichnungen zu Grunde gelegt, welche ein klares Bild von der um
fangreichen Anlage verschaffen.
Der Vorsitzende spricht dem Redner den Dank der Versammlung
aus für den interessanten und lehrreichen Vortrag.
Ausffng nach Maröach am 9. Oktober 1898.
Auf Einladung des Vereins-Vorstandes fuhr am Sonntag nach
mittags eine größere Zahl von Mitgliedern mit einigen Damen nach
Marbach, um die in Gang befindlichen wasserbaulichen Arbeiten, über
welche am Abend vorher Stadtbaurat Kölle einen Vonrag gehalten
hatte, zu besichtigen, wobei namentlich der Umstand berücksichtigt
wurde, daß später der interessantere Teil der Objekte infolge der
Unterwasiersetzung nicht mehr wird gesehen werden können.
Die interessanten Arbeiten wurden unter der liebenswürdigen
Führung des Stadtbaurats Kölle eingehend besichtigt und kehrte
die Gesellschaft hoch befriedigt von diesem Ausflug nach Einnahme
einer Erfrischung 9 Uhr abends wieder zurück.
Die Klosterkirche in Reichenbach.
sNach den Angaben des Oberbaurat v. Sanier bearbeitet von Reg.-Baumeister Burger.)
Mit einer Zeichnungsbeilage.
Die Klosterkirche zu Reichenbach im Murgthale ist nach ihrem
Kunst- und Altertumswerte ein Bau von großer Bedeutung. Aus
dem 11. Jahrhundert stammend, wurden an ihr die ganze romanische
Bauperiode hindurch Veränderungen und Erneuerungen vorgenonimen,
so daß fast alle prägnanteren Formen des romanischen Stils an
diesem Bau vertreten sind.
Gegründet wurde die Kirche im Jahre 1082 durch den kunst
sinnigen Abt Wilhelm von Hirsau und schon nach einer Bauzeit von
nur 3 Jahren, am 22. September 1085, konnte sie durch Bischof
Gebhard von Constanz zu Ehren des heiligen Gregor eingeweiht
worden. Ihr edler romanischer Stil zeigte die einfachen, geistvollen
Verhältnisse, wie sie der bauverständige Abt Wilhelm und die von
Hirsau ausgehende Bauschule damals pflegten. An ein einschiffiges
Langhaus mit gerader Holzbalkendecke schloß sich im Osten ein von
zwei Türmen flankierter rechteckiger Chor mit gerader Decke an;
Türme und Chor zeigten gegen Osten je eine halbrunde Altarnische;
zwischen die Türme war ein halbrundes Tonnengewölbe eingespannt.
Im Westen war dem Langhaus eine achteckige, ebenfalls gerade ab
gedeckte Vorhalle mit 3 Halbrundarkaden vorgelegt Die Beleuchtung
des Langhauses erfolgte beiderseits durch eine Reihe kleiner, hoch oben
angebrachter Rundbogenfenster. Die schlichte Grundform dieser ur
sprünglichen, von Abt Wilhelm herrührenden Kirche bildete somit ein
lateinisches Kreuz, dessen kurze Querarme durch die beiden Türme
gebildet wurden. Diese ganze Anlage konnte bei den in den letzten
Jahren durch Oberbaurat v. Sanier ausgeführten Bauarbeiten in
ihren Fundamenten nachgewiesen werden. Im Aeußern sind die noch
vorhandenen, vom Wilhelm'schen Baue herrührenden Teile an der
Struktur ihres Mauerwerks kenntlich, das aus kleinen, nur mit dem
Hammer zugerichteten Buntsandsteinen geschichtet ist, wie wir es auch
an Bauten in Hirsau finden.
Mit der Weiterentwicklung der romanischen Baukunst, wohl auch
in Folge eines regeren Verkehrs mit anderen Klöstern, beschlossen die
Reichenbacher Mönche gegen Ende des 12. Jahrhunderts den Umbau
ihrer Kirche. Bei Ausführung dieses Plans scheinen sie mit dem
Chore begonnen zu haben. An Stelle des ursprünglichen, einschiffigen,
gerade gedeckten Chors trat eine reichere Gliederung, eine dreischifsige,
teilweise gewölbte Choranlage mit kraftvollen Bündelpfeilern und schön
geformten Gewölberippen. An den zwischen die Türme gespannten,
schon oben erwähnten, tonnengewölbten Triumphbogen schloß das
Chormittelschiff mit gerader Balkendecke und einer kuppelgewölbten
Apside an, welche in ihrem Aeußern mit zierlichen Rundbogen- und
Zahnschnittfriesen verziert wurde. Gegen die Seitenschiffe öffnete sich
das Chormittelschiff je mit 2 mächtigen Arkaden, welche auf massigen
Pfeilern mit vorgelegten Halbsäulen ruhten. Ueberdeckt waren diese
Seitenschiffe je mit 2 Kreuzgewölben zwischen rechteckigen Rippen,
die in Schlußsteine mit prächtigem Blätterschmuck zusammenliefen.
In ihrer architektonischen Erscheinung zeigt diese reizende Chor
anlage in ihren Bogenstellungen die Formen des entwickelten romanischen
Stils, in der Wölbung diejenigen des Uebergangsstiles. Anschließend
an den Umbau des Chors wurde die flachgedeckte Vorhalle in eine
gewölbte verwandelt. Sie öffnete sich gegen Westen mit 3 Rund
bogen und ihre rechteckige Grundform wurde mit 3 Kreuzgewölben
zwischen reich gegliederten Rippen überspannt, die sich in den Ge
wölbescheiteln zu kunstvoll gearbeiteten Schlußblumen zusammen
schließen. An der Ostmauer werden diese Rippen von Säulenbündeln,
an der Westmauer von Consolenbündeln und in den Ecken von Pfeilern
aufgenommen. Aus eben dieser Zeit stammt die Erbauung der West
fassade und wahrscheinlich auch der Anbau, der sich auf der Nordseite
des Langhauses als offene Halle seitenschiffartig hinzog. Eigentliche
Seitenschiffe waren, wie eine gründliche Untersuchung des Mauerwerks
zeigte, niemals vorhanden. Die Bauteile, welche aus dieser Bau
periode stammen, waren im Gegensatz zu denen aus Abt Wilhelms
Zeiten in großen, sauber bearbeiteten Buntsandsteinquadern ausgeführt.
Mit dieser zweiten Bauperiode war die Klosterkirche im Wesentlichen
vollendet; in der gothischen Zeit wurde dem Chore noch ein elegantes
Sakramenthäuschen eingebaut und die Nordseite des Langhauses in
ihrem unteren Teile durch einige weitere Fenster durchbrochen.
Lange Zeit blieb nun die Kirche als herrlicher Schmuck des
waldreichen Murgthales in ihren schönen Formen erhalten, bis sie
dann immer mehr, scheinbar unrettbar, dem Zerfalle entgegenging.
Nach einem großen Brande, wahrscheinlich im Verlaufe des dreißig
jährigen Krieges, wurde der Giebel des Chorschiffes durch Fachwerk
ersetzt und die Chordächer erneuert. Diesem Brande wird wohl auch
die Halle an der Nordseite des Langhauses zum Opfer gefallen sein.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren im Langhause Einporen
eingebaut worden, welche die schlichte, einfache Größe des schönen
Jnnenraumes vernichteten. Im übrigen schritt der Zerfall immer
weiter vor und Mitte des 18. Jahrhunderts mußten die zierlichen,
von Säulenarkaden durchbrochenen Türme bis auf Höhe der Lang
hausmauern abgetragen werden. Zu ihrem Ersätze wurde an der
Westfassade ein Dachreiter errichtet, und hieher die vorhandenen
Glocken, deren kleinere 1625 von Christian Quentelberger in Durlach,
die größere 1632 von Claude Rossiec gegossen waren, samt der
Turmuhr verbracht. Zu derselben Zeit wurde wahrscheinlich auch der
Dachstuhl des Langhauses, welcher auch die abgebrochenen Türme
j überdeckte, erneuert. Weitere bauliche Veränderungen wurden nun in