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der Windstärke, von dem Sättigungsgrade der Luft und des Bodens
mit Feuchtigkeit und von anderem mehr. Die Erhebungen über
Verdunstungs- und Versickerungsgröße sind daher äußerst schwierig
und unsicher anzustellen und etwaige Ergebnisse wären auf einer
großen Anzahl von Fehlerquellen aufgebaut. Es werden daher weder
in Württemberg, noch anderswo, solche Beobachtungen in regelmäßiger
Weise angestellt.
Da man sich mit der alten und falschen Regel über den Kreis
lauf der irdischen Wasser, wonach von allem Wasser, das auf die
Erde niederfällt, Vs durch Verdunstung in die Atmosphäre zurückgeht,
1 k in den Boden einsinkt, als Grundwasser zirkuliert oder als Quell
wasser wieder zu Tage tritt und das letzte Drittel in Bächen und
Flüssen zum sofortigen Abfluß gelangt, nicht begnügen kann, so
bleibt von diesen drei Faktoren zur genauen und wissenschaftlichen
Bestimmung nur der sekundliche Abfluß übrig. Diesen zu bestimmen
ist aber Sache der Hydrographie.
In Württemberg trat im Jahre 1889 ein besonderes hydro
graphisches Bureau ins Leben; es wurde der K. Ministerialabteilung
für den Straßen- und Wasserbau angegliedert. Zu seiner Aufgabe
gehören die Wasserstandsbeobachtungen, Wassermengenmessungen und
die Aufnahme der Flußlänfe, auch liegt dem Bureau die Sammlung
von Notizen über alle mit der Landeskultur zusammenhängende
Gegenstände hydrotechnischer Natur ob.
Was zunächst die Wasserstandsbeobachtungen anbelangt, so
wurden solche zu Schiffahrtszwecken schon vom Jahr 1827 an am
Neckarpegel zu Heilbronn und am Bodenseepegel zu Friedrichshafen
gemacht. Im Jahr 1853 traten regelmäßige Beobachtungen am
Neckar zu Cannstatt und Plochingen, sowie an der Donau zu
Ulm hinzu.
Heute bestehen in Württemberg 43 staatliche Pegelstationen,
von denen 24 auf das Neckargebiet, 13 auf das Donaugebiet, 4 ans
das Bodenseegebiet und je 1 auf das Murg- und Taubergebiet ent
fallen. In Heilbronn und Plochingen befinden sich selbstschreibende
Pegel.
Die täglichen Morgenbeobachtungen an diesen Pegeln werden
nach Monaten, Jahren und 10 jährigen Zeitabschnitten tabellarisch
und zeichnerisch zusammengestellt und veröffentlicht. Hiebei werden
jeweils die absolut höchsten und niedersten, sowie die gemittelten
W isserstände angegeben.
Zunächst fällt bei Betrachtung der bildlichen Darstellung der
jährlichen Wasserstandsbeobachtungen der Unterschied zwischen den im
Hochgebirge entspringenden und den aus den Mittelgebirgen kommenden
Flüssen auf. An der Iller und der Argen traten z. B., wie dies
Figur 2 a zeigt, in den Monaten August und September des
Jahres 1896 viele rasch aufeinander folgende Anschwellungen von
kurzer Dauer ein, weshalb die Zeichnung der Jahreswellen eine
sägenähnliche Form hat. Solche Unregelmäßigkeiten sind die Folgen
der Schneeschmelze im Hochgebirge mit ihren Unterbrechungen. Der
während derselben Zeit beobachtete Jahresverlauf der Wasserschwank
ungen an der Donau bei Berg und an der Enz bei Höfen zeigt
Anschwellungen in erheblich geringerer Anzahl und Höhe; in der
bildlichen Darstellung, Figur 2 b, fehlen daher die vielen und
spitzigen Zacken.
Der große Einfluß, den bedeutendere Fabrikstauanlagen auf die
sekundliche Abflußmenge eines Flusses während einer Niederwasser
periode zum Nachteil der Unterlieger mit kleineren Staubecken aus
üben können, ist durch die Pegelaufzeichnung vom Jahr 1895 am
Neckar bei Heilbronn und Besigheim festgestellt worden. Die Werks-
besttzer sind nämlich vielfach bestrebt, bei niedrigen Wasserständen
abends oder vor der Nachmitlagspause, hauptsächlich aber an Sonn
abenden, das oberhalb ihrer Wehranlage aufgestapelte Flußwasser
aufzuarbeiten und in den folgenden Freistunden, besonders während
des Sonntags ihre Staubecken wieder zu füllen. Auf diese Weise
wird der Fluß stundenlang fast ganz in den Wehrwagen gespannt.
Die hiedurch hervorgerufenen und am Heilbronner Pegel beobachteten
Unregelmäßigkeiten wahrend des Monats September des Jahres 1895
sind in der Abbildung Figur 3 gezeichnet, wo die Sonntage durch
Schraffierung erkennbar gemacht sind.
Die Pegelbeobachter haben bei dem Eintritt von Hochwassern
je nach der Wichtigkeit des Pegels und der Höhe des Wasserstands
ihre Ablesungen 3, 4, 6, 12 und sogar 24 mal im Tag zu machen.
Hiedurch wird man in den Stand gesetzt, die Form des Hochwasser
wellenscheitels genau aufzuzeichnen, einen Vergleich zwischen der
Scheitelbildung zweier verschiedenen Flüsse oder desselben Flusses
an zwei verschiedenen Pegelorten anzustellen und im letztern Falle
die Geschwindigkeit des Fortschreitens des Hochwasserwellenscheitels
zu berechnen. In der Figur 4 ist eine solche Scheitelform für den
Plochinger Neckarpegel und den Berger Donaupegel gezeichnet. Die
steile, hohe und scharf zugespitzte Form des Neckarwellenscheitels läßt
auf einen raschen und reichlichen Abfluß der gefallenen Regenmenge
schließen; thatsächlich wird auch am Neckar der Abfluß durch das starke
Gefäll, durch das meistens sehr steile Gehänge des Muschelkalks
und des Weißjuras im Hauptthal und in den Seitenthälern, sowie
durch den Umstand begünstigt, daß die undurchlassenden und mittel
durchlassenden Schichten etwa 80% des Gesamtniederschlaggebietes aus
machen. Im Gegensatz hiezu wird der in derselben Figur gezeichnete
lang gezogene, gedrückte, kuppenförmige Scheitel der Hochwasserwelle
der Donau erzeugt durch ihr schwächeres Gefäll, durch die sehr durch
lassenden Schichten des ausgedehnten Albplateaus, durch die Riede
und Seen in den Moränenlandschaften des Oberlandes, sowie durch
die großen Thalweitungen bei Donaueschingcn, Tuttlingen, Riedlingen,
Rottenacker und Erbach. Die Füllung dieser natürlichen Sammel
becken und ihres kiesigen Untergrundes bei steigendem, und deren
allmählige Entleerung bei fallendem Wasser verzögert den Beginn
des Ansteigens, vermindert die Höhe des Scheitels, bedingt die ab
gerundete Scheitelform und das langsamere Zurückfallen der Wasser
auf Niederwasserstand.
Eine weitere Art der Pegelstatistik ist eine Zusammenstellung
der mittleren Wasserstände der gleichnamigen Monate während einer
Reihe von Jahren. Mittelt man z. B. für einen gewissen Zeitabschnitt
die mittleren Wasserstände der Monate Januar, ebenso diejenigen
während der Monate Februar u. s. w., so erhält man das Gesetz der
jährlich sich wiederholenden Wasserstandsbewegungen. Dieses Gesetz
ist für den Neckarpegel bei Heilbronn und den Bodenseepegel bei
Friedrichshafen in Figur 5 bildlich dargestellt. Hier unterscheiden
sich wieder die Gewässer des Hochgebirges, zu welchem die Iller, die
von ihr beeinflußte Donau bei Ulm, die Argen und der Bodensee
gehören, vollständig von den andern, den Mittelgebirgen entstammen
den Flüssen.
Die gemittelten Monatswasserstände der aus dem Mittelgebirge
kommenden Flüsse zeigen in ihren jährlich wiederkehrenden Bewegungen
ein Wintermaximum mit 2 Kuliminationspunkten in den Monaten
März und Dezember, die sich in Bezug auf ihre absolute Höhe
mannigfach den Rang streitig inachen und ein Sommerminimum im
August oder September, mit Durchgang durch das Jahresmittel in
den Monaten Mai—Juni und November.
Die Flüsse mit alpinem Charakter dagegen haben im Monat
Februar ihr Jahresminimum und erreichen, entsprechend dem Fort
schreiten der Schneeschmelze in dem Gebirge, in dem Monat Juli
das Jahresmaximum. Sie zeigen also, umgekehrt wie die andern
Flüsse, Sommermaxima und Winterminima, mit Durchgang durch
das Jahresmittel in den Monaten Mai und Oktober—November.
Von großer Wichtigkeit, insbesondere für Wasserwerksbesitzer,
ist die Bestimmung desjenigen Wasserstands, der am häufigsten eintritt.
Summiert man die jeweilige Dauer eines Wasserstands in
Tagen, etwa in Abstufungen von 10 zu 10 cm Pegelablesung und
trägt diese verglichenen Wasserstände als Ordinaten und die zugehörige
Häufigkeit des Eintritts der betreffenden Wasserstände in Tagen als
Abscissen auf, so wird die auf diese Weise erhaltene Häufigkeitslinie
die Ordinatenachse je in dem, den absolut höchsten und absolut
niedersten Stand anzeigenden Punkten schneiden und dazwischen einen
Scheitelwert oder Nmkehrpunkt zeigen, der demjenigen Wasserstand
entspricht, der am häufigsten im Laufe eines Jahres beobachtet wird.
Dieser Wasserstand ist als der geeignetste zur Berechnung der Stärke
der Wasserkräfte zu bezeichnen. Er fällt nicht mit dem aus dem
arithmetischen Mittel der täglichen Wasserstandesbeobachtungen be-