Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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In Umlauf wird gesetzt das von Baurat Find eisen dem Verein 
gestiftete Buch „Ratschläge über den Blitzschutz der Gebäude". 
Mayer ergreift hierauf das Wort zu folgenden Mitteilungen: 
Am 13. Mai 1893 wurde im Verein eine Kommission gewählt, 
welche den Auftrag erhielt, zu dem vom Verbände herauszugebenden 
Werke über das deutsche Bauernhaus, typische Bauernhäuser in 
Württemberg aufzunehmen. Im Jahr 1894 wurden von Werk mann 
in Laupheim drei Aufnahmen eingeschickt und zwar ein Haus aus 
Schönebürg, eines aus Schwendi und die Domäne Fischbachhof. Im 
Aufträge von von Schlierholz sandte Werkmeister Bommas ein 
Bauernhaus aus Simmringen, Oberamt Mergentheim, ein. Da von 
Seiten des Verbandes keine Vorschriften über den Maßstab gegeben 
waren, so mußten die Pläne umgearbeitet werden, als im Jahr 1895 
vom Konnte in Berlin eine Musterzeichnung eingeschickt wurde. Im 
Frühjahr 189? veranlaßte Mayer die Aufnahme eines Weingärtner 
hauses in Slrünipfelbach im Remsthal aus dem Jahre 1590 und 
zwar durch Studierende der techn. Hochschule. Die zur Ansicht auf 
gehängten Pläne trugen den Verfertigern, insbesondere dem Studie 
renden Mayer von Stuttgart, den ungeteilten Beifall der An 
wesenden ein. 
von Schlierholz bemerkt, daß insbesondere die Bauernhäuser 
im Allgäu und hauptsächlich zu Leutkirch und Jsny viele Eigentüm 
lichkeiten bieten, ebenso die Bauernhäuser von Ulm bis gegen den 
Bodensee. Er empfiehlt, in der Vereinszeitschrift darauf aufmerksam 
zu machen. 
Der nun folgende Vortrag des Herrn Hilfslehrers Haller führte 
den Anwesenden die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet der 
Mcßkunst durch Zuhilfenahme der Photographie vor, wofür dem 
Redner reicher Beifall gezollt wurde, dem sich der Vorsitzende unter 
dem Ausdruck verbindlichsten Dankes anschloß. Auf eine Anfrage 
von v. Schlier holz, wie sich das photogrammetrische Verfahren 
bei Architekturteilen bewähre, teilt Herr Haller mit, daß die Photo 
grammetrie sich für Architekturaufnahmen besser eigne, als für topo 
graphische Aufnahmen, da man bei den Architekturaufnahmen es mit 
weit geringeren Entfernungen zu thun hat und man die Bildweite 
sehr genau bestimmen kann; man könne bei scharf ausgeprägten 
Bildpunkten auf 200 m Entfernung eine Genauigkeit von 5 cm 
wohl erreichen. 
Der Vorsitzende richtet die dringende Bitte an die Mitglieder, 
ihm mit Vorträgen oder auch nur kurzen technischen Mitteilungen an 
die Hand zu gehen und beginnt selbst mit solchen über ein von ihm 
erstattetes Gutachten betreffend Nutzbarmachung eines Gefälles von 
28 m zu Vizzola am Tessin. 
Mayer spricht im Namen des Vereins Kölle den Dank für 
seine interessanten Mitteilungen aus. 
Protokoll der dritten ordentlichen Werfammknng 
am 11. Februar 1899. 
Vorsitzender: Kölle. Schriftführer: Laistner. 
Anwesend: 42 Mitglieder und 2 Gäste. 
Nach Eröffnung der Sitzung begrüßt der Vorsitzende zunächst 
die Herren Medizinalrat Or. Scheuerlen und Or. Bujard als 
Gäste und giebt sodann bekannt, daß die Aufnahme des Herrn 
Regierungsbaumeisters Schuri in den Verein erfolgt ist, und daß 
der Gemeinderat von Stuttgart dem Verein ein Straßenverzeichnis 
der Stadt unentgeltlich überlassen hat, wofür er demselben den Dank 
des Vereins übermitteln wird. Das Verzeichnis kann beim Vereins 
vorstand eingesehen werden. 
Des weiteren teilt der Vorsitzende mit, daß den Mitgliedern 
Gelegenheit gegeben ist, sich das interessante Werk „Freiburg und 
seine Bauten" um den Preis von 15 Jl. zu beschaffen. 
Vom Verbandsvorstande ist der Entwurf der neuen Honorarnorm 
— allerdings zunächst nur für Architekten — mit Begleitschreiben 
eingelaufen; die Beratung derselben soll in der diesjährigen Abge 
ordnetenversammlung zu Braunschweig erfolgen. Der Entwurf geht 
an die früher zur Beratung der Angelegenheit gewühlte Kommission, 
welche ihre Begutachtung, ev. auch auf die Frage der Honorarnorm 
für Ingenieure auszudehnen haben wird. 
Ferner ist ein Schreiben betr. Förderung der Bestrebungen des 
Vereins „Alt-Rothenburg" durch Beitritt zu demselben eingegangen. 
Desgleichen eine Einladung des Oesterreichischen Ingenieur- und 
Architektenvereins zur Teilnahme an der Feier seines 50 jährigen 
Bestehens. Hiezu bemerkt der Vorsitzende, daß für etwaige Besucher 
dieser Feier in Wien Einladungskarten zur Verfügung stehen; für 
alle Fälle werde er aber, der allseitigen Zustimmung sicher, die Glück 
wünsche des Vereins dem Oesterreichischen Verein auf schriftlichem 
Wege übermitteln. 
Damit sind die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt und eS 
erhält Tiefbauinspektor Heiß das Wort zu dem auf der Tages 
ordnung stehenden Vortrag über „die neueste Entwicklung des Tief 
bauwesens in der Stadt Heilbronn", über den noch ausführlich be 
richtet werden wird. 
Nach Schluß des beifällig aufgenommenen Vortrags dankt der 
Vorsitzende dem Vortragenden für seine reichhaltigen, belehrenden Mit 
teilungen und knüpft seinerseits einige Betrachtungen an die Frage 
der Abfuhr, bezw. Reinigung der Schmutzwaffer großer Städte, hervor 
hebend, daß es im Interesse des städtischen Geldbeutels sehr zu 
wünschen sei, daß behördlicherseits keine zu strengen hygienischen An 
forderungen gestellt werden; das sog. biologische Verfahren zur 
Reinigung der Abwasser insbesondere sei zur Zeit noch als ein sehr 
teueres zu bezeichnen. 
Medizinalrat Or. Scheuerlen legt seinen Standpunkt in der 
von den beiden Vorrednern berührten Reinigungsfrage in längeren 
anregenden Ausführungen dar und kommt dabei des Näheren auf 
das Schweder'sche Verfahren zu sprechen, das seiner Ansicht nach in 
mehrfacher Richtung verbesserungsbedürftig und zugleich vereinfachungs 
fähig ist, so daß mit der Verbesserung auch eine Verbilligung des 
Reinigungsverfahrens zu erzielen sein wird. 
An der weiteren Besprechung der Frage beteiligen sich noch die 
Herren von Euting und Or. Lueger. 
Letzterer nimmt insbesondere noch Anlaß, darauf hinzuweisen, 
daß sein früher im Vereine über die Kanalisation von Pforzheim 
gehaltener Vortrag — auch Dinge, die er nicht vorgetragen habe — 
ohne sein Wissen in der süddeutschen Bauzeitung und im Gesundheits 
ingenieur veröffentlicht worden sei. Der Erfinder deS Kohlenbreiver 
fahrens, Or. Degener, habe ihn hierauf anläßlich von Verhandlungen 
des internationalen Vereins für Reinhaltung des Bodens und der 
Luft in Leipzig angegriffen. Er habe in Pforzheim einfache Sedi 
mentation und Filtration der im übrigen nicht mit Fäkalien be 
ladenen Schmutzwasser vorgeschlagen, durch welchen Prozeß sie auf 
jeden gewünschten Grad der Klarheit gebracht werden können. Or 
Degener mische dem Schmutzwasser Kohle zu, vermehre also den 
Schmutz, der zurückgehalten werden muß; das von Röcker-Rothe auf 
genommene Verfahren sei noch keineswegs erprobt. Wohl aber liegen 
in Baden über die Ergebnisse des alten Röcker-Rothe'schen Verfahrens, 
das Kalk statt Kohle zusetzt, hinsichtlich der Reinheit der Abwasser 
keine günstigen Erfahrungen vor Kohle, wirke nicht mehr reinigend 
als Kalk; Vorsicht sei also umsomehr geboten, als es keineswegs 
feststehe, daß die Schmutzkohlenbriketts so sehr begehrt sein werden, 
wie es Or. Degener geschildert hat.
	        
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