Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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durch Schätzung '/« mm angiebt. Das Objektiv ist ein Anastigmat 
von Zeiß mit einer Brennweite von ungefähr 150 mm und mit 
einem Bildwinkel von ca. 55'/,° a. T. 
Auf der Tangententeilung soll die Stellung 100,00 der hori 
zontalen Ziellinie entsprechen, was jedoch vor Beginn der Aufnahme 
durch Nivellieren aus der Mitte zu untersuchen ist. Sodann 
muß für Aufnahmen bei geneigter Ziellinie bei vertikal gestelltem 
Instrument zuerst nachgesehen werden, ob die Ziellinie bei ihrer 
Neigung in einer Vertikal-Ebene bewegt wird, zu welchem Zweck 
man bei unveränderter Azimutaleinstellung einen senkrechten Gegen 
stand (Gegenstand und Spiegelbild) bei verschiedenen Neigungen 
anzielt. 
Die Ausführung der Messung mit diesem Instrument ge 
schieht nun auf folgende Art: 
Zuerst orientiert man bei geöffneten Okular und geöffnetem 
Objektiv horizontal und vertikal nach bekannten Punkten, dann wird 
abgeblendet, das Okular zurückgezogen, die Platte zur Aufnahme 
eingeführt und nach der Belichtung dem Rahmen wieder entnommen. 
Für den hier gebräuchlichen Plattenwechsel sind die Platten zum 
besseren Eingleiten zweckmäßig an einer oder mehreren Kanten etwas 
abgeschliffen. 
Das Instrument ist für Zwecke der Hochgebirgsaufnahme 
hergestellt und bereits erprobt worden. 
Was die verschiedenen Ausmeßapparate anbelangt, so sind 
deren Konstruktionen im wesentlichen nicht viel von einander unter 
schieden. Die Platten werden in die Plattenhalter eingespannt, nach 
den Coordinatenaxen orientiert und mittelst zweier Maßstäbe 
durch Mikroskopablesung ausgemessen. 
Fragen wir uns nun nach der G enauig k eit der photogram 
metrischen Aufnahmsmethoden, so werden wir nach dem Vorausge 
schickten, aus dem so manche Fehlerquelle ersichtlich ist, jedenfalls 
unsere Ansprüche nicht zu hoch stellen dürfen. 
Wie die praktische Anwendung zeigt, ist der mittlere Fehler 
eines scharf begrenzten Punktes ca. 1'—2' alter Teilung und es 
erhöht sich dieser mittlere Fehler je nach der Beschaffenheit der Bild 
punkte auf ca. 3'—4' alter Teilung. Genügt nun diese Ge 
nauigkeit wohl für Aufnahmen im Hochgebirge, denn daß dort die 
Phoiogrammetrie vor allen anderen Messungsmethoden am Platze ist, 
leuchtet ohne weiteres ein, oder genügt diese Genauigkeit nicht? 
Nehmen wir ein Beispiel. Der mittlere Fehler soll sein Maximum 
von 4' erreichen und der zu bestimmende Punkt 1000 m entfernt sein, 
dann wird die Höhe des Punkts um etwa 1,2 m unrichtig, um einen 
Betrag, der für Hochgebirgsaufnahmen auf diese Entfernung wohl 
wird übersehen werden dürfen. Für Architekturaufnahmen, bei 
denen es sich in der Regel um scharfe Punkte und geringe Ent 
fernungen handelt, erreicht man auf 100—160 m Entfernung also 
etwa eine Genauigkeit von 5 cm. 
Es sind nun auch in der That die die Alpen beherrschenden 
Länder, welche in der praktischen Anwendung der Photo- 
grammetrie auf die Topographie das meiste geleistet haben, 
und zwar ist in dieser Hinsicht Italien an die Spitze zu stellen. 
Nachdem dort Porro schon im Jahr 1855 die Photographie 
zu Messungszwecken zu verwenden suchte, gerieten dessen Arbeiten in 
Vergessenheit bis General Ferrero, der Vorstand der geodätischen 
Abteilung des geographischen Instituts, Ende der 70er Jahre 
Studien über die Verwendung der Photograp hie zu Messungs 
zwecken anordnete. 
In den Jahren 1880—1887 wurde dann durch die Aufnahmen 
Paganinis die Brauchbarkeit der Photogrammetrie über 
zeugend nachgewiesen. In Verbindung mit Meßtischaufnahmen 
sind damals im ganzen 1000qkm gemessen und zur Herstellung 
von Karten in den Maßstäben 1:25 000 und 1:50000 mit Hori 
zontalkurven von 10 m Abstand verwendet worden und zwar 
wurde zur Aufnahme des über 2000 m MeereShöhe gelegenen 
Teils des Gebiets ausschließlich der photographische Theodolit 
benützt. 
Auf die schönen Erfolge Italiens ließ das eidgenössische 
topographische Bureau in Bern in den letzten Jahren ebenfalls 
ausgedehnte topographische Aufnahmen mit Meßtisch und Photo 
theodolit zur Vergleichung der Genauigkeit und insbesondere 
der Kosten der beiden verschiedenen Methoden anstellen. Das hier 
verwendete photogrammetrische Instrument war ein Cylindrograph 
von Moessard, mit dem jedoch schlechte Erfahrungen gemacht wurden. 
Die Ergebnisse führten, insbesondere was die Kosten anbelangte 
zu einem negativen Resultat, es beliefen sich die Kosten des neuen 
Verfahrens wesentlich höher als die Kosten der Meßtischaufnahme, 
was seinen Grund wohl auch zum Teil darin haben mag, daß die 
Aufnahmsmethode noch neu und die Beobachter noch nicht genügend 
geschult sind. 
Deutscherseits ist die Photogrammetrie ebenfalls außer den 
Meydenbauer'schen Messungen älteren und neueren Datums (insbe 
sondere Architekturaufnahmen) verwendet worden, nämlich im 70 er 
Krieg bei der Belagerung Straßburgs, doch ziemlich ohne 
Erfolg. Bessere Resultate erzielte Jordan bei Aufnahmen in 
der lybischen Wüste als Teilnehmer der Rolf'schen Expedition. 
An neueren Arbeiten sind zujnennen: Aufnahmen in 
Bayern durch Finsterwalder, in Oesterreich durch das militär 
geographische Institut, dann erinnere ich an die bekannten photogram 
metrischen Aufnahmen zum Projekt der Jungfrau bahn. Weiter 
wurden in den letzten Jahren in British Columbia ausgedehntere 
Aufnahmen der Rocky-Mountains angestellt und in allerneuester 
Zeit in Frankreich sehr gute Ballonphotographien mit 
horizontaler Platte erhalten, deren Verwendung zu Karten 
überaus gute Resultate geliefert haben. 
Was die Anwendung derPhotogrammetrie bei uns anbelangt, 
so ist mit äußerst geringer Ausnahme zu sagen, daß wir bei unseren 
Terrainverhältnissen mit den gebräuchlichen tachymetrischen Aufnahmen 
rascher und zu einem besseren Ziele kommen, wenn auch damit durchaus 
nicht gesagt sein soll, daß für alle Aufnahmen bei uns die Photo 
grammetrie ein für allemal beiseite geschoben sein soll. 
Stellen wir nun zum Schluß eine Vergleichung der ver 
schiedenen Methoden an. 
Für Hochgebirgs- und Architekturaufnahmen ist die 
Photographie der Aufnahme mit dem Meßtisch oder dem gewöhn 
lichen Tachymetertheodolit jedenfalls weit überlegen, weil der 
Photographie unzugängliche Stellen ein Hindernis nicht bieten; 
die Photographie dient also entweder als Ersatz oder doch als 
Ergänzung anderer Aufnahmemethoden für viele topographische 
Zwecke, daher auch der Name Photo-Topographie oder -Tachymetrie ; 
für Grundrißaufnahmen, bei wissenschaftlichen Reisen, für 
militärische Zwecke, für Küstenaufnahmen, Terrainstudien 
bei Wildbachv erbauungen, für Aufnah me n von Naturer 
scheinungen (Wolkenhöhen, Blitzen, Sternschnuppenhöhen, Nord 
lichtern rc.) und bietet den überaus großen Vorteil der unge 
mein raschen Erledigung der Arbeiten im Freien. 
Diesen großen Vorzügen stehen aber leider auch bedeutende 
Nachteile wieder gegenüber. 
Es kann wegen der Beleuchtung nicht der ganze Tag aus 
genützt werden, überhaupt ist die photographische Aufnahme eben zu 
sehr abhängig vom Wetter und sie ist für Aufnahmen von 
Wald vollständig unbrauchbar, abgesehen allenfalls von 
einigen wenigen deutlich ausgeprägten Waldecken. 
Der Hauptübelstand ist aber der, daß es oft sehr 
schwierig ist, ein und denselben Punkt auf 2 verschiedenen 
Platten zu erkennen und daß man zur Ausarbeitung zu Hause des 
halb eine unverhältnismäßig lange Zeit nötig hat. 
Jedenfalls können wir, wenn wir Vorteile und Nachteile einander 
gegenüberstellen, sagen, daß die Photographie, mit einigem Verständ 
nis angewandt, eine Lücke ausfüllt, welche andere Messungs 
methoden gelassen haben. 
Wenn auch die Anwendung der Photographie nur eine be 
schränkte sein wird, so glaube ich doch, daß dieselbe, wenn es ge 
lingt, in natürlichen Farben zu photographieren, wozu ja aller 
dings vorderhand wenig Aussicht besteht, dazu berufen ist, auch
	        

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