Full text: Die Logik der Dichtung

Die epische Fiktion 
7 Hamburger, Logik 
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hätte sagen sollen, wie er eigentlich sei, er wäre in Verlegenheit geraten . . . 
War er ein starker Mensch?«, so ist der Unterschied doch nur graduell. Es 
liegt nur an dem Stil des Erzählens, daß wir den zweiten Satz nicht ebenso 
wie den ersten auch in eine Wirklichkeitsaussage hineinsetzen können. Der 
Stil des fiktionalen Erzählens tritt in ihm sogleich in die Erscheinung. Aber 
trotzdem ist der Wilhelm Meister-Satz von gleicher struktureller Beschaf 
fenheit. Auch er weist bei genauem Zusehen schon die Merkmale des fik 
tionalen Erzählens auf, die nicht in einer Wirklichkeitsaussage möglich sind, 
wie »er fühlte sich nicht wenig beunruhigt« (die als Aussage das Verb 
»fühlte« in »war« verändern würde). Das Verb des inneren Vorgangs zeigt 
Wilhelm in dem fiktiven Jetzt und Hier seines fühlenden, denkenden Le 
bens, nur in weniger starker Ausgestaltung als es die Form des modernen 
Romans tut. Das heißt: die Gestalt erscheint weniger subjektiviert als die 
Ulrichs. Deshalb erscheinen die weiteren Betrachtungen der Goethestelle 
losgelöster von der Gestalt als bei Musil, ‘objektiver’, wenn man will, weil 
auch die Gestalt in objektiverem Darstellungsstil geschildert ist. Aber wir 
dürfen diese Bezeichnung eines Stilunterschiedes nicht verwechseln mit dem 
eigentlichen Sinn der Begriffe objektiv und subjektiv. Die Subjektivität bzw. 
Objektivität bezieht sich nicht auf den Verfasser, der zwar im Wirklichkeits 
bericht mit dem Erzähler identisch ist, aber nicht im fiktionalen Erzählen (so 
wenig wie der Maler mit seinem Pinsel). Diese Begriffe beziehen sich in der 
Fiktion, wie oben gezeigt, bloß auf den Aspekt, in dem die fiktiven Personen 
zur Erscheinung gebracht werden, und der Unterschied, der zu bemerken 
ist, ist ein solcher des Erzählstils. Daher können wir ebensowenig hinsicht 
lich des Goetheschen wie des Musilschen Textes die Aufforderung an den 
Erzähler richten,‘zur Sache zu kommen’. Beide Formen der reflektierenden 
Betrachtungen sind interpretierende, deutende Gestaltungen und keine Aus 
sagen, nur dem Grade aber nicht der kategorialen Art nach unterschieden. 
Und die Frage, was denn die‘Sache’in einem Roman sei, kann nicht beant 
wortet werden, weil sie gar nicht gestellt werden kann. Denn eben das 
Musilsche Beispiel, das in dieser Hinsicht auch das Goethesche erhellt, zeigt 
deutlich, daß keineswegs irgendein ‘objektiver Tatbestand’ wie im Wirklich 
keitsbericht, eine Handlung, ein Ereignis, eine Situation etc. die Sache, der 
‘Inhalt’ des Romans sind, die von ihrer Darstellung in irgendeiner Weise 
loszulösen wären. Weshalb wir im Grunde den ‘Inhalt’ eines Romans nicht 
wiedergeben können. Wenn wir es tun oder zu tun vermeinen, so suchen 
wir doch nur einige Anhaltspunkte anzugeben, an denen wir ihn uns in die 
Erinnerung rufen können, und es gibt Fälle, wo der längste Roman ‘inhalt 
lich’ durch einen Satz wiedergegeben werden kann. 
Wie es sich mit den ‘abschweifenden’ Betrachtungen im fiktionalen Er 
zählen, und letztlich mit diesem selbst, verhält, können wir von einer ande
	        
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