Full text: Die Logik der Dichtung

VORWORT 
Dem vorliegenden Buche sind eine Reihe von Vorstudien vorausge 
gangen, die ich in der „Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissen 
schaft und Geistesgeschichte“ veröffentlicht habe. Es handelt sich um die 
Aufsätze: Zum Strukturproblem der epischen und dramatischen Dichtung 
(195 i),Das epische Präteritum (195 3),Die Zeitlosigkeit der Dichtung (195 5). 
Den Herausgebern danke ich an dieser Stelle auch für die Erlaubnis, einige 
Seiten, vornehmlich aus der Abhandlung über das epische Präteritum, hier 
noch einmal abdrucken zu dürfen; das Problem des epischen Präteritums 
mußte ich als das Schlüsselproblem der gesamten Logik der Dichtung 
zentral in dieses Buch, und in wesentlich erweiterter Form, einarbeiten 
und konnte die in dem früheren Aufsatz schon dargelegten Beweise für 
den Zusammenhang des Ganzen nicht entbehren. 
Die genannten Arbeiten beschäftigen sich nur mit der epischen und 
dramatischen Dichtung, die in dem vorliegenden Buch unter dem Begriff 
der fiktionalen Gattung zusammengefaßt sind. Es war aber in erster Linie 
die epische, die erzählende Dichtung, die, auf Grund des Erzählens, die 
entscheidenden und exakt beweisbaren Kriterien für die logische Struktur des 
Systems der Dichtung lieferte. Und offenbar nicht zufällig war es ein gro 
ßes episches Werk, das auf Grund seiner besonderen Erzähltechnik mich 
allererst auf den Weg der Probleme führte, die ich in dem hier vorgeleg 
ten Buche darzustellen versucht habe. Es war Thomas Manns Roman, 
Joseph und seine Brüden. Dies ist über die allgemeine Verehrung hinaus, 
die ich Thomas Mann als einer der größten Gestalten unserer Epoche dar 
bringe, der besondere, sozusagen sachliche Grund, aus dem ich mein 
Buch seinem Namen und Andenken widme. Als ich vor zwei Jahren das 
Manuskript annähernd abgeschlossen hatte, hoffte ich, es ihm als einem 
noch in der Fülle seines Schöpfertums Wirkenden öffentlich zueignen zu 
dürfen und erbat im Juli 1955 diese Erlaubnis von ihm. Er gab sie mir 
mit herzlichen Worten von seinem Krankenlager aus, zehn Tage vor 
seinem Tode, neugierig, wie er noch schrieb, auf die Begründung, die 
ich der Widmung geben würde. Nun geht in diese Zueignung die Trauer 
um den großen Epiker ein. 
Stuttgart, im Juni 1957 
Käte Hamburger
	        

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