Full text: Die Logik der Dichtung

Die epische Fiktion 
unterscheidbar ineinander über und gestaltet sich zu einer vom Seelischen 
her bewegten Szene. 
Verwandt aber doch andersartig ist das Stück aus Schapers >Der letzte 
Advent« gebaut. Es ist eine so schlichte, natürliche Darstellung eines Vor 
gangs, daß wir die an Bericht und Rede verteilten Komponenten des Vor 
gangs selbst und seiner Auffassung durch Duschka kaum trennen können. 
Dies wird noch dadurch erschwert, daß ein Teil des Vorgangs in indirekter 
Rede erzählt ist, d. h. als Gespräch berichtet, so daß schon dadurch die direkte 
Rede sich nicht sehr stark vom Bericht unterscheidet, dieser wiederum den 
Klang des Gespräches bewahrt und, ohne an irgendeiner Stelle von erlebter 
Rede völlig aufgesaugt zu werden, doch den Eindruck der unruhig beweg 
ten und besorgten Seele Duschkas weit mehr als den des Vorgangs selbst 
hinterläßt. 
Die ‘indirekte Redeform’, die in dem Schaperbeispiel so stark der Ver 
schmelzung von Bericht und Dialog dient, in ihrer Funktion für das fiktio- 
nale Erzählen zu untersuchen, ist hier der Ort. Sie unterscheidet sich von 
der erlebten Rede dadurch, daß sie nicht nur den Inhalt von Gedachtem, 
sondern auch von Gesagtem, Geäußertem wiedergeben kann. Und sie unter 
scheidet sich von dieser vor allem durch die Form selbst, die Nennung des 
Anführungsverbs. Während die erlebte Rede ausschließlich eine Darstel 
lungsform des fiktionalen Erzählens ist, tritt, wie bekannt, die indirekte 
Rede als häufig vorkommende Aussageform des historischen Erzählens auf, 
ja ist dort die einzige legitime Form der Wiedergabe von Aussagen dritter 
Personen. Aber obwohl in dieser Form die beiden kategorial verschiedenen 
Erzählweisen so nahe zusammenzurücken scheinen, ist durch sie keines 
wegs die Grenze zwischen ihnen aufgehoben, sondern bleibt deutlich be 
stehen. Man muß freilich sehr scharf hinhorchen, sehr genau unterscheiden, 
um sie zu bemerken. Was uns dazu verhilft, ist nichts anderes als die direkte 
Rede selbst, die nun wiederum ihren einzigen natürlichen, legitimen Ort nur 
im fiktionalen Erzählen hat. Geben wir in der Wirklichkeitsaussage die 
Worte eines Dritten in indirekter Form wieder: Er sagte, daß alle Billette 
ausverkauft seien, oder in doppelter Form: er sage, er habe gehört, daß alle 
Billette ausverkauft seien, oder selbst in der Wiedergabe einer Diskussion 
zwischen mehreren Personen: er sagte, daß es sich so und so verhalte, sie 
meinte dagegen, es verhielte sich anders - so werden wir nicht versucht 
sein, diese Wiedergabe mit direkter Rede abwechseln zu lassen. Denn wir 
schalten immer uns selbst als die Referierenden in die referierten Reden ein. 
Wir tun das durch die Nennung der Anführungsverben und, in der deut 
schen Hochsprache, die Benutzung des Konjunktivs. Beides bedeutet: ich 
gebe nur wieder, was der andere gesagt hat, zeichne sozusagen selbst nicht 
verantwortlich dafür. Eine je nach dem Sachverhalt mehr oder weniger 
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