Full text: Die Logik der Dichtung

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Die dramatische Fiktion 
seits ist auch eine im dichtungsästhetischen oder auch bloß gefühlsmäßigen 
Sinne nicht sehr dramatische Handlung eines Dramas von der dichtungs 
logischen Form des Dramas, dem Dialogsystem, den infolge davon sich 
selbst darstellenden Personen, insofern bedingt, als diese die Möglichkeit zu 
mimisch-szenischer Verkörperung besitzen 69 . Das heißt: die Möglichkeit, 
aus dem Modus der Vorstellung in den Modus der Wahrnehmung hinüber 
zutreten. Dies aber bedeutet wiederum, daß sie aus dem unendlichen Be 
reiche der Vorstellung in den begrenzten Wirklichkeitsraum eintreten kön 
nen, dessen physische Bedingungen sie mit dem Publikum des Theaters 
teilen. Es ist letztlich dieser Wirklichkeitsraum, der die Konzentration einer 
Handlung erfordert, die der strukturelle Kern einer dramatischen Handlung 
ist. Wie diese nun im sich verändernden Stil der Epochen sich den Bühnen 
- d. i. den Wahrnehmungsgesetzen unterwirft oder auch diese sprengt das 
sind Untersuchungen der Dichtungsästhetik, die ihrerseits keine weitere 
Rücksicht auf die logische Wurzel zu nehmen brauchen, aus der die dra 
matische Handlung hervorgeht: dem Dialog, den sich selbst darstellenden 
Personen. 
Wir sind an dem Punkte, den Ort des Dramas im System der Dichtung 
genauer beschreiben zu können. Zurückblickend auf den Anfang unserer 
Betrachtungen ist zunächst festzustellen, daß das Drama in sprachlogischer 
Hinsicht weit unergiebiger ist als die epische sowohl als die lyrische Dich 
tung. Es bietet als Sprachkunstwerk betrachtet keine Handhabe, die Ge 
setze der dichtenden Sprache im Vergleich mit der nicht-dichtenden aus ihm 
zu erkennen. Denn, im logischen Sinne aus der epischen Substanz gleichsam 
herausgeschnitten, gehört es eben deshalb in sie hinein. Aber gerade das 
Gestaltungsmittel, die sprachliche Form, die von allen mimetischen Dar 
stellungsformen das Drama bewahrt hat, die direkte Rede, bietet als solche 
keine dichtungstheoretischen Kriterien dar. Sie tut dies nur als Form der 
fluktuierenden Erzählfunktion, die sich eben auch durch den Dialog als 
fiktionales Erzählen ausweist. Das Drama hat im System der Dichtung sei 
nen Ort innerhalb der Enklave im allgemeinen Sprachsystem, die die mime 
tische Dichtung bildet, weitab von der Grenze, die die fiktionale Erzähl 
funktion gegen dieses zieht. Angesichts des Dramas hätte Hegel am wenig 
sten zu der Einsicht kommen können, daß die Kunst sich auflöse und in die 
Prosa des wissenschaftlichen Denkens übergehe. Denn das Drama ist das 
jenige Wortkunstwerk, bei dem das Wort nicht mehr frei, sondern gebun 
den ist. Es ist Gestalt geworden, wie der Stein, aus dem die Statue gebildet 
ist. Es steht, anders ausgedrückt, nicht wie in der epischen Fiktion, die Ge 
69. So meinte auch Otto Ludwig, „es würden sich fruchtbare Gesichtspunkte ergeben, wenn man 
die ganze dramatische Kunst aus dem Problem, der Schauspielkunst ein Substrat zu geben, herleitete“. 
(Ges. Schriften V, S. 115)
	        

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