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ABSCHLUSS UND AUSBLICK
Zum Symbolproblem der Dichtung
Sehen wir am Ende dieser Betrachtungen nun nochmals auf das Leitwort
zurück, das Hegels Satz für unsere Untersuchung bedeutet hatte, erkennen
wir, daß dieser nur soweit gültig ist, als er denWeg in das von Hegel selbst
nicht erhellte Problemgebiet der spezifischen Dichtungslogik wies. Daß die
»Poesie« diejenige Kunst sei, bei welcher die Kunst sich aufzulösen beginnt
und »in die Prosa des wissenschaftlichen Denkens übergeht«, hatte Hegel
zwar aus der besonderen Eigenschaft des Sprachmaterials der Dichtung ab
geleitet, das an sich identisch mit der nicht-dichtenden Sprache ist. Er hatte
aber nicht erkannt, daß dieses allgemeine Sprachmaterial ein so gefügiges
Instrument des Denkens und Vorstellens ist, daß es zugleich auch die Eigen
schaften besitzt oder entwickeln kann, die bewirken, daß die Dichtung trotz
dem sich als Kunstgebilde behauptet und weder sich selbst noch damit auch
die Kunst als solche »in die Prosa des wissenschaftlichen Denkens« auflöst.
Er hatte gesehen, wo die »gefährlichen« Übergangspunkte liegen, aber er
hatte nicht gesehen, wie die Sprache, wenn sie Dichtung hervorbringt, sie
vermeidet: indem sie im Falle der fiktionalen Dichtung die Gesetze der Aus
sagestruktur preisgibt, im Falle der lyrischen die Aussage sich nach dem
Willen des lyrischen Ich richtet und verhält, nicht in einem Wirklichkeits
zusammenhang zu fungieren.
Damit sind wir an dem Punkte, in zusammenfassendem Rückblick auf die
Resultate dieser Untersuchung nochmals die allgemeine Frage nach der
Funktion der Dichtungslogik für die ästhetische Erkenntnis und Interpre
tation der Dichtung als solcher wie auch der einzelnen Dichtwerke stellen
zu müssen, die Frage nach dem Verhältnis von Dichtungslogik und Dich
tungsästhetik. Zum Teil hat sich diese Frage schon aus den Darlegungen
der logischen Probleme selbst beantwortet. Eine ganze Reihe der logischen
Strukturanalysen hatte unmittelbar die dichterische Substanz als solche mit
ergriffen, während anderseits an manchen Stellen auf die Grenze gestoßen
wurde, an der die Befugnisse des Logikers vor denen des ästhetischen Be
urteilers zurückzutreten haben. Die allgemeine Beschaffenheit der Erzähl
funktion oder des lyrischen Ich zu ergründen, gehört in den Aufgaben
bereich der Logik der Dichtung, das Wie, den Stil, die jeweils besondere