IV. Die Sammlung der Gipsabgüsse.
G leichwie die übrigen Sammlungen der K. Zentralstelle, so ist auch
die Sammlung der Gipsabgüsse, den jeweiligen Bedürfnissen fol
gend, ganz allmählich entstanden. Der erste Grund dazu wurde
schon im Jahre 1849 durch Ankäufe auf einer französischen Landesausstellung
in Paris gelegt; ihnen gesellten sich nach und nach immer weitere Erwer
bungen auf den verschiedenen Weltausstellungen und bei Gelegenheit der
Besuche bedeutender Industrieplätze hinzu. Bei diesen Anschaffungen wurde
insbesondere auf die Gewinnung solcher Musterstücke das Augenmerk ge
richtet, welche auch als Vorlagen für den Zeichenunterricht geeignet er
schienen. In letzterer Richtung war auf der mit der K. Zentralstelle ver
bundenen Musterzeichenschule*) (dem sog. offenen Zeichensaal, an welchem
Professor Eduard Herdtle und später Professor H. Kolb unter Assistenz
des Zeichenlehrers — nunmehrigen Professors — Kettlitz thätig waren),
stets Gelegenheit gegeben, das Bedürfnis nach neuen Gipsvorlagen kennen
zu lernen und die Brauchbarkeit der neu erworbenen für den Zeichenunterricht
zu erproben.
*) Diese Schule streckt ihre Wurzeln in eine weite Vergangenheit zurück. Schon zu Ende
der 30ger Jahre nahm die Gesellschaft für die Beförderung der Gewerbe auf die Ausbildung von
Musterzeichnern Bedacht, »da der Mangel an solchen von den vaterländischen Manufakturen drückend
gefühlt und beklagt werde«. Es wurde daher ein in der C. W. Weigleschen Damastweberei in
Hoheneck bei Ludwigsburg beschäftigter Musterzeichner, Tanner, im Jahre 1843 au f Staatskosten
nach Paris geschickt, wo er im Atelier eines der ersten damaligen Dessinateurs, Guichard, sich
2I/2 Jahre lang beschäftigte. Nach seiner Rückkehr in die Heimat 1846 gründete er mit Staats
unterstützung eine »Zeichnungsschule für Gewerbsleute«, welche neben dem Unterricht im Muster
zeichnen eine allgemeine, bald zahlreich frequentierte Zeichenschule für Gesellen und Lehrlinge
bildete. Durch Königliche Entschliessung vom 16. April 1831 wurde sodann Tanner als Lehrer für
gewerbliches Zeichnen und als artistischer Berater der Gewerbetreibenden beim Musterlager an
gestellt. Nach seiner Erkrankung im Jahre 1853 trat der Maler P. Wirth an seine Stelle, und in