FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN ELr
SASS - LOTHRINGEN*
STUTTGART, 24. MARZ 1906
ALLE RECHTE VORBEHALTEN. - INHALT; KUNST IM KRANKENHAUSE. - DAS LAGERHAUS IN STÜTTGART-OSTHEIM.
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KUNST IM KRANKENHAUSE
Zu den stillen Arbeiten des Dürerbundes, von denen
„niemand nichts weiß“, hat, wie der „Kunstwart“ schreibt,
in letzter Zeit auch die Ausstattung zweier preußischer
Provinzialkrankenhäuser mit Bildern gehört — was lag
näher, als daß uns die Sache überhaupt beschäftigte, auf
welche die AVorte der Ueberschrift deuten? Einem Arzte,
der bei den Dürerbundarbeiten mitwirkt, seien einige
Sätze dazu erlaubt.
Der Genesende, oder weiter gefaßt: derjenige Kranke,
dessen persönliches Befinden immerhin leidlich ist und
der im Krankenhaus gepflegt wird, zeigt den Menschen
in einer für unsre Bestrebungen ungewöhnlich günstigen
Verfassung. Zunächst: er hat einmal Zeit, ja, er lang
weilt sich sogar, und so ist er dankbar für alles, was
ihm die Langeweile vertreiben kann. Mehr noch: er ist,
losgelöst von der alltäglichen Umgebung, die oft so
ärmlich, kleinlich und peinlich ist, in seiner Stimmung
in besonderem Maße auch für höhere Dinge empfänglich.
Der diese Zeilen schreibt, weiß aus seinem Beruf, wie
oft das vielgenannte „Samenkorn der Schönheit“ in der
Stille des Krankenzimmers zum ersten Male fürs ganze
Leben aufgeht. Wer in Kunst gleich uns allen mehr
als Zeitvertreib und Vergnügung, wer in ihr einen wich
tigen Beförderer und Erheber des Innenlebens sieht, der
sollte also auch an die Krankenhäuser denken. Hier
kann noch von keinem Ueberfüttern mit dieser edeln
Speise die Rede sein, denn vorläufig wird davon noch
so gut wie gar nichts gereicht. Wo sind gute Büchereien
für Krankenhäuser? Wo ist dafür gesorgt, daß dann
und wann reine Töne die Leidenden erfreuen? Wie
selten sind die Fälle, wo gute Bilder statt schlechter
an die AVände kommen? Und doch bieten sich in dieser
Beziehung eigentlich nur der Einführung guter Musik
noch größere Schwierigkeiten. Denn billiger guter Lese
stoff sowohl wie billige gute Bilder können heutzutage
mit einem Aufwande beschafft werden, der den Haus
halt eines Krankenhauses in den meisten Fällen nur sehr
unwesentlich belasten würde. Voraussetzung wäre zu
weiterer Einführung nur, daß man auch in den Kreisen
der Aerzte und der sonstigen Krankenhausvorsteher die
AVichtigkeit der Sache in höherem Grade als heutzutage
anerkennte. Schreitet unsre Bewegung fort wie bisher,
so ist das wohl nur eine Frage der Zeit. Zu Ratschlägen
im einzelnen ist ja der Dürerbund immer zu haben.
Beschränken wir uns heute auf bildende Kunst. Selbst
verständlich darf den Heilzwecken des Krankenhauses
durch unser Vorhaben in keiner Weise entgegen
gearbeitet werden. Das braucht nicht zu geschehen, aber
es geschieht gewohnheitsmäßig gerade durch das wenige,
was in den Krankenhäusern in der Richtung nach bil
dender Kunst hin schon lange zu finden ist. In den
Zimmern für die „besseren“, d. h. die reicheren Patienten,
die nicht in den großen Sälen liegen, sind sehr häufig
Bilder an den Wänden zu treffen, Bilder sogar in reich
verzierten Rahmen — es ist erstaunlich, daß man mit
der heutigen Furcht vor Staub und Bazillen so selten
Anstoß daran nimmt. Und in den gleichen Zimmern
finden wir oft Tapeten und Stuhl- und Sofabezüge, deren
Ornamentgewirr nicht nur den Geist eines Fiebernden
mit greulicher Ungestalt belästigt, die selbst dem Ge
sunden zum mindesten nicht die Stimmung beruhigen.
Auch hier wieder fordert die neue Kunstbewegung, in
der wir stehen, nur das Zweckmäßige und Gesunde.
Ein schönes Bild ist uns allen ein ruhiges Bild, ein
schöner Rahmen ein einfacher und zweckmäßiger, der
sich auf das leichteste reinigen läßt, eine schöne Tapete
eine durchaus harmonische, die, wenn sie ja Ornamente
zeigt, doch nur Bewegungsgefühle hervorruft, die ein freund
liches Glätten und Ebnen des Gefühlsverlaufes bewirken.
Vielleicht aber geht es in den meisten Fällen ganz ohne
Bilder und Ornamente ab. Jedenfalls ist das, was wir
in den meisten Krankenhäusern, auch unter den neuen,
am entschiedensten vermissen, etwas, das ganz ohne
höhere Kosten oder doch ohne einen Mehraufwand, der
nur des Nennens verlohnte, sich anschaffen ließe: schöne
Farben. Es ist erstaunlich, wie man große Anlagen,
bei denen für den Anstrich Tausende über Tausende
ausgegeben werden, ganz augenscheinlich ohne den Beirat
eines Künstlers ausführt, der die nötigen Angaben doch
in wenigen Stunden und also für sehr bescheidenen Ent
gelt machen könnte. Jetzt sehen wir in den Gärten und
Höfen das Holz der Bänke, Lauben, Wandelgänge, an
den Häusern und Pavillons die Veranden, Baikone, Türen
und Geländer mit jener Ockerfarbe bestrichen, deren
schreiende Häßlichkeit bei den plebejischen unsrer Bauten
überall wiederkehrt. Jch kenne manch großes Kranken
haus, dessen Anlagen wie plötzlich umgezaubert ins Freund
liche und Ruhige erscheinen würden, entschlösse man
sich einmal, beim Jahresanstrich anstatt des greulichen
Ockers ein kräftiges Grün zu nehmen, wie das unsre
Eltern noch taten — aber Jahr für Jahr ertränkt die
Ockersauce aufs neue alle Traulichkeit. Oelgrün, das in
der Farbe wie beim Anstrich „steht“, ist zwar ein paar
Pfennige teurer als Ocker; wem’s darum leid ist, der
braucht aber gar kein „Prima“-Grün zu nehmen — das
billige erfüllt seinen Schutzzweck genau so gut, bietet aber
dem Auge durch die Veränderung seiner Farbe in bläulich