7. APRIL 1906
BAUZEITUNQ
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bestehend aus den Herren Oberbaurat Eisenlohr, Bau
rat Kulm, Baurat Knoblauch, Professor Böklen, Bau
inspektor Pantle. Architekt Peil hielt ira weiteren Ver
laufe des Abends einen Vortrag über neuzeitlichen
ländlichen Kirchenbau. Durch Vorführung einer großen
Zahl teils fertig gestellter, teils im Bau begriffener Projekte
der Herren Böklen und Feil wurde der Vortrag anschau
lich erläutert. Von den Projekten fesselten insbesonders
die Aufmerksamkeit die Kirchen in Conweiler, Eis
lingen, Pflugfelden (s. Württ. Bauztg. Jahrg. 1 Nr. 10),
Keichenbach a. P., Tailfingen (Balingen), der Umbau der
Kirchen in Wangen bei Stuttgart und Weil i. Sch. All
seitige Beachtung fand der Plan zu einem Kirchenneu-
hau in Obertürkheim wegen der stimmungsvollen Ein
fügung in das reizvolle Landschaftsbild. Verschiedene
wichtige Fragen des Kirchenbaues über Bodenständigkeit,
Anpassung an Bestehendes, malerische Behandlung des
Innern, Orgel- und Kanzelstellung, Verwertung neuer
technischer Errungenschaften wurden besprochen und mit
lebhafter Anteilnahme und großem Beifall vernommen.
Der Vortragende beglückwünschte die Firma zu ihrer er
folgreichen Tätigkeit und drückte dem Redner den
warmen Dank der Versammlung für seine klaren und
interessanten Darlegungen aus.
Der Deutsche Arbeitgeberbuml für das Bau
gewerbe, Landesverband Württemberg, hat in Gemein
schaft mit dem Baugewerkeverein Stuttgart eine
Geschäftsstelle errichtet, durch welche die laufenden Ge
schäfte von einem Sekretär vom 1. April d. J. ab besorgt
werden.
Kleine Mitteilungen
Württembergischer Kunstverein Stuttgart. Neu
ausgestellt; Gottesdienst auf Fanö von A. Wilckens;
Ernte am Starnberger See; Frühling im Schloßpark;
Auf der Höhe des Schwarzwalds von A. Käppis; Winter
landschaft von A. Specht; Damenporträt; Reliefporträt
von M. Osthoff-Hartmuth; Vor der Klostermauer; Feld
kirche; Dorffrühling; Einst und jetzt; Ziehende Wolken;
Vor dem Herrenhaus; Kloster Himmerode; Tauwetter;
Auf einsamer Höhe; Hünengrab von Fritz v. Wille;
Frühlingslandschaft von Herrn. Ritzau; Mutter und Sohn
von W. Tiedgen; Westfälischer Bauer mit Pflug von
R. Fischer; In der Kirche von Felix Possart; Junge
Dackel von H. Biedermann-Arendts; Frühling in Plauen
von Albin Schlehalm; Sommertag im oberbayrischen
Hochmoor von H. Kreyßig; Zwei Stilleben von G. Boeß;
Interieur von L. Rosenbach; u. s. w.
Stuttgart. Der Verein der Bauwerkmeister
Württembergs begeht in den Tagen vom 12. bis 14.
Mai die Feier seines 25jährigen Bestehens. Dem Be
grüßungsabend am 12. im Hotel Royal folgt am 13. vor
mittags eine Besichtigung des Rathauses unter Führung
des Oberbaurats Jassoy und anschließend ein Frühschoppen
im Rathauskeller, am Nachmittag Festmahl und abends
ein Bankett mit einem Festspiel und Ball in der Lieder
halle. Als Jubiläumsgabe erhalten die Mitglieder eine
Festschrift. Der Montag (14.) ist den geschäftlichen
Verhandlungen im Saale des Bürgermuseums gewidmet.
Nach dem gemeinschaftlichen Mittagessen erfolgt eine Aus
fahrt über Ostheim, Kanonenweg, Gänsheide, Degerloch,
Vaihingen nach der Solitude. Abends beschließt ein Ab
schiedsschoppen im Btirgermuseum die Feier.
Stuttgart. Ueber moderne Stilfragen hielt
dieser Tage Professor Dr. P a z a u r e k, der V erstand
des Landesgewerbemuseums, im Vortragssaal des Landes
gewerbemuseums einen Vortrag, der gleichsam die Ein
leitung bildet für eine Reihe von Veranstaltungen, die
von der K. Zentralstelle in Aussicht genommen sind.
Der Vortragende definierte zunächst den Begriff Stil als
eine Zusammenfassung stilistischer Eigenheiten, die für
den Charakter einer Kulturepoche entscheidend sind. Die
Gotik, die in einem ausgesprochenen Gegensatz zu allem
Antiken steht, war der vollkommenste Ausdruck jener
Zeit; dieser Stil erhielt seinen Namen als eine Art
Schimpfwort für etwas ganz Verwildertes, für etwas, das
dem klassischen Ideal so ungeheuer fernliegt. Als in den
späteren Jahrhunderten der gotische Stil weiter an
gewendet wurde, ist er, wie der Vortragende an mehreren
Abbildungen veranschaulichte, vielfach gröblich mißver
standen worden. Die in dieser Hinsicht vorliegenden
Beispiele zeigen, daß es unmöglich ist, eine in die je
weilige Epoche nicht passende Kunst zu pflegen, und
zwar aus dem einfachen Grunde, weil es unmöglich ist,
alles so wiederzugeben, wie es die Vorfahren geschaffen
haben, weil wir vieles gar nicht sehen, worauf jene bei
ihrem Kunstschaffen ihr Augenmerk richteten. Aber
selbst wenn wir das könnten, sollten wir von solcher
Nachahmung Abstand nehmen, da alle Voraussetzungen
des künstlerischen Erfolges fehlen und die Kunst einer
früheren Epoche niemals der Ausdruck unsrer Zeit sein
kann. Als eine köstliche Probe gänzlich verfehlter Stil
übertragung führte der Vortragende ein reich in Re
naissance geschnitztes Telephon vor. Auf diesem Gebiet
habe nun die neuere Zeit gründlich aufgeräumt. Gemein
sam habe die moderne Kunst die Ablehnung der histori
schen Stilarten und das Gefühl für die Notwendigkeit
der Schaffung neuer Stilformen. Die modernen Künstler
lassen sich im allgemeinen einteilen in solche, welche die
Naturvorbilder als das Bedeutsamste für die Kunst be
trachten, und solche, die mit Vorliebe zu dem abstrakten oder
geometrischen Ornament greifen. Die moderne Pflanzen
stilisierung habe den Motivenschatz zweifellos sehr be
reichert. Der Gruppe von Künstlern, welche die.Natur-
raotive voranstellen, seien diejenigen gegenüberzustellen,
die das streng Konstruktive, die sogenannte abstrakte
Linie, das willkürliche Linienornament bevorzugen. Uebri-
gens habe es die moderne Kunst ungleich schwerer,
kunstschöpferisch sich zu betätigen, Motive selbst zu
schaffen, als die Vorgänger unsrer heutigen Kunstepoche.
Die besondere Vorliebe für den Biedermeierstil, die in
unsrer Zeit zutage trete, kennzeichnete der Vortragende
als eine Gefahr für unser Kunstschaffen. Biedermeier
und Philistertum gehören zusammen und zu letzterem
geselle sich die Langeweile, die für ein Kunstschaffen
tödlich wirke. In seinen weiteren Darlegungen führte
nun der Vortragende des näheren aus, wie in der modernen
Kunst durch krasse Oppositions- und Uebertreibungs-
lust der künstlerische Zweck vielfach gänzlich verfehlt
werde. Als Musterbeispiele besprach er eine Reihe von
Arbeiten, bei denen aus Opposition gegen frühere Stil
formen viel zu weit gegangen wurde. Man sei heute
mit Recht bestrebt, mit ruhigeren Mitteln zu wirken; aber
auch dies dürfe nicht bis zur äußersten Grenze der Nüch
ternheit gehen. In den achtziger Jahren habe eine Vor
liebe für die Makart-Ateliers mit ihrer Häufung echter
und unechter Antiquitäten geherrscht, wodurch der da
malige schlechte Charakter der Innenräume verschuldet
worden sei. Als Heilmittel habe man dann zu der
Bauernkunst gegriffen; aber diese habe leicht eine über
flüssige Vergröberung der Kunst im Gefolge. Eine Ver
gröberung der Technik im künstlerischen Schaffen sei
infolge des Herausholens der Motive aus dem Milieu des
Arbeiterlebens in die Erscheinung getreten. Dem Publi
kum nur Skizzen zu bieten, müsse doch als sehr gewagt
bezeichnet werden. Zum Schluß stellte der Vortragende
das für Rom bestimmte Goethe-Denkmal dem Bismarck-
Denkmal für Hamburg gegenüber und hob dabei die hohe
künstlerische Bedeutung des letzteren hervor. So wie
dieses Bismarck-Denkmal, so wolle das Volk seine großen
Männer im Denkmal dargestellt wissen.
Worms. Bei der Tieferlegung des Bodens des
Domes wurden elf Gräber aufgefunden; es sind ro
manische Steingräber, die, nach den aufgedeck