Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

14. April 1906 
BAUZEITUNG 
119 
„Es wolle durch Kgl. Verordnung verfügt wer 
den, daß künftig die Bewerber um eine der in 
§ 1 der Verfügung des Ministeriums des Innern vom 
26. April 1902 betreffend die Bauwerkmeisterprüfung 
bezeichneten und ähnlichen Stellen im öffentlichen 
Baudienst* mindestens die wissenschaftliche Vor 
bildung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst be 
sitzen müssen.“ 
Ehe nun hierauf ein Bescheid eiukam, gründeten seit 
her noch im AVerkmeister-Verein verbliebene Techniker, 
welche mit der Stellungnahme dieses Vereins in der Vor 
bildungsfrage gleichfalls nicht zufrieden waren, und ins 
besondere eine große Zahl jüngerer Bautechniker, welche 
statutengemäß weder dem Bauwerkmeister-Verein noch 
dem Baubeamten-Verein angehören konnten, am 5. Juli 1903 
den „AVürtt. Bautechniker-Verband“. (Zählt zur 
zeit über 1000 Mitglieder.) Dieser Verband hatte zuerst 
die Absicht, bei der Regierung darum nachzusuchen, den 
Eintritt in die Baugewerkschule vom Besitz der All 
gemeinbildung der Einjährig-Freiwilligen abhängig zu 
machen; nachdem er sich aber überzeugt hatte, daß 
diesem Verlangen zurzeit unüberwindliche Schwierigkeiten 
entgegenstehen, da es noch an sogen. B anhand werker 
schulen zur Ausbildung der Poliere und Meister im 
Baugewerbe fehlt, reichte dieser Verband am 11. Januar 1904 
die Bitte an das Kgl. Kultministerium ein: 
„An der Baugewerkschule das Keifezeugnis des 
Einjahrig-Freiwilligen zu verlangen für die Zulassung 
zur Vorprüfung sowie für den Besuch der Semester 
nach derselben.“ 
Der A 7 erband ging hierbei offenbar davon aus, daß 
solche Techniker, welche nur Poliere, Maurermeister, 
Steiumetzmeister oder Zimmermeister werden wollen, 
nach der III. Klasse, also vor Ablegung der Vorprüfung, 
ihre Studien beendet haben. Zugleich richtete der Ver- 
band das Ersuchen an uns, sich dieser Eingabe anzu 
schließen. Da sich diese Eingabe im Prinzip mit unsern 
Bestrebungen deckte, so beschlossen wir, diesem Ersuchen 
zu entsprechen, und richteten am 14. Februar 1904 gleich 
falls an das Kgl. Kultministerium dieselbe Bitte mit der 
kleinen Abweichung, diese Abbildung nicht schon nach 
der III. Klasse, sondern nur bei der Zulassung zur 
Bauwerkmeisterprüfung zu verlangen. 
Auf diese drei letztgenannten Eingaben erfolgte am 
25. Mai 1904 der Bescheid vom Kgl. Ministerium des 
Innern, daß dasselbe im Einverständnis mit den übrigen 
beteiligten Ministerien zurzeit nicht in der Lage sei, 
die Befähigung zu den in § 1 der A T erfüguug vom 
26. April 1902 (vergl. oben) genannten Stellen vom Be 
sitze der wissenschaftlichen Vorbildung des Einjährig- 
Freiwilligen abhängig zu machen. 
Grund; Wegen abträglicher Beschränkung des dienst 
lichen Interesses der Verwaltungen bei der Auswahl 
jeweils geeigneter Persönlichkeiten u. s. w. Im übrigen 
seien die beteiligten Ministerien darüber einverstanden, 
daß bei Bewerbungen um die in Frage kommenden staat 
lichen Stellen der Besitz der fraglichen Vorbildung dann 
einen Vorzug begründe, wenn die sonstigen Verhältnisse 
der für eine Stelle in Betracht kommenden Persönlich 
keiten sich die AVage halten. 
Unsre zweite Bitte; „Die Zulassung zur Bauwerkmeister 
prüfung von der mehrfach zitierten Vorbildung abhängig 
zu machen,“ wurde gleichfalls abgewiesen. Grund; 
Da hierdurch weite Kreise der Bevölkerung ohne aus 
reichenden Grund bei der Berufswahl von der Er 
greifung (?) des Baufachs ausgeschlossen werden. 
Vom Kgl. Kultministerium kam der Bescheid am 
2. Juni 1904 in Form einer Abschrift an den Bautech 
niker-Verband. Das Ministerium begründete die Ableh- 
* Das sind die mittleren Staatsbaubeamten, Oberamtsbau 
techniker, Oberfeuerschauer, Stadtbaumeister, Gebäudeschätzer u,s.w. 
Wohnhaus am Haspelturm in Vaihingen a. E. Architekt E. Fink 
nung unsrer Eingaben damit, daß sich der L ein er - 
konvent der Baugewerkschule einstimmig gegen 
die gewünschte Erschwerung der Zulassungsbedingungen 
zur Vorprüfung und der Bauwerkmeisterprüfung aus 
gesprochen habe. 
AlsomitandernAVorten, das Kgl. Ministerium des Innern 
hält für nötig, daß es zurzeit noch jedem (württembergi- 
schen) Untertan möglich sein müsse, geprüfter Bauwerk 
meister zu werden, gleichviel welche allgemeine Bildung der 
selbe besitzt. Selbst wenn man diesen Grundsatz, der mit 
der Zeit dazu führen muß, unsern ganzen Stand auf das 
tiefste Niveau herabzudrücken,* vielleicht für den Bau 
werkmeister, welcher für Private u. s. w. Bauten erstellt, 
(Bauunternehmer) verstehen könnte, so bedeutet er doch 
geradezu eine Härte für diejenigen Techniker, welche 
die Beamteulaufbahn einschlagen; da aber die letzteren 
nach eingehenden statistischen Erhebungen nahezu 3 / 5 
der gesamten geprüften im Lande selbst Arbeit finden 
den Bauwerkmeister ausmachen, so ist dieser Bescheid 
sehr, sehr zu bedauern. AVer vermag dann zu er 
klären, warum zum Beispiel von den fachverwandten 
Geometern zu ihrem Studium eine noch höhere all 
gemeine Bildung verlangt wird, als wir sie nach 
gesucht haben. Der Bautechniker von heute hat, wie fast 
kein andrer Beruf, täglich Neues und Neuartiges umzu 
formen und zu entwickeln, jede Aufgabe ist bei ihm mit 
oft schwerer Verantwortlichkeit verknüpft, während andre 
studierte Berufe viel gleichartigere, oft mehr mechanische 
Geschäfte erledigen. 
Ebenso unverständlich bleibt uns der Hinweis des 
Kgl. Kultministeriums auf die Anschauung des Lehrer 
konvents der Kgl. Baugewerkschule. Im allgemeinen hat 
sich wohl die Schule nach dem jeweiligen Bildungs 
bedürfnis (vgl. Karlsruhe), nicht dieses nach der Schule 
* Beispielsweise sind bei der Bauwerkmeisterpriifung Jahrgang 
1904 von 141 Kandidaten 11 °/ 0 durchgefallen, 17% erreichten die 
Note IIIb, 50°/ 0 IIIa, 16 °/ 0 II b und nur 6 ®/ 0 die Note Ha, das 
heißt gut,
	        
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