122
BAUZEITUNG
Nr. 16
3. Die baupolizeiliche Behandlung. Die
Hebung eines Gebäudes ist nach Art. 79 der Bauordnung
genehmigungspflichtig, da die mit der Hebung, d. i. Er
höhung, eines Gebäudes verbundenen baulichen Ver
änderungen weder unter Art. 77 noch Art. 78 der Bau
ordnung fallen. Da die Stadtgemeinde Nagold einen für
die Stelle eines Oberamtshaumeiste-rs befähigten Bau-
verständigen (Stadtbaumeister) angestellt hat, so war zur
Genehmigung der Hebung der Gemeinderat von Nagold
zuständig, von dem denn auch tatsächlich die Geneh
migung auf Grund vorgelegter Pläne erteilt worden ist.
Irgendwelche nähere Vorschriften scheinen hierbei nicht
erteilt worden zu sein. Die Erteilung einzelner be
stimmter Vorschriften baupolizeilicher Art konnte aber
auch kaum in Frage kommen, da die Hebungsarbeit nach
einem besonderen System erfolgte, dessen Kenntnis im
einzelnen nur dem Unternehmer eigen ist, der die Ver
antwortung für den Erfolg des Unternehmens trägt.
Würde die Baupolizeibehörde in einem solchen Fall
einzelne Ausführungsvorschriften erteilen, so würde sie
damit auch die Verantwortung für den Erfolg über
nehmen. Wohl könnten allenfalls Vorschriften allge
meiner Art erteilt werden, wie z. B. das Gebäude ist
außen sicher abzusprießen oder der Rost muß genügend
verankert sein oder die Winden sind auf fester Unterlage
aufzustellen. Damit ist aber wenig geholfen, und es hätten
solche Vorschriften auch im vorliegenden Falle das Un
glück nicht verhütet. Auch eine Vorschrift, daß nur
geübte Arbeiter verwendet werden dürfen, wäre nicht
durchführbar, da die Polizei das Vorhandensein genügen
der Uebung nicht nachkontrollieren kann. Anders ver
hält es sich mit der Frage, ob der Zutritt Unbefugter
in das Gebäude eventuell der Wirtschaftsbetrieb während
der Hebung nicht hätte verboten werden sollen. Ein
solches Verbot kann wohl Gegenstand einer baupolizei
lichen Vorschrift im Einzelfall sein. Es ist hier auf
Art. 19 der Bauordnung hinzuweisen, wonach bei jeder
Bauausführung und ebenso beim Abbruch von Bauten die
nötigen Vorkehrungen gegen Unglücksfälle und Schaden
an fremdem Eigentum zu treffen sind. Es ist dies in
erster Linie Sache des Unternehmers und im Falle einer
Versäumnis desselben Aufgabe der Ortspolizeibehörde
(§ 17 der Vollzugsverfügung zur Bauordnung). Ein
großer Vorwurf kann aber der Ortspolizeibehörde Her
wegen nicht gemacht werden, da es doch eigentlich Sache
jedes einzelnen ist, dort wegzubleiben, wo ihm eine Ge
fahr drohen kann, auf welche übrigens in Nagold durch
Warnungstafeln, die vor dem Gebäude angebracht waren,
hingewiesen worden war. Ein solches Verbot hätte übrigens
die achtzig an den Winden beschäftigten Arbeiter nicht
geschützt. Diese bilden aber bei weitem die Mehrzahl
der Verletzten. Die in dem oberen Stockwerk befind
lichen Gäste sind größtenteils mit einer leichten Ver
letzung oder mit dem bloßen Schrecken davongekommen.
Auf einen Umstand scheint übrigens bis jetzt noch nicht
hingewiesen worden zu sein. Das Gebäude sollte nach
der erteilten Genehmigung nur um 1,40 m erhöht werden.
Tatsächlich beabsichtigte man es um 1,60 m zu heben.
Im Augenblick des Zusammensturzes war es um 1,50 m
gehoben. Wäre die Hebung nicht höher als genehmigt
erfolgt, so hätte sich das Unglück nicht ereignet. Uebrigens
möchten wir diesem Umstand keine zu große Bedeutung
beimessen.
Yereinsmitteilimgen
Württembergischer Baubearaten-Verein. Ein
trittserklärung; Herr Louis Allmann, Stadtbaumeister
in Waldsee. Willkommen! Der Vorstand.
Württembergischer Verein für Baukunde. In
dem Bericht über die Versammlung vom 31. März (Nr. 14)
hat sich im letzten Satz ein Druckfehler eingeschlichen,
den unsre Leser wohl selbst schon berichtigt haben wer
den. Es soll natürlich der „Vorsitzende“ heißen — nicht
der „Vortragende“.
Deutscher Arbeitgeberbund für das Baugewerbe,
E. V. In Posen sind am 2. April 800 Maurer und
Zimmerer ausgesperrt worden. Die von der Aussperrung
Betroffenen gehören der Zentralorganisation der Maurer,
dem christlichen Verbände der Maurer und Zimmerer
und dem Hirsch-Dunkerschen Gewerkverein der Bau
handwerker an. Den bis jetzt gültigen Vertrag haben
anerkannt und bis 1. April 1908 verlängert die zentral
organisierten Zimmerer und die Maurer und Zimmerer
des Polnischen Berufsverbandes. Die Zahl der Arbeits
willigen beträgt 200, jedoch wächst diese Zahl täglich.
Wegen Lohndifferenzen sind in Arnswalde die Maurer
am 2. April in den Streik getreten. Die Arbeitgeber
beabsichtigen, fremde Maurer .heranzuziehen. In Witten
berg sind am 2. April sämtliche Maurer, Zimmerer und
Bauhandarbeiter nach langwierigen fruchtlosen Verhand
lungen ausgesperrt worden. In Neuenahr und Ahr
weiler haben die Maurer und Zimmerer, die sämtlich
der Zentralorganisation resp. dem christlichen Verbände
angehören, bereits vor längerer Zeit die Arbeit nieder
gelegt. Die Leitungen der beiden Organisationen hatten
den Verhältnissen von Köln und den großen Industrie
zentren entsprechende Tarife vorgelegt, die aber von den
Arbeitgebern für das in Betracht kommende Ahrtal nicht
angenommen werden konnten. In Blankenburg a. H.
ist der Zimmererstreik am 21. März durch Vergleich be
endet worden.
Kleine Mitteilungen
Bestimmungen über Anlegung und Betrieb der
Dampfkessel. Die in Württemberg geltenden Bestim
mungen über die Genehmigung, die Anlegung, den Be
trieb und die üeberwachung von Dampfkesseln finden
sich in einer sehr großen Zahl von Verordnungen, Mini-
sterialverfügungen und Ministerialerlassen zerstreut. Seit
beinahe fünfzig Jahren sind diese Vorschriften immer
wieder abgeändert oder ergänzt worden, so daß es eines
förmlichen Studiums bedarf, bis man sich in den Be
stimmungen auskennt. Der Industrielle, der oft in der
Lage ist, schnell zu bauen, sollte die Möglickeit haben,
sich selbst möglichst rasch über das, was er bei der
Vorlage des Genehmigungsgesuchs zu beachten hat und
welche Vorschriften ihm für die Einrichtung der Anlage
erteilt werden, zu orientieren. Es ist ihm dies aber der
zeit nicht möglich. Er muß zufrieden sein, wenn er ge
nügende Auskunft von den Beamten erhält, für die es
nicht minder schwierig ist, durch Nachblättern in einer
Reihe von Regierungsblättern u. s. w. das, was gilt, fest
zustellen. AVie man hört, ist nun in letzter Zeit ein
Erlaß des Ministeriums an die Bezirksämter ergangen,
wonach beabsichtigt ist, sämtliche Bestimmungen über
die Dampfkessel in einer Verfügung oder Verordnung
zusammenzufassen. Diese Absicht des Ministeriums wird
dankbar begrüßt werden nicht bloß von industrieller Seite,
sondern auch von den Behörden, für welche eine Zu
sammenstellung der Dampfkesselvorschriften gleicher
maßen ein Bedürfnis ist. —y.
Personalien
Württemberg'. Erteilt: dem württ. Staatsangehörigen Kais.
Geh. Baurat Kapp v. Gültstein die Erlaubnis zur Annahme und
Anlegung des ihm von dem Sultan verliehenen Osmanie-Ordens
erster Klasse. Verliehen: dem Maschineninspektor Baurat Heim
in Wasseralfingen anläßlich dessen Versetzung in den bleibenden
Ruhestand das Ritterkreuz des Kronenordens. Versetzt: der Ab
teilungsingenieur Hahn bei der Eisenbahnbauinspektion Reut
lingen zu der Generaldirektion der Staatseisenbahnen auf sein An
suchen.
Verantwort!. Schriftleiter; Adolf Pause! in Stuttgart. Adresse für alle Sendungen:
Banzeitung-Stuttgart, Hegelstr. 68. Druck; Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart