Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
Nr. 17 
eingeführt und heute unentbehrlich geworden, im Brücken 
bau haben sich dieselben dank der theoretischen Arbeiten 
von Mohr, Winkler, Culmann und dessen Nachfolger 
W. Ritter einen guten Platz erobert. Zur Berechnung 
solcher Träger haben die letztgenannten eine allgemeine 
graphische Lösung, die sehr übersichtlich ist, gegeben; 
die analytische Methode, die langwieriger und weniger 
übersichtlich ist, wurde von Prof. v. Weyrauch u. a. voll 
ständig ausgearbeitet. Auf einheitlicher Grundlage 
(Frankesche) hat Prof. W. Dietz in einem Hefte der 
„Fortschritte der Ingenieurwissenschaften“ (im Anhang) 
die Berechnung kontinuierlicher Träger für verschiedene 
Fälle unter Berücksichtigung von Einflußlinien durch 
geführt. 
Trotzdem in dieser Richtung bedeutende theoretische 
Forschungen gemacht worden sind, hat man in der letzten 
Zeit nur wenig solche Brücken aus Eisen ausgeführt. 
Der statisch unbestimmte kontinuierliche Träger ist in 
folge der Anwendung von Gelenken durch Gerber zum 
Teil verdrängt worden, weil eben durch das Anbringen 
von Gelenken die statische Unbestimmtheit kontinuierlicher 
Träger aufgehoben wurde, und es konnte die Berechnung 
derselben auf Grund der Gleichgewichtsbedingungen allein 
erfolgen. Solche Träger, welche manche Vorteile gegen 
über den kontinuierlichen Trägern ohne Gelenke bieten 
würden, sind unsers Wissens noch nicht in Eisenbeton 
ausgeführt worden. Jedenfalls lassen sich Konsolen 
träger ausführen und sind Auskragungen mit 9 m aus 
geführt worden. Bei Anwendung von Gelenken könnten 
größere Spannweiten, als es bis jetzt der Fall ist, zur 
Ausführung gelangen. 
Mit der Anwendung des Eisenbetons wird dem kon 
tinuierlichen Träger wieder besondere Aufmerksamkeit ge 
schenkt, und es zeigt sich auch hier, daß der Eisenbeton 
dieselbe Entwicklung wie der reine Eisenbau durchmacht. 
Es sind in der letzten Zeit zahlreiche kontinuierliche Eisen 
betonbrücken mit bedeutenden Längen in einem Stücke 
und mit großen Spannweiten ausgeführt worden. Wir 
wollen nach einer allgemeinen Betrachtung zwei solche 
ausgeführte Brücken näher behandeln. 
Allgemein wird dem kontinuierlichen Trägerein Nach 
teil nachgesprochen, es ist dies der Einfluß unvorhergesehener 
Aenderungen in der Höhenlage der Stützpunkte infolge 
der elastischen Nachgiebigkeit der Pfeiler und meist der 
nicht elastischen Nachgiebigkeit des Fundamentbodens. Dem 
kontinuierlichen Träger aus Eisenbeton werden 
besonders der Einfluß der Temperaturänderung und die 
Schwierigkeit, mit welcher man so lange Brücken in einem 
Gusse hersteilen kann, als wichtige Nachteile hinzugefügt. 
In der Folge wird aber gezeigt und durch praktische 
Ausführungen bewiesen, daß beim Eisenbeton alle diese 
sogenannten Nachteile meistens nicht vorhanden oder 
unbedeutend sind. Die Ausführung solcher langen und 
sehr breiten Brücken in einem Gusse wird bei Vermei 
dung der durch die Breite der Brücke hervorgerufenen 
Querspannungen infolge des Abbindeprozesses neuerdings 
durch eine der Brückenlänge nach vorgenommene Teilung 
derselben leicht ermöglicht. Die einzelnen Teile werden 
dann durch Platten verbunden. 
Der statischen Berechnung kontinuierlicher Balken 
werden im allgemeinen gewisse Annahmen zugrunde gelegt, 
wie 1. gleiches Trägheitsmoment, 2. Unnachgiehigkeit der 
Stützpunkte und 3. freie Beweglichkeit über den Stütz 
punkten, die in der Praxis mehr oder weniger erfüllt 
sind. Die erste Bedingung, die auch bei eisernen Balken 
nur annähernd erfüllt wird, ist beim Eisenbeton fast nie 
erfüllt und ist sonst belanglos. Die zweite Bedingung 
trifft theoretisch nie ganz zu, weil ein jedes Material in 
folge einer Belastung (wie hier auf Druck) Verkürzungen 
erleidet, und müssen sich somit die Balken senken. Diese 
Senkungen sind bei Stein- und Eisenbetonpfeilern äußerst 
klein und können vernachlässigt werden. Nebenbei können 
diese Einsenkungen, die nicht immer die Beanspruchungen 
erhöhen, durch das graphische Verfahren berücksichtigt 
werden. Dieselben sind aber unbedeutend und wurde 
in der Folge davon abgesehen. Um die sehr be 
anstandeten ungleichen Setzungen der Pfeilerfundamente 
auszuschließen, werden dieselben gut fundiert, was mit Eisen 
beton sehr einfach gemacht werden kann. Dieser sonst be 
deutende Nachteil solcher Brücken wird durch Anwendung 
von Pfählen oder Platten aus Eisenbeton, die den Druck 
richtig übertragen und verteilen, unbedeutend gemacht.
	        

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