Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZfilTUNG 
Nr. 20 
Gegen die städtische Bauweise bei 
ländlichen Bauten 
Die Sachsen - weimarische Regierung hat in 
einem Erlaß entschieden Stellung gegen die 
städtische Bauweise hei ländlichen Bauten ge 
nommen. Zunächst wird ausgeführt, wie durch 
die Einführung der städtischen Bauweise ein Miß 
verhältnis zwischen den öffentlichen Bauten und 
der Oertlichkeit entsteht, wie beispielsweise ein 
einziges flaches Dach das Bild einer Ortschaft 
dauernd zu beeinträchtigen vermag. Es werden 
daher für die ländlichen Ortschaften die alt 
bewährten steilen Satteldächer empfohlen. Bei 
zweistöckigen Schulhäusern soll im Obergeschoß 
möglichst der althergebrachte Eachwerkbau an 
gewandt werden. „Es erscheint angezeigt, daß 
beim Entwerfen von Dorfkirchen, Pfarreien und 
Schulhäusern ausdrücklich die Beachtung der üb 
lichen Bauweise zur Pflicht gemacht und nament 
lich die Anwendung städtischer Bauformen unter 
sagt werde. Bei Kirchenhauten wird zunächst 
festzustellen sein, was vom alten Bau etwa er 
halten werden kann, und danach wird sich die 
weitere Entwurfshehandlung zu richten haben. Die 
Freilegung der Kirchen durch Beseitigung alter 
Kirchhofsmauern, nahestehender Gebäude oder 
großer Bäume wird vorher genau zu prüfen sein, 
weil in vielen Fällen durch diese Freilegung die 
Erscheinung der Kirche nicht gehoben, sondern 
eher beeinträchtigt werden kann. Die Pfarrei soll 
an die Kirche zwar nicht unmittelbar angebaut, 
aber mit dieser, wenn tunlich, zu einer Baugruppe 
vereinigt werden, doch so, daß das Pfarrhaus mit 
seinen Nebengebäuden nicht allzusehr hervortritt. 
Es wird daher, namentlich wenn die Pfarrei zwei 
Stockwerke erhalten soll, sorgfältig zu beachten 
sein, daß die Gebäudehöhe im richtigen Verhältnis 
zur Höhe der Kirche stehe.“ Endlich wendet 
sich die Bekanntmachung noch gegen das Eisen 
gitter, das städtisch sei. Die Gemeinden möchten 
lieber bei ihren Hof- und Tormauern oder Lattenzäunen 
bleiben. Manches in diesen Ratschlägen verdient deshalb 
Beachtung, als zahlreiche Dorfbilder davon zeugen, daß 
der Sinn für die Schönheit des Althergebrachten den 
Dörflern immer mehr verloren geht. Es fehlt eben an 
guten Vorbildern. Aus demselben Grunde hat der Re 
gierungspräsident von Minden einen Wettbewerb aus 
geschrieben zur Erlangung mustergültiger Entwürfe für 
die gebräuchlichsten ländlichen und bürgerlichen Wohn- 
und Wirtschaftsgebäude. Die ausgewählten Entwürfe 
sollen veröffentlicht und Baulustigen billig zugänglich 
gemacht werden. Die Regierung des Fürstentums Schaum 
burg-Lippe hat sich diesem Vorgehen angeschlossen. 
Landesversammlung' des Vereins der 
Bauwerkmeister Württembergs 
Am Sonntag, den 13. d. Mts., beging der Verein der 
Bauwerkmeister Württembergs die Feier seines 
25jährigen Bestehens unter außerordentlich starker 
Teilnahme der Mitglieder. Vormittags war Begrüßung 
der Festteilnehmer im großen Rathaussaal, wobei der 
Landesvorstand Bauwerkmeister Reh mann-Stuttgart die 
Erschienenen mit herzlichen Worten begrüßte. Ober 
bürgermeister v. Gauß beglückwünschte den Verein zu 
seinem Feste und hob in seiner Ansprache die Bedeutung 
des Baugewerbes hervor: 23 Prozent aller versicherten 
Arbeiter der Stadt Stuttgart finden ihr Brot beim Bau 
gewerbe, und deren Lohn beträgt rund 7 000 000 M. im 
Jahr; die Werte, die alljährlich in Stuttgart von dem 
Baugewerbe neu produziert werden, erreichen die Höhe 
von 25000000M. Bauwerkmeister Schä ufele-Göppingen 
dankte im Namen der auswärtigen Gäste für die freund 
liche Aufnahme, mit einem Hoch auf Stuttgart schließend. 
Dem Mitbegründer und früheren ersten Vorstand, zugleich 
langjährigen Redakteur des Vereinsblatts, Bauwerkmeister 
Albert Brinzing er-Eßlingen, wurde vom Bundesvor 
stand Rebmann das Diplom der Ehrenmitgliedschaft des 
Vereins überreicht. Nach einer Besichtigung des Rat 
hauses fand man sich zu einem Frühschoppen im Rat 
hauskeller zusammen. Das Festmahl, das nachmittags 
5 Uhr in der Liederhalle begann, wies eine stattliche 
Anzahl Gedecke, etwa 300, auf und nahm einen höchst 
anregenden Verlauf. Bundesvorstand Rebmann gab einen 
kurzen Rückblick auf die Geschichte des Vereins und 
schloß mit einem Hoch auf den König, an den sofort 
unter freudiger Zustimmung ein Huldigungstelegramm 
abgesandt wurde. Im Namen der Gäste dankte Ober 
baurat Findeisen dem festgebenden Verein, sein Glas dem 
Verein und seinem Vorsitzenden widmend. Den Glück 
wunsch des Lehrerkollegiums der Kgl. Baugewerkschule 
übermittelte Professor Köhnlein, und Hofwerkmeister 
Hangleiter gratulierte im Namen des Baugewerke-Vereins 
Stuttgart und alsMeister der„Bauhtitte“,während Professor 
Böklen den Glückwunsch des Gewerbevereins Stutt 
gart, Verwalter Palm die Grüße und Wünsche des 
Württembergischen Bauheamten-Vereins und Tech 
nischer Eisenbahnsekretär Krassel-Ludwigsburg die des 
Bautechniker-Verbands Württembergs überbrachte. Den 
Dank für alle diese ehrenden Kundgebungen sprach 
für den Verein Bauwerkmeister Kühler-Göppingen aus. 
Großen Jubel erregte die Uebergabe zweier wertvoller
	        
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