Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

20. Mai 1906 
BAUZEITUNG 
167 
Zement hat die Eigenschaft, immer kleiner 
zu werden, so daß in den Stoß- und Lager 
fugen Risse entstehen. Das ist im Innern 
der Gebäude von geringer Bedeutung, da 
die Innenmauern den Witterungseinflüssen 
fast ganz entzogen sind. Bedenklicher wird 
die Sache schon an den Fronten der Ge 
bäude, geradezu verhängnisvoll aber bei 
völlig freistehenden Bauteilen, wie z. B. bei 
Schornsteinen, Türmen, Gartenmauern u. s. w. 
Das Reißen der Schornsteine wird allen mög 
lichen Ursachen zugeschrieben, sogar die 
Sonne soll schuld haben; in Wahrheit ist es 
aber der Zement. Sobald die Fugen einige 
Risse erhalten haben, dringt das Wasser in 
dieselben ein; es bilden sich im Winter kleine 
Eiskristalle, welche bekanntlich ein größeres 
Volumen als das Wasser annehmen, infolge 
dessen die Fugen erweitern, den Mörtel 
heraussprengen u. s. w. So schreitet natur 
gemäß die Zerstörung des Schornsteins 
immer weiter fort, und auch die Ver 
wendung von Eisenringen vermag diese 
schädliche Wirkung des Zements nicht 
ganz zu beseitigen. Viele Ingenieure, 
die mit der Ausführung von Pabrikschornsteinen betraut 
werden, scheinen diese schädliche Wirkung des Zements 
überhaupt nicht zu kennen, während Architekten, die mit 
ihren Backsteinfronten unangenehme Erfahrungen ge 
macht haben, heute schon bedeutend vorsichtiger geworden 
sind. Erfahrene Architekten lassen heute Verblendstein 
fronten sicher nicht mehr mit Zementmörtel fugen. Ge 
wöhnliche Kalkfugen bleiben unverändert, während die 
Zementfugen die erwähnten Ausblühungen hervorrufen, 
welche die ganze Front entstellen. 
Im übrigen bedarf es gar nicht einmal der Mitwirkung 
des Wassers, um einen in Zementmörtel gemauerten 
Schornstein zu zerstören. Der Zement ist sehr hart, 
starr und spröde, und wenn er erst zu reißen beginnt, 
dann lockert sich auch der Verband. Wenn dann solch 
ein Schornstein oder ein Turm zu schwanken beginnt, 
bricht alles unten kurz und klein. Hasak sagt, daß er 
aus diesen Gründen Dampfschornsteine und Türme nie 
mals in Zement, sondern in Weißkalkmörtel ausführe, 
Projekt zu einem Schulgebäude von Architekt Gebhardt-Stuttgart 
und daß sich der gewöhnliche Rüdersdorfer Kalk als 
ganz vorzüglich bewährt habe. Allerdings müsse man 
dann den Schornstein um einen halben Stein stärker 
machen, aber dann reißt er auch nicht und hält viel besser 
warm. 
Im Laufe der Verhandlungen betonte nun ein andrer 
Sachverständiger, daß er die gleiche Erfahrung gemacht 
habe; das preußische Ministerium schreibe aber ausdrück 
lich eine Mörtelmischung von einem Teil Zement, zwei 
Teilen Kalk und sechs bis acht Teilen Sand vor. Nun 
hat natürlich das Ministerium die Verwendung von 
Zement vorgeschrieben, weil die Fabrikanten und Bau 
meister bestrebt waren, aus Sparsamkeitsrücksichten die 
Schornsteinwände möglichst dünn zu machen. Aber man 
sollte doch nun endlich einsehen, daß dies ein grober 
Fehler ist; man sollte nicht die Verwendung von Zement 
für Schornsteinbauten vorschreiben, sondern vielmehr diese 
verkehrte Anwendung des Materials verbieten. Ander 
seits ist ja die Möglichkeit gegeben, Schornsteine aus
	        
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