Nr. 34
BAUZEITUNG
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Entwurf zu einer Diele
Architekt .Richard Gebhardt, Stuttgart
hundert brachte die bekannte Massenproduktion und mit
ihr die rücksichtslos auf den Effekt gehende Einzelarbeit.
An die Stelle des Eigenhauses trat die Mietswohnung
mit ihrer billigen Tapete, mit ihrer Herrschaft des Weiß.
Dem gesteigerten Bedarfe kamen in Paris und London
die großen Magazine entgegen, die alles zur Zimmer
einrichtung Nötige vorrätig hielten, so daß eine Einheit
lichkeit möglich wurde. Deutschland und Oesterreich
schlossen sich an. Nun erschienen die Weltausstellungen
und Kunstausstellungen mit der Darbietung ganzer Innen
räume (1873, 1876, 1879). Zuerst führte man das
sogenannte Altdeutsche weiter, in mehr ruhiger und har
monischer Weise. Bald kam dann die Wählerei der
Stile: des Eokoko für Boudoirs und Tanzsäle, der Gotik
für Jagdzimmer, des Orientalischen für Herrenzimmer
und dergleichen mehr.
Eine besondere Bolle spielte dabei die 1873er Aus
stellung. Wir lesen in dem erinnerungsreichen Buche:
„Die Kunstindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873“
von J. Falke (Wien 1873), Seite 427 ff., die Ver
kündigung des Prinzips, daß die Schönheit und Güte
der einzelnen Gegen
stände nicht der einzige
und nicht der höchste
Gradmesser des Ge
schmacks sei und daß
die Zusammenstellung
dieser Gegenstände zur
Harmonie, die ganze
Dekoration, das künst
lerische, geschmackvolle
Arrangement der Woh-
nung höher stehe. Jene
Ausstellung habe den
großen Fortschritt er
geben, daß überhaupt
nicht bloß die einzelne
Arbeit, sondern die
Wohnung als solche, als
ein harmonisches Kunst
werk Ausstellungsge
genstand geworden sei.
Schon die Tapeten
fabriken haben diesmal,
so führt der Verfasser aus, durchgängig ihren Glanz in
einer Dekoration der ganzen Wandfläche u. s. w. Das
Verdienst dieser glücklichen Wendung müsse vor allem
Professor Fischbach zugeschrieben werden. Eine Beihe
vollständig eingerichteter Zimmer sei in einer abge
schlossenen Kollektivausstellung der Wiener Tapezierer
vorgeführt, mit einer Zuwendung zur Benaissance. Auch
andre Nationen seien gekommen, die Franzosen ins
besondere mit verschiedenen Stilen für die verschiedenen
Bäume. Als das Höchste jedoch, was die Weltaus
stellung in Dekoration und Ausstattung der Wohnung
geboten habe, bezeichnet Falke den von Gubitz ent
worfenen und erbauten österreichischen Kaiserpavillon.
Einen besonderen Buck nach vorwärts hat die an
gewandte Kunst im Jahre 1897 bekommen, als die
VII. internationale Kunstausstellung im Königl. Glas
palast zu München kleine Interieurs brachte, wie man
sie vorher noch kaum gesehen hatte. Sie bedeuteten
sozusagen eine Ueberraschung; und Schreiber dieser
Zeilen nimmt ihre Wiedergabe im Kataloge von damals
immer wieder gerne zur Hand. Es waren dies Bäume
mit Ausstattungen von
Theodor Fischer und
Martin Dülfer und mit
Teilarbeiten von Fritz
Erler, von Bichard Bie-
merschmied, von Karl
Ule u. a.: zwei eigent
liche Zimmer, ein Vor
raum in Empire, ein
arabisches Zimmer von
Perd. Bredt. Sie machen
keineswegs den Ein
druck, daß sie auf Wirk
lichkeit berechnet seien,
daß sie etwa sagen
wollten: so sollte ein
Zimmer aussehen. Viel
eher ist ihr Eindruck der
eines Phantasiespieles.
Dazu kommt noch, daß
sie in ziemlich großer
Eile zusammengestellt
waren. Und außer diesen
«Oft*?
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