Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

22. September 1906 
BAUZEITUNG 
301 
Dagegen sind einzelne Formen neu, z. B. die Fabrik 
mit ihren eigenartig gelagerten Dächern und dem Schorn 
stein. Doch das sind keine Aufgaben von umfassender 
Bedeutung. Die alten Formen sind mit neuem Geist 
auszufüllen. Die Persönlichkeit des einzelnen drückt 
dem Werke den Stempel der heutigen Zeit auf. Wir 
leben in ernster sachlicher Arbeit, das Symbol unsrer 
Kultur ist die Maschine. Die konstruktive Sachlichkeit 
waltet vor und das Ornament beginnt abzuwirtschaften. 
Die Zweckformen werden schön, wenn sie in Verhält 
nissen und Farben künstlerisch empfunden sind. Es 
scheint, daß die germanischen Länder in der neuen Stil 
gestaltung die Führung übernehmen. Frankreich haftet 
noch an der alten Schablone, von Italien kann man vor 
erst überhaupt kaum reden. Dagegen leistet Amerika 
im modernen Geschäftshaus Vorbildliches und ebenso 
England im Bau des kleinen Wohnhauses. 
Hiermit waren die Vortragsveranstaltungen zu Ende. 
Als Ort der nächsten WanderVersammlung im Jahr 1908 
wurde Danzig bestimmt. 
Der Nachmittag des 4. September führte die Teil 
nehmer in einer hochinteressanten Bundfahrt zu Schiff 
durch die Mannheimer Häfen, wobei die gewaltige Ent 
wicklung von Handel und Industrie allgemeine Bewun 
derung erregte, und den Abend verbrachte man sehr 
genußreich bei einer von der Stadt Mannheim gegebenen 
Festvorstellung im Hof- und Nationaltheater, vor dem 
die Denkmäler Schillers, Iff- 
lands und Dalbergs an die 
ruhmreiche Zeit dieser be 
rühmten Bildungsstätte er 
innern. 
Der 6. September endlich 
war Ausflügen nach Worms 
und Speier und in das land 
schaftlich so schön gelegene 
weinfrohe Dürkheim a. d. H. 
mit seiner herrlichen Kloster 
ruine Limburg (Führung 
durch Professor Manchot in 
Frankfurt) gewidmet, wäh 
rend der folgende und letzte 
Tag die schöne Beihe der 
Besichtigungen durch den 
Besuch des Heidelberger 
Schlosses und seine nächt 
liche Festbeleuchtung in 
wohlgelungener Weise zum 
Abschluß brachte. Begünstigt 
vom schönsten Wetter und ge 
tragen von allseitiger liebens 
würdigster Gastfreundschaft, werden die auf der 17. Wan 
derversammlung gewonnenen Eindrücke den sämtlichen 
Teilnehmern stets in freundlicher Erinnerung verbleiben. 
—r. 
Die Bayrische Landesausstellung- in 
Nürnberg 
Von Baurat Professor C. Schmid. 
„Aus den heutigen Jüngern werden die einstigen 
Meister.“ Von dem Standpunkte aus, welcher durch 
dieses Wort gekennzeichnet ist, möchte ich eine kurze 
Betrachtung über den Wert von Ausstellungen und über 
die Benutzung dieser Bildungsgelegenheit im Anschluß 
an die Bayrische Landesausstellung anstellen. Beide sind 
unanfechtbar vom Standpunkt der allgemeinen Bildung 
aus hervorzuheben; wenn ich die Erörterung speziell in 
bezug auf das bautechnische Gebiet vornehme, so hat 
dies namentlich seinen Grund darin, daß die beiden 
früheren bayrischen Landesausstellungen in Nürnberg auf 
meine ganze berufliche Entwicklung entscheidenden Ein 
fluß ausgeübt haben und daß ich in bautechnischer Hin 
sicht am ehesten in der Lage bin, eine richtige Wertung 
der Ausstellungen zum Ausdruck zu bringen. 
Ich widme diese Zeilen vorzugsweise den jüngeren 
Kollegen, weil sie den größten Nutzen vom Besuche von 
Ausstellungen haben. 
Ihnen steht noch die ganze Frische der Empfäng 
lichkeit zu Gebot, ihnen eröffnet sich in der Fülle des 
hier vereinigten reichen Materials eine erweiterte Welt, 
deren Anblick ganz unwillkürlich zu reger Arbeit, zu 
eifriger Aufnahme des Dargebotenen unwiderstehlich an 
regt. Der junge Techniker erkennt dort die enge Be 
grenzung seiner eignen Kenntnisse und sieht zugleich die 
abwechslungsreiche Fülle der Anwendungen der Kennt 
nisse andrer; es steht klar vor seinem Auge, daß auch 
er sich vorbereiten muß, um weitergehenden, ja den 
weitestgehenden Ansprüchen, welche sein Beruf an ihn 
stellen kann, einstens genügen zu können. Er wird über 
wältigt von der Erkenntnis, daß sein Studium nicht ab 
geschlossen ist, sondern jetzt erst recht von neuem ein- 
setzen muß, daß das seitherige mannigfach nur Vorberei 
tung war, um das, was er hier aus der Praxis vorgeführt 
sieht, fassen zu können, um in edlem Wetteifer den 
Meistern gleichzukommen. 
Nach diesen einleitenden Worten sollte ich eine Ueber- 
sicht über die Darbietungen der gegenwärtigen Nürn 
berger Ausstellung geben. Der Versuch dazu hat mich 
Saalbau Mülhausen i. E. Ein II. Preis Architekt Professor Dr. Yetterlein, Darmstadt
	        
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