29. September 1906
BAUZEITUNG
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Wir haben bereits erwähnt, daß durch den kontinuier
lichen Balken gegenüber den einfachen Balken eine Yer-
schiebung der Kräfte bewirkt wird. Inwiefern dies zu
trifft, ist aus den angeführten Tabellen zu entnehmen,
wobei der kontinuierliche Balken mit zwei Oeffnungen
mit dem einfachen Balken doppelter Spannweite ver
glichen wird. Indem für beide Balkenarten in der
Balkenmitte, respektive über der Mittelstütze die Bie
gungsmomente genau gleich groß werden, nehmen die
selben beim kontinuierlichen Balken sehr rasch gegen die
Mitte hin ab, und zeigt die Tabelle, daß schon in den
nächsten Stellen der Unterschied 50—60% zugunsten
des kontinuierlichen Balkens beträgt. Die Schubkräfte
sind ebenfalls heim einfachen Balken bedeutend größer
als beim kontinuierlichen Balken. Beim letzteren treten
sie in gleiche Stelle mit den Maximalmomenten, so daß
der infolge der größeren Momente gewählte stärkere
Querschnitt gleichzeitig den Haupt- und Schubspannungen
entspricht. Beim einfachen Balken trifft dies nicht zu,
d. h. die Querschnitte, in welchen das Maximalmoment
auftritt, fallen nicht mit denjenigen, in welchen die größte
Querkraft wirkt, zusammen und muß das Material ent
sprechend vermehrt werden, ohne ganz ausgenutzt werden
zu können. Schon dadurch wird die Konstruktionshöhe
des kontinuierlichen Balkens bedeutend kleiner, was der
wichtigste Vorteil neben demjenigen der größeren Sta
bilität solcher Balken gegenüber den einfachen darstellt.
Die inneren Kräfte sind zu Yergleichszwecken nach
der Methode von Prof. W. Bitter-Zürich und nach den
Formeln, die sich in den vorläufigen Leitsätzen des Archi
tekten- und Ingenieur-Vereins u. s. w. befinden, gerechnet.
Für beide Berechnungsmethoden ist das Verhältnis beider
Elastizitätsmodule konstant und gleich w =-^- = 15 an
genommen. In der Folge werden die Fahrbahn- und
Gehwegträger berechnet.
Berechnung der Fahrbahnträger:
Für eine Stützweite von 13,05 m beträgt das größte
Biegungsmoment in der Mitte Mm = 4000 000 kg/cm und
am Auflager Ma = — 5 225 000 kg/cm (s. Tafel: Grapho-
statische Berechnung).
Querschnitt in der Mitte (Abb. 3 Tafel 1).
Nach Methode Kitter:
F S Jo
91 x 15 = 1366 x 7,5 = 10 237 x 10 = 102370
87 x35 = 3045x 43,5 = 132457 x 58 = 7 682606
1131 x 81 = 91611 x81 = 7420491
114 x 4 = 456 x 4 = 1824
F— 5655 cm 2 ,9 = 234761 cm 3 J= 15207 191 cm *
234761 E iV= 9742581
5635 — 41 > &cm J a — J— FJ = 5464610cm 4 .
Größte Druckbeanspruchung des Betons:
4000000 , on ,. ,
x 41,0 = 321 kg/qcm.
M
5 464 610
Zugspannungen im Eisen:
M 4000000
a e -
= 789 kg/qcm,
wobei z — 81
f.Z, 75,4x 67,2
- 13,8 = 67,2 cm. Der Druckmittelpunkt
wurde annäherungsweise mit —- angenommen.
Nach den deutschen Leitsätzen:
(h — o) nf e
x-
bd*
2
81 X 1131
126x15'
nfe -\-bd
d d*
+
y—x —
Zugspannungen im Eisen;
M
1131 -j- 126,16
15«
= 35,01—7,5 +
= 35,01 cm.
6(70,02—15)
-- =28,18cm.
4 000 000
ft (h — n — X + y) 75,4 (81 — 35,01 +- 28,18)
7l5kg/qcm.
Druckspannungen im Beton:
X 715 x 35,01
ITb == <
n(h-
X) 15 (81 — 86,01)
; 36,2 kg/qcm.
Innere Spannung am Auflager (Abb. 12 Tafel 1).
Nach Ritter:
FS J
91 x 15 = 1365 x 7,5= 10287,5 x 10= 102375
85 x 127 = 4446 x 63,5 = 282 267,5 x 85 = 23 991887,5
1131 x 121 = 136 851 x 121 = 16 658 971
1369 x 6 = 8164 x 6= 48924
F— 8300 cm 8 So = 437500,0cm 3 J 0 = 40702167,5 cm 4
Fso*= 23056250,0
437 500
J, = J 0 — 7<V = 17 645 907,5 cm 4
a b z=
— 8300 5 2, 7 kg/cm
s, = 127 — 52,7 = 74,3 cm
5 250000x 74,3
17 646 907
5250000 6250000
22 kg/qcm
96,3 x 90,60
8724,78
= 602 kg/qcm.
Nach den deutschen Leitsätzen:
n Fe
X
x
X=
135,9
35
X
[V
[f+
2 6 (h — a)
n Fe
-]
70 x 121
>11,— —
1359
10500 000
— 1
: 65,57 cm
= 46,5
35,67x7(121—21,8)
5 260 000 ~ roJ1 ,
a e — o»4 kg/qcm.
90,6 x 99,2
Hierbei wurde die untere Eiseneinlage unberücksich
tigt gelassen.
Will man aber dieselbe berücksichtigen, so kommen dann
andre Formeln in Betracht, die in der Folge Verwendung
finden. Die Neutralachse wird aus der Formel bestimmt:
1359 + 1131 2
I ! + 2x
oi
35 35
X 8 + 142,28 X= 9784,2
X = 60,5 cm
6M x x
(121 + 1359 + 6 x 1131)
Oh
bx*(3h— x)§ F e“ n (x — h‘) (h — h')
ok , 2 -- n 6 x 5250000 x 50,5
■ ÖO -+ MOD ^ _j_ 121 _ 5Q g 1131 (50 5 _ g^ ( 121 _
a b = 25,5 kg/qcm.
Zugspannung im Eisen:
ai (h — x) n 25,5 (121 — 50,6) 15
x 50,5
Druckspannung im Eisen;
25,5(50,6 — 6)15
-= a e = 532,95 kg/qcm.
50,5
13,2 + 25,5 = Oe = 344,25 kg/qcm,
rechnet man nach der einfachen Methode der deutschen
Leitsätze, wobei die Druckeisen weggelassen werden, so
erhält man eine Druckspannung im Beton ßb = 46,5 kg/qcm
und eine Zugspannung im Eisen Oe = 580 kg/qcm. Die
Druckspannung ergibt sich doppelt so groß.
Die letztere Berechnungsart gibt Resultate, die mit
denjenigen nach Ritter gut übereinstimmen. Obu = 22,
Ob D. l. — 2 o,5, Oen = 610, Oe d. l. == 533, %;/ = 52,7, S 0 />. l. —
50,5 cm. In Anbetracht dessen, daß die Methode Ritter
mit den üblichen Größen der Festigkeitslehre (Wider
standsmoment, Trägheitsmoment u. s. w.) arbeitet und
daß man mit der einen und derselben Berechnungsart
überall auskommt, so empfiehlt es sich naturgemäß, die
selbe allgemein zu verwenden.
Die allgemeine Gültigkeit und gleichartige Verwen
dung derselben ist aus diesen Beispielen deutlich zu er
sehen, und bildet einen Vorteil dieser Methode. Diese
Berechnungsweise entspricht der Praxis, sobald die Grenz-
heanspruchungen richtig gewählt werden. Die Zugfestigkeit
des Betons wird nicht berücksichtigt und muß um das ent
sprechende Verhältnis auf Grund von Versuchen noch be
stimmt werden, um die tatsächlich auftretenden Zugspan
nungen im Beton angeben zu können. (Fortsetzung folgt)