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BAUZEITUNG
Nr. 40
Zur speziellen Bearbeitung des Entwurfs wurde als
ein Zweigbureau des Gr. Hocbbauamts Mainz das Neu
baubureau Worms errichtet, dem auch die spätere Bau
ausführung unter der Oberleitung der Referenten, Geh.
Oberbauräte Hofmann und Klingelböffer, übertragen wurde.
Die gesamte Anlage umschließt als selbständig ent
wickelte Gebäude das Schulhaus, das Direktorwohn
gebäude, durch einen geschlossenen Yerbindungsgang mit
dem ersteren zu einer malerischen Gruppe vereinigt,
ferner das Dienerwohnhaus und die Turnhalle mit den
Schüleraborten. Das Hauptgebäude erstreckt sich mit
einer bebauten Grundfläche von 925 qm parallel zum
Rhein ström, östlich nach dem Barbarossaplatz mit seinen
gärtnerischen Anlagen zu gewendet, südlich von der Kyff-
häuserstraße begrenzt.
Bei der Grundrißgestaltung
sehen wir das Prinzip ausgesprochen,
die Klassensäle mit ihrer Längsaus
dehnung einseitig an einen Korridor
anzuschließen, und zwar nach Osten,
der Rheinseite zu. Auf der andern
Seite erweitern sich die Gänge, mit
dem Blick gegen den Schulhof, in
1,50 m tiefe überwölbte Nischen, die
als Kleiderablage zur Aufnahme
der schmiedeeisernen Garderoben
ständer dienen. Von der in An
betracht des Vormittagsunterrichts
sonst gern angestrebten Lage der
Lehrsäle nach Westen wurde Ab
stand genommen, weil die natürliche
Lüftung der Klassenzimmer durch
den Ruß und Dunst der nach dieser
Richtung hin gelegenen Schornsteine
wesentlich erschwert worden wäre.
Der architektonische Auf
bau ist aus dem Innern heraus
entwickelt und zerfällt in zwei große
ßaumassen, den Längsflügel, durch
drei Geschosse die eigentlichen
Klassensäle enthaltend, und den
Turmbau, der die Räume für be
sondere Zwecke, wie Sitzungs-,
Lehrerzimmer u. a. m., umschließt.
Der Bau ist in seiner Außen-
architektur in den Formen der
Spätrenaissance gehalten und in Putz
unter Hausteinverwendung in den
Architekturteilen ausgeführt. Eine
ferung einzelner Giehelflächen, besonders aber des 42 m
hoch emporragenden Turmhelms, prägt dem Gebäude
einen durch seine Lage bedingten, speziell rheinischen
Charakter auf.
Bei dem inneren Ausbau und bei der Einrich
tung der Hallen und Säle war das Bestreben maß
gebend, den Räumen die Nüchternheit und Kälte eines
bloßen Nutzbaues zu nehmen und ihnen mit den ein
fachsten Mitteln einen mehr intimen, stimmungsvollen
Gehalt zu verleihen.
Leider sehr viele Schulen, namentlich diejenigen älterer
Schablone, prunken nach außen hin mit der reichsten
Fassade unter Aufwendung der kostbarsten Materialien
und lassen es im übrigen an allem fehlen, was den
Schülern zum Gemüt sprechen könnte. Nur allzu häufig
nehmen sie denn auch aus ihrer Schulzeit die Erinnerung
ins Leben mit hinaus, als hätten sie ihre schönsten Jahre
in einer „Zwangsanstalt“ oder in einem Palast zugebracht.
Wenn in dem Neubau des Gymnasiums die gewerbliche
Kunst vielseitig zur Geltung gekommen ist, so sind mit
Absicht in den Friesen, in den Einrichtungsgegenständen
wie in den vielen bildhauerischen Arbeiten nur Motive
angewendet worden, die durch Einfachheit in der Form
oder durch breite großzügige Behandlung dem Verständ
nis der Schüler am nächsten kommen könnten und sich
dadurch ihrem Gedächtnis am leichtesten und nachhaltig
sten einprägen. Neben der Anwendung der gewerblichen
Kunst ist auch der modernen Technik im weitesten Maße
Rechnung getragen worden. Das Gebäude ist mit Nieder
druckdampfheizung versehen, es hat Wasserleitung er
halten, ist mit einer elektrischen Lichtanlage ausgestattet
und hat ganz besonders in den Klassensälen, Sammlungs
räumen, dem Physiksaal u. s. w. Einrichtungen, die in jeder
Beziehung den neuzeitlichen Forderungen entsprechen
dürften. Ein Klassenzimmer hat eine Größe von 6 auf
8,50 m Grundfläche und eine lichte Höhe von 4 m und
ist für 42 Sitzplätze bestimmt. Es hat hier die sogenannte
Zahnsche schwellenlose Bank unter Ausführung einer
Reihe besonders vorgesehener Ver
besserungen Aufstellung gefunden.
Die Wandtafeln in imitiertem Schie
fer (Patent Rauch, Worms) mit einer
Schreibfläche von rund 4 qm sind in
den verschiedenen Zimmern teils
drehbar, teils fest an der Wand
verwendet und reichen über ein fast
durch die ganze Saalbreite laufendes
18 cm hohes Podium, das des weiteren
zur Aufnahme des Lehrerpultes dient.
Der Fußboden der Klassenräume
im Erdgeschoß ist mit Eichenriemen
auf Lagerhölzern belegt, während
für diejenigen der oberen Geschosse
die nachstehende Ausführungsart ge
wählt wurde. Um bei dem Fuß
boden die Gewähr einer sicheren
Isolierung gegen Kälte, Schall und
Feuchtigkeit zu haben, wurden zu
nächst als Unterlage imprägnierte
Korkplatten, 22 mm stark, in Stein
kohlenpech auf der vorhandenen Be
tondecke verlegt und die Fugen mit
Harzpech sauber verkittet. Auf
diese Korkschicht wurde ein so
genannter Linol-Estrich 15 mm stark
aufgebracht, der zum Ausdünsten
der Feuchtigkeit und zu seiner Er
härtung einige Wochen in Ruhe ver
bleiben mußte und alsdann eine
fugenlose, feste Masse bildete. Der
so vorbereitete Boden diente nun
mehr zur Aufnahme eines Linoleumbelags, der zur Hälfte
von den Hansawerken in Delmenhorst, zur Hälfte von den
Germaniawerken in Bietigheim durch Vermittlung Wormser
Firmen bezogen wurde. Da erfahrungsgemäß die von
den Heizkörpern nach unten abgegebene Wärme häufig
die Korkplatten von dem Unterboden loslöst, so wurden
vorsichtshalber die Radiatoren auf besondere Steinplatten
gestellt und so von dem übrigen Boden isoliert. Im
Gegensatz zu den beschriebenen Böden der inneren Räume
sind die Hallen und Gänge mit roten Tonplättchen be
legt worden, durch schwarze Linienfriese in Felder ge
teilt. Ein 15 cm hoher umlaufender Schiefersockel trennt
den Fußboden von den Wänden, die bis Kämpferhöhe
der Rabitzgewölbe mit blaugrauem Oelanstrich versehen
sind und in einem breiten schablonierten Fries ihren
oberen Abschluß gegen die weißübertünchten Gewölb-
flächen finden.
Mit dem Hauptgebäude durch einen gedeckten, seit
lich geöffneten Gang verbunden, erhebt sich die Turn
halle an der Ecke der Kyffhäuser- und Gießenstraße in
einer Länge von 27,50 m und einer Breite von 16,10 m.
Nach Abzug der für die Aufbewahrung von Geräten und
für die Garderoben erforderlichen Gelasse bleibt noch ein
freier Hallenraum von 22,00 m auf 10,60 m übrig, der
reichliche Beschie-