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BAUZEITUNG
NR. a
iu Achern zur Wasser- und Straßenbauinspektion Waldshut. Zu-
geteilt; Eisenbahningenieur F. Büchle in Singen der Eisenbahn
bauinspektion Neustadt.
ELSASS-LOTHRINGEN. Verliehen : Dem Meliorationsbauinspektor
Baurat Berger zu Saargemünd der Rote Adlerorden vierter Klasse.
BÜCHER
DER FALL BÖCKLIN UND DIE LEHRE VON DEN EIN
HEITEN. VON JULIUS MEIER-GRAEFE. Verlag von Julius
Hoffmann, Stuttgart 1905.
„Ein Gemälde hat in dem, was es von Haus aus in sich birgt, durch
aus nicht mehr geistige Beziehung oder Bedeutung für uns als ein
blauer Ziegel aus der Mauer von Damaskus oder eine Hizenvase.
Es ist eine schöngefärbte Fläche, nichts andres, und wirkt auf uns
mit keiner aus der Philosophie gestohlenen Idee, mit keinem aus der
Literatur mitgenommenen Pathos, mit keinem dem Dichter ent
wendeten Gefühl, sondern mit seiner eignen unsagbar künstlerischen
Wesenheit, mit der besonderen Form von Wahrheit, die wir Stil
nennen, und mit dem Verhältnis von Werten, das die Kennmarke der
Malerei ist, mit der ganzen Qualität der Ausführung, mit der
ganzen Arasbeske der Zeichnung, dem Glanz der Farbe, denn diese
Dinge genügen, um die göttlichsten und verborgensten Saiten zu
erschüttern, die in unsrer Seele musizieren, und die Farbe ist wahr
haftig schon an sich ein mythisches Lebendigsein in den Dingen
und der Ton eine Art Empfindung.“ Oscar Wilde.
BÖCKLINS KUNSTANSCHAUUNG: „Die Kunst soll so wirken,
daß der Beschauer entweder weinen oder vor Lachen sich den Bauch
halten muß.“
Von der Toteninsel: „Es soll so still sein, daß man erschrickt, wenn
an die Tür gepocht wird.“
MEIER-GRAEFE. „Man muß sich als deutscher Gelehrter gründ
lich hüten, eine Jahreszahl zu vertauschen, ein von der Fachliteratur
anerkanntes Bild eines wenig bekannten Meisters einem nahestehenden
andern zuzuschreiben oder gar eine gute alte Kopie ernst zu nehmen.
Aber man kann auch heute noch in Deutschland über die elementarsten
Grundsätze der Kunst den unerschrockensten Unsinn veröffentlichen,
ohne in die geringsten Fährnisse zu geraten.“
„Jeden Menschen überläuft ein leichtes Gruseln, wenn er auf unserm
Gebiet von Wissenschaft hört. Man kann nicht mit Wissenschaft
Kunst machen. Wohl aber gibt es bei allen menschlichen Tätig
keiten, die seit Jahrtausenden betrieben werden, Erfahrungen, und
es steht fest, daß diese Erfahrungen in der Kunst länger halten als
in irgendeiner andern Tätigkeit. Noch heute malt man, in einem
gewissen und zwar weit umfassenden Sinne, so wie Rembrandt,
noch heute meißelt man, so im selben Sinne wie Michelangelo, und
dichtet und musiziert wie vor vielen hundert Jahren. In der
Wissenschaft Bereich liegt die Konstatierung des Gesetzmäßigen.
Mag sie es noch so weit fassen: es gibt Gesetze in der Kunst ganz
undiskutabler Art, unübertretbar und unvergänglich. Sonst wäre
dieser gemeinschaftliche Zug in allen Werken unverständlich, sonst
wäre die Kunst unvernünftig, Willkür. Sie ist das Gegenteil,
höchste Gesetzmäßigkeit.
Während dem Künstler die Erfahrung Tausender von keinem Nutzen
ist, kann der Betrachtende lernen, was Kunst, was Genie ist, wie
er etwas andres lernt.
Die Einbildung, daß man überhaupt nicht mehr zu lernen braucht,
daß der Empfänger dasselbe Vorrecht wie der geborene Künstler
genießt, ist die Krankheit unsrer Zeit.
Die Persönlichkeitstheorie, die Afterreligion unsrer Zeit hat auch
in der Kunst wahre Verheerungen angerichtet. Jeder Ladenschwengel
wird vor jedem Schund zum Dichter.
Eine unerbittliche Revision des berühmten ,Ich empfinde nun mal
so 1 , der Phrase, mit der man alles entschuldigt, nichts begründet.
Man kann in der Tat erstaunlich viel mit Logik ergründen, was
scheinbar nur der Empfindung zugänglich ist. Empfinden kann
jeder Laie, und die Erfahrung lehrt, daß das zuweilen die Laien
besser verstehen als die Akademiker. Sicher gehen wir von diesem
Vermögen aus. Es ist da, massenhaft da, jeder Barbier fuhrt es im
Munde, und doch weiß nach der Persönlichkeitsraanie heute keiner
mehr, was es ist und ob nicht zwischen der Empfindung des rohen
Menschen und des kultivierten, ob nicht zwischen der Empfindung,
die ein rohes Werk erweckt, und der eines gelungenen ein not
wendiger Unterschied besteht.
Aber ohne den Willen und die Fähigkeit zu denken keine Logik,
Denn man kann bekanntlich nicht mal beweisen, daß zweimal zwei
vier ist, wenn sich der andre gegen jede Vorstellung von Zahlen
sträubt. In unserm Gebiet, wo die Weigerung, naohzudenken, schon
traditionell geheiligt ist, wächst die Schwierigkeit der Demonstra
tion.“
Meier-Graefes Buch handelt nur von Kunst. Um ein wenig Nach
denken bittet er die deutschen Denker. Nachdenken ohne die deutsche
Lust, des Widerspruchs wegen zu widersprechen, ohne die nicht
weniger deutsche Belobung oder Bekrittelung des Persönlichen,
ohne Liebe und Haß, ohne alles, was nicht zur Sache gehört. „Ohne
den Willen und die Fähigkeit zu denken keine Logik.“
„Das Grundwesen der bildenden Kunst, durch das sie sich von
allen andern Künsten elementar unterscheidet, besteht darin, daß
alle ihre Werte, „Einheiten“, auf einem Felde liegen und gleichzeitig
wirken. Der Theoretiker ist unfähig, alle diese Werte überhaupt
nur in Worte zu fassen, und noch dazu genötigt, das wenige Haupt
sächliche, das er darstellen kann, die Grundelemente, aus dem Gleich
gültigen zu lösen und hintereinander zu bringen. Selbst wenn er
der größte Künstler wäre, würde er auf diesem Wege nie die üeber-
zeugungskraft des Kunstwerkes erzielen. Denn das Kunstwerk ist
ja gerade der durch nichts andres zu ersetzende einheitliche Aus
druck, d. h. die Tat bei größter Kraftersparnis. Er darf aber bei
dieser Arbeit auch gar nicht Künstler sein, denn er soll ja be
trachten, untersuchen, folgern, kurz: wissenschaftlich handeln.“
So behandelt Meier-Graefe den Pall Böcklin in 19 Abschnitten auf
vielen verschiedenen Wegen, auf allen, die sich rechtschaffener und
wissenschaftlicher Betrachtung öffnen. Um die Demonstration so
einfach wie möglich zu halten, nimmt er diesen allgemein bekannten
Fall und färbt sozusagen die Faktoren seiner Wissenschaft mit der
weit sichtbaren Persönlichkeit Böcklins.
Meier-Graefe kommt durch sein Verfahren zu dem Resultate: „Wir
finden, daß Böcklin nicht als Maler gelten, daß man ihm nicht den
Titel eines Künstlers im Sinne höherer Aesthetik zuerkennen kann.
Böcklin vereinigt in seiner Person alle Sünden der Deutschen gegen
die Logik der Kunst. Er ist das Resultat der Rasse anhaftender
langggeübter Irrtümer und wurde zur Veranlassung neuer Trug
schlüsse. Nicht Zwischenprodukt der Kunst ist er. In sich voll
endet steht er vor uns, in seiner Art endgültig und durchaus un
zweideutig. Die Art ist es, die keinerlei Wertung zuläßt, und deshalb
ist Böcklin überhaupt kein Wert in strengem und gerechtem Sinn.
Bei Böcklin, bei Wagner dasselbe Unvermögen, mit den Einheiten,
die das Wesen aller bildenden Kunst ausmachen, zu dem Ziel zu
gelangen, das wir in unsrer Lehre der Kunst Harmonie nennen.
Was Böcklin abging, fehlt auch in Deutschland. Hier in diesem
größeren Bilde heißt er Kultur. Der Fall Böcklin ist der Fall
Deutschland.
Als die Deutschen nicht mehr wußten, was Kunst war, nannten sie
dieses Theater ,Deutsche Kunst 1 .“
Das Theater und die Kulissenwirtschaft. So auch in der Baukunst.
Die Beschäftigung mit Aeußerlichkeiten aus Mangel an Erkenntnis
des Wesens.
MEIER-GRAEFE: „Böcklins Anschauung vom Material kommt
deutlich in allen Ideen moderner Architekten und Dekorations
künstler zum Vorschein. Das zündendste Wort der gewerblichen
Bewegung der letzten zehn Jahre war die Forderung der Echt
heit. Kein Stuck mehr, keine Imitation, kein Verbergen des Eisens
und des Holzes! Zweckmäßigkeit, Logik, Ehrlichkeit! Kluge
Worte, beherzigenswerte Ideale, aber Schall und Rauch für die Lehre
vom Schönen, ja dafür eine schlechterdings auf reine Willkür be
gründete Vorschrift, die sich, bei Licht betrachtet, in nichts auf
löst wie so manches Schlagwort der letzten Jahrzehnte. So wenig
eine ästhetische Vorschrift des Materials für die Malerei gilt, so
wenig gilt sie für die andern Künste. Zweckmäßigkeitsregeln treffen
immer nur das Zweckmäßige, nicht das Schöne.“ Adolf Lutz.
HIERZU EINE DOPPELSEITIGE BILDBEILAGE: FASSADE VOM NEUBAU DES
WARENHAUSES TIETZ IN STUTTGART. ARCH. BIHL & WOLTZ-STUTTGART
REDAKTION: ADOLF FAUSEL, STUTTGART; FRITZ SCHMIDT, ARCHITEKT, DIPL.
INO., DEGERLOCH. ADRESSE FÜR ALLE SENDUNGEN: BAUZEITUNO-STUTTOART,
HBOELSTBASSE 68lk DRUCK: DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT IN STUTTGART