13. Oktober 1906
BAUZEITUNG
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Im Grundriß ist die klare Trennung der Hauptgruppen
angestrebt. Diese Hauptgruppen sind die Verwaltungs
abteilung, die Krankenräume, die Privatkrankenabteilung
und die ärzliche Abteilung einschließlich Krankendienst.
Yergrößerungsmöglichkeit liegt vor durch Anbau und da
durch, daß die Krankenschwesternzimmer im Querflügel
des I. Stocks zu den Krankenzimmern gezogen werden
können. Alle Krankenzimmer liegen nach Südost. Zweck
mäßigkeit im Krankenhausbetrieb und eine durchweg ge
sunde, weil licht- und luftreiche Anlage des Hauses,
worauf die leitenden Aerzte hohen Wert legen, waren
für die Gestaltung der Grundrisse und damit des ganzen
Entwurfs ausschlaggebend.
Die Fassaden sind schlicht gehalten; trotzdem wird
durch die energisch vorspringenden Querflügel und die
Verteilung der Baumassen die Wirkung zur Stadt Tutt
lingen hinab ausdrucksvoll und freundlich sein. Die
Klarheit des Inneren soll sich in dem ruhigen Bilde des
Aeußeren aussprechen. Eine Bereicherung der Fassaden
in einzelnen Teilen ist, wenn sie gewünscht wird und
Mittel zur Verfügung stehen, leicht zu erreichen.
Die vorgeschriebene Bausumme kann nachgewiesener
maßen eingehalten werden.
Projekt mit dem Motto; „Witthoh“, Verfasser Archi
tekten Bihl & Woltz, Stuttgart. Die Lage des Bauplatzes
an dem ziemlich steilen Abhang eines Höhenrückens er
forderte möglichste Anpassung des Gebäudes an das
Gelände, indem hierdurch große Erdbewegungen und bei
der felsigen Beschaffenheit des Baugrundes erhebliche
Sprengungen vermieden wurden.
Eine langgestreckte Grundrißanlage ohne größere
Flügelausbauten gewährte somit einerseits den Vorteil,
bedeutend an den Baukosten zu sparen, während zu
gleich anderseits hierdurch die Möglichkeit geschaffen
war, sämtliche Krankenzimmer gegen Südosten zu legen.
Der Operationssaal und die Nebenräume konnten je ge
sondert von den Krankenzimmern in zwei nach Nord
westen gelegenen, mäßig tiefen Ausbauten untergebracht
werden.
Im übrigen waren die Verfasser bestrebt, bei klarer,
übersichtlicher Grundrißanlage auch geräumige helle Korri
dore zu schaffen.
Das Gebäude ist so weit von der Straße abgerückt,
daß genügend Platz für die Anfahrt und Anlage der
Treppen übrigbleibt.
Der hinter dem Gebäude verbleibende Platz ist als
Garten für die Kranken vermöge seiner sonnigen ge
schützten Lage wie geschaffen.
Das Aeußere dürfte sich mit den vorgelagerten Ter
rassen und Treppen der Landschaft gut anpassen und
einen guten Abschluß derselben, von der Stadt aus ge
sehen, bilden.
Kontinuierliche Balkenbrücken ans
Eisenbeton
Von Dipl.-lug. S. Zipkes, Chefingenieur der Firma Luipold
(Fortsetzung) & Schneider, Zürich
Bei der gewöhnlichen Berechnung der Schubspan
nungen in den Bügeln wird das Produkt aus Querkraft
und Entfernung der Bügel als Gesamtschubkraft an
genommen, was nicht ganz zutrifft. Die wirkliche Kraft
fläche ist durch ein Trapez (kein Rechteck) dargestellt.
Der durch diese Annäherung entstandene Fehler ist aber
unbedeutend. Bei der graphischen Bestimmung der Lage
der Bügel (Abb. 8 Tafel 1) wird dieser Fehler aus
geschlossen. Die Bestimmung der Entfernungen zwischen
den Bügeln infolge der gleichmäßig verteilten und kon
zentrierten Lasten bei Annahme von Bügeln mit gleichen
Querschnitten wird auf graphischem Wege sehr einfach
gelöst.
Krankenhaus Tuttlingen Architekten Bihl & Woltz-Stuttgart
Die Einflußfläche der Querkräfte wird bei gleichmäßig
verteilter Last durch ein Dreieck dargestellt, bei kon
zentrierten Lasten nur annähernd durch ein solches.
Nimmt man die Bügel gleich stark an, so müssen die Kraft
flächen in Teile gleichen Flächeninhaltes geteilt werden.
Dies geschieht, wenn man über eine Seite (Abb. 8 und 9
Tafel 1) hier 0' 3 einen Halbkreis schlägt und die bekannte
Konstruktion anwendet, indem man die Strecke 0' — 3 in
gleiche Teile teilt und die Teilungspunkte auf dem Kreis
umfange lotet. Aus 0' beschreibt man die Kreisbogen
ab, a'b', a"b" u. s. w. Die Punkte a'b'. . . geben die
gewünschte Einteilung, d. h. sie geben die Stellen, wo
die Bügel zu liegen kommen. Diese Methode läßt sich
allgemein anwenden, auch für den Fall, daß der Beton
einen Teil der Schubspannung aufnehmen soll. Die Lage
der schrägen Eisen kann ferner mit der gleichen Methode
genau ermittelt werden. 1 )
Die Querträger (Querrippen)
Die angenommene Berechnungsweise der Fahrbahn
ist richtig, insofern das Eigengewicht der Konstruktion
in Frage kommt, denn nur diese belastet stets die ge
samte Konstruktion. Die Berechnungsweise trifft aber
nicht zu, sobald die Einzellasten in Frage kommen. Die
Einzellasten, wie Dampfwalze, Wagen u. s. w., wirken
örtlich.
Wird z. B. eine Trambahn über eine solche Brücke
geführt, so werden dadurch nicht nur die unmittelbar
darunter liegenden Tragteile beansprucht, vielmehr wird
der ganze Bau in Mitleidenschaft gezogen. Diese Mit
arbeit aller Balken, wenn nur einer oder mehrere unmittel
bar belastet werden, wird schon durch die Platte, be
sonders aber durch die Querrippe bewirkt. Es soll in
der Folge daher festgesetzt werden, inwiefern sich die
Mitarbeit bestimmen läßt und wie groß sich dieselbe stellt.
Die Brücke in Backnang erhielt in jeder Oeffnung zwei
solcher Querversteifungen. Für die Berechnung kommen
zwei verschiedene Lagen der Dampfwalze in Betracht.
1. Die Dampfwalze liegt so nahe als möglich am
Straßenkandel.
J ) Siehe „Beton und Eisen“, 1906. Eisenbetoubrücken mit ver
senkter Fahrbahn. Vom Verfasser.