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FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN
STUTTGART, 3. NOVEMBER 1906
Inhalt: Baustraße und Bauvorschriften für die Neckarhalde in Eßlingen. — Pfänderbahn. — Kontinuier
liche Balkenbrücken aus Eisenbeton. — Yolksschulbauten. — Volkshygiene in Schule und Wohnung. —
Häusersenkung in Cannstatt. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien.
- HAUSTETFü •
Alle Rechte Vorbehalten
Baustraße und Bauvorschriften für die Neckarhalde in Eßlingen
Vom kgl. Landeskonservator Professor I)r. Grradmann in Stuttgart
Die immer dichter werdende Bebauung des im Neckar
tal gelegenen Baugeländes gibt in Eßlingen seit mehreren
Jahren den Anlaß, daß sich die Bautätigkeit auch an
den das Tal begrenzenden Hängen entwickelt. Ein Bau
gesuch, das für die Neckarhalde in der Nähe der Frauen
kirche vorlag, veranlaßte die Stadtverwaltung, zu der
Frage der Bebauung dieses Hanges Stellung zu nehmen.
Die Neckarhalde ist in der beistehenden Photographie
ersichtlich als der von der Frauenkirche gegen links sich
erstreckende Bergzug. Bei der die ganze Stadt beherr
schenden Lage des Hanges und mit Rücksicht auf die
Nähe des berühmten Meisterwerkes der Gotik, der
Frauenkirche, war man sich von vornherein darüber
klar, daß das Anbauen nur in solcher Weise gestattet
werden dürfe, daß weder das Stadtbild noch der Ein
druck des Frauenkirchturmes Not leide; manche waren
sogar der Ansicht, daß das Bauen an der Neckarhalde
überhaupt ganz unterbleiben solle, um in obiger Hinsicht
keine Fehler zu begehen. Zur Lösung dieser wichtigen Frage
wandte sich die Stadt
verwaltung an das
Kgl. Landeskonserva
torium für vaterlän
dische Kunst- und
Altertumsdenkmäler,
worauf der Verfasser
in Gemeinschaft mit
den künstlerischen
Sachverständigen des
Konservatoriums,
Herrn Professor Th.
Fischer und Herrn
Professor Oberbaurat
Halmhuher, nach ei
ner Augenscheinnah
me sich dahin aus-
sprachen, daß das
Bauen an dem frag
lichen Hang wohl zu
gelassen werden kön
ne, wenn durch geeig
nete Vorschriften da
für gesorgt werde,
daß die entstehenden
Gebäude so ausgebildet werden, daß sie dem Landschafts
bild keinen Eintrag tun. Nachdem sich die bürgerlichen
Kollegien in ihrer Mehrheit dieser Ansicht angeschlossen
hatten, wurde die anzulegende Baustraße sowie beson
dere ortsbaustatutarische Bestimmungen für das Anbauen
durch die Stadtverwaltung im Benehmen mit den oben
genannten Herren Sachverständigen und dem Ministerial-
referenten, Herrn Bauinspektor Euting in Stuttgart, fest
gestellt und in nachstehenderWeise vom Kgl. Ministerium
des Innern genehmigt:
Ziff. 1. Die Vordergebäude sollen in der Kegel mit
der Traufseite gegen die Straße gerichtet sein. Die Höhe
sämtlicher Gebäude wird derart beschränkt, daß sowohl
die Vorder- als Rückseite nicht mehr als drei volle Stock
werke einschließlich des Untergeschosses aufweisen darf.
An der Vorderseite sind Aufbauten wie Giebel, Quer
häuser, Türme u. dergl. über die Traufkante bezw. über
dem hiernach zulässigen obersten (dritten) Stockwerk nur
insoweit statthaft, als deren Grundlinien zusammen die
halbe Gebäudelänge
nicht überschreiten.
An den Neben- und
Rückseiten sind die
Aufbauten nicht be
schränkt.
Ziff. 2. Das Aeu-
ßere sämtlicher Bau
ten muß an allen Sei
ten in schlichten ar
chitektonischen, dem
Charakter der Stadt
und der Landschaft
gut angepaßten For
men gehalten sein.
Die Farben des Bau
materials sollen im
Einklang mit der
Landschaft stehen.
Ziff. 3. Die Ab
stände der Vorder
gebäude von den bei
derseitigen Eigen
tumsgrenzen haben
zusammen mindestens