Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

müN 
FÜR WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN EL 
SAS S - LOTHRINGEN 
STUTTGART, 10. NOVEMBER 1906 
Inhalt: War das Heraion in Olympia ursprünglich von Holz? — Die Synnadamarmorbrüche in Kleia- 
asien. — Das Eisen im Baufach. — Einzelheiten vom Schlosse Rastatt. — Vereinsmitteilungen. — Wett 
bewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — Anfragen. — Briefkasten. 
•HAUSTEIN. — 
Alle Rechte Vorbehalten 
War das Heraion in Olympia ursprünglich von Holz? 
Eine wichtige kunstwissenschaftliche Frage, scheinbar 
längst befriedigend beantwortet, möge in den folgenden 
Zeilen nochmals vor einem technischen Forum erörtert 
werden, da ihre bisherige Behandlung alle jene Gesichts 
punkte vermissen läßt, die sich demjenigen mit Gewalt 
aufdrängen, welcher unter Verantwortung — der idealen 
wie der finanziellen — bauen muß. 
Die Ergebnisse der von dem Deutschen Reiche ver 
anstalteten Ausgrabungen in Olympia sind in dem be 
kannten von Curtius und Adler herausgegebenen Pracht 
werke zusammengefaßt, und in demselben hat W.Dörpfeld 
die Bearbeitung des Heraion übernommen. Der Verfasser 
vertritt aus verschiedenen wichtigen Gründen die Meinung, 
der Tempel sei schon um das Jahr 1100 v. Ohr. in seiner 
jetzt klargelegten Grundrißgestalt erbaut worden; ins 
besondere hält er es für unzulässig, die Ringhalle als 
eine spätere Zutat anzusehen. Die Eig en küinliclikeit e n 
dieses Baues aber, zumal die Verschiedenheiten und Un 
regelmäßigkeiten der Säulen, vermag sich Dörpfeld nur 
unter der Annahme zu erklären: 
„daß die Säulen des Heraion ursprünglich aus 
Holz bestanden und allmählich in Stein ersetzt sind.“ 
Um diesen Punkt handelt es sich in den folgenden Zeilen. 
Dörpfeld stellt zunächst die unbestreitbare Tatsache 
fest, daß eine allmähliche Auswechslung — im Verlaufe 
von Jahrhunderten — nur denkbar sei, wenn die Ab 
messungen der maßgebenden Architekturteile, also in 
erster Linie die der Säulen und Architrave, schon bei 
der Erbauung die gleichen oder annähernd gleichen waren 
wie bei dem umgewandelten Steintempel, und er kommt 
nach dieser grundlegenden Erwägung auf eine Stärke 
von 1,14 m für die von Eichenholz hergestellten Ring 
säulen. 
Ich halte diese Vorstellung für so ungeheuerlich, daß 
ich das Urteil der Fachgenossen anzurufen mich ver 
anlaßt sehe, um die Ansicht über derartige Holztempel 
endgültig zu klären. Es sei jedoch vorweg bemerkt, daß 
ich nicht etwa dagegen streite, ob diese oder jene Archi 
tekturform sich auf eine hölzerne Urform zurückführen 
lasse, sondern lediglich dagegen: 
„daß ein Monumentalbau von der Größe des 
Heraion ausschließlich von Holz hergestellt gewesen, 
und zwar in den Dimensionen der uns allein be 
kannten späteren Steinbauten.“ 
Nachstehende Berechnung möge zunächst ein Bild 
geben von dem beim Heraion notwendigen Holzverbrauch. 
Die Cellamauer scheidet dabei von vornherein aus, denn 
sie bestand unbestrittenermaßen aus Quadern und Lehm 
steinen. Es sind deshalb hier nur die Säulen und der 
über den Ringsäulen liegende Architrav in Rechnung ge 
zogen, denn über die Friese, Gesimse, Pteronbalken u. s. w. 
ist uns nichts bekannt. Aber ich denke, auch in dieser 
Beschränkung spricht die Rechnung allein schon genügend. 
Das Heraion hatte 40 Ringsäulen, 4 Säulen in antis, 
wohl von derselben Stärke, außerdem 16 untere Oella- 
säulen und 16 obere. Die Maße für alle diese Teile sind 
den Dörpfeldschen Angaben entnommen: 
1. Schäfte der 40 Ringsäulen und der 4 Säulen in 
antis: 
1,144,745-44 
4 
2. Kapitale derselben: 
a) Abakus 1,45 • 1,45 • 0,215 • 44 
b) Echinus 1,45 • 1,45 • 0,26 • 44 
3. Schäfte der unteren Cellasäulen; 
0,90.0,90'-Mj. Q. 16 
4 
4. Kapitale derselben: 
a) Abakus 1,00 ■ 1,00 • 0,15 • 16 
b) Echinus 1,00 • 1,00 • 0,15 • 16 
5. Schäfte der oberen Cellasäulen: 
0,56.0 55.3,14 6 
4 
6) Kapitale derselben: 
a) Abakus 0,70 • 0,70 • 0,12 • 16 
b) Echinus 0,70 • 0,70 • 0,12 • 16 
7. Architrav der Ringsäulen: 
2 (18,45 + 49,70) • 1,00 • 1,20 
= 
212,96 cbm 
— 
19,89 
51 
24,05 
55 
= 
31,55 
55 
— 
2,40 
55 
— 
2,40 
55 
= 
6,45 
55 
— 
0,94 
55 
= 
0,94 
55 
— 
163,66 
55 
Sa. 465,14 cbm 
Dieses ist die erforderliche Masse in bearbeitetem 
Zustande. Nach dem Erfahrungssatze 7:11 wären dem 
nach ca. 700 cbm Rohmaterial zu beschaffen gewesen. 
Jeder ausführende Architekt wird wissen, was diese 
Summe besagen will, zumal, wie nochmals betont sein 
mag, damit durchaus und noch lange nicht der Gesamt 
bedarf bezeichnet ist. 
Und das für einen einzigen mäßig großen Tempel,
	        

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