Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

10- November 1906 
BAUZEITUNG 
361 
Aufnahme vom Schloß Kastatt von F. H. Steinhart, Zeichenlehrer in Karlsruhe 
seiner Baukunst der Griechen 
Seite 13 sagt: „Bis zu einem 
gewissen Grade darf man jeden 
Baustil als das Produkt zweier 
Faktoren ansehen; diese sind 
der Genius des Meisters und 
seiner Zeit auf der einen und 
die Beschaffenheit des von der 
Natur gegebenen Materials auf 
der andern Seite.“ Wer dürfte 
wohl annehmen, daß in Elis 
oder den angrenzenden Land 
schaften eine solche üeberfülle 
der stärksten Hölzer je vor 
handen war, daß man sich da 
durch zur Herstellung von 1,14 m 
starken Säulen geradezu ge 
drängt gesehen hätte! 
Alle die Vorstellungen über 
eine solche monumentale Holz 
architektur hat jene eine Holz 
säule hervorgerufen, welche 
Pausanias im Opisthodom des 
Heraion sah, ohne daß er je 
doch über Form und Stärke 
derselben irgendwelche Angabe 
macht; jene Säule, die recht 
gut einem noch älteren Heiligtum der Hera entnommen 
und aus Pietät wieder verwendet sein kann. 
Gewiß: Dörpfelds Beweisführung ist scharfsinnig, der 
Ring seiner Erörterungen und Folgerungen schließt sich 
logisch und glatt. Sie stehen aber im Widerspruch mit 
allen Erfahrungen des praktischen Architekten, dieser hat 
daher wohl ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Es wäre 
erwünscht, wenn die Fachgenossen sich dieser gewiß inter 
essanten Frage annehmen wollten. 
Braunschweig. Baurat Prof. G. Bohnsack. 
Die Synnadamarmorbrüclie in Klemasien 
Die alte phrygische Stadt Synnada, berühmt durch 
ihren Marmor, lag in der Nähe des heutigen Afium- 
Karahissar, einer sehr lebhaften türkischen Industrie- und 
Handelsstadt. Heute ist Synnada nur noch ein kleines 
Dorf. Der Marmor wurde auch vielfach nach dem be 
nachbarten Orte Docimenium benannt. Wenn wir also 
von Synnadamarmor, von docimenischem oder phrygischem 
Marmor sprechen, so ist immer dasselbe Material ge 
meint. Es ist bemerkenswert, daß diese berühmten 
Marmorbrüche seit der Römerzeit fast unberührt ge 
blieben sind. Nach Tenier, einem französischen Gelehrten, 
welcher die Steinbrüche vor einigen Jahren besuchte, 
wurden dieselben während der Regierung der byzanti 
nischen Kaiser abgebaut. Doch erreichten sie ihre größte 
Entwicklung unter den Römern, welche eine große Quan 
tität des Marmors nach Italien brachten. In Rom kann 
man denselben noch in der St. Pauls-Kirche sehen, und 
in der großen Moschee St. Sophia in Konstantinopel sind 
abwechselnd Paneele von rotem Pavonazetto aus Synnada 
und Verde Antico verwendet. Im Museum in Konstan 
tinopel ist ferner der berühmte Sarkophag Alexanders zu 
sehen, welcher anscheinend aus weißem Synnadamarmor 
besteht und ein Meisterwerk der Bildhauerkunst ist. — 
Der Reisende wird durch die Anzahl und Größe der 
früheren Baue und die Ungeheuern Trümmerhaufen über 
rascht. Der große Steinbruch Buyuk-Arylik hat das 
Aussehen einer Schlucht am Abhange des Berges, obwohl 
er das Werk des Hammers und Meißels ist, deren Spuren 
noch deutlich an allen Seiten zu sehen sind. 
Die Steinbrüche bedecken insgesamt einen Flächen- 
raum von etwas mehr als 2 km Länge und 1 km Breite. 
Die Gesamtmasse des Marmorgebirges ist von basaltischem 
und trachytischem Gestein umgeben, welche die vor 
herrschenden geologischen Charakteristika der ganzen 
Region bilden. 
Der Marmor ist ein in hohem Mäße kristallinischer 
Kalkstein von bemerkenswerter Reinheit. Die vor 
herrschende Farbe ist Weiß, schwach geädert mit Siena, 
Orange oder Graublau. Statuenmarmor wird ebenfalls 
gefunden und zeigt, wenn er poliert wird, ein durch 
scheinendes Aussehen und hohen Glanz. Andre Arten 
sind rot und purpurn geäderter Pavonazetto, schöner 
orange geäderter Marmor und eine kürzlich entdeckte 
rosa oder fleischfarben gefärbte Varietät. 
Die Marmorbrüche können sowohl von Konstantinopel 
als von Smyrna aus in zwei Tagen vermittelst der nach 
Afium-Karahissar führenden Eisenbahn erreicht werden. 
Die Entfernungen betragen 390 bezw. 440 km. Jetzt, da 
die beiden Eisenbahnen deri Wiederabbau dieser beiden 
Marmorbrüche in das Bereich der kommerziellen Möglich 
keit rücken, ist zu erwarten, daß auch in den europäischen 
Städten wieder Synnadamarmor erscheinen wird. (Die 
Brüche wurden, wie früher gemeldet wurde, anfangs der 
neunziger Jahre bereits von einem Franzosen namens 
Swyter betrieben, der auch schon Probeladungen dieses 
Gesteins nach München und andern europäischen Plätzen 
gebracht hatte. Infolge der ungünstigen Transportverhält 
nisse mußte aber der Betrieb wieder eingestellt werden.) 
Auch die Wiederentdeckung und der Wiederabbau der 
lange verlorenen Verde Antico-Marmorbrüche in Griechen 
land durch den Engländer W. Brindley ist ein Ereignis, 
dessen Bedeutung für die gesamte moderne Steinindustrie 
und das Bauwesen nicht unterschätzt werden darf. Es 
werden nun berühmte Marmorsorten weit zurückliegender 
Zeiten der modernen Kultur erschlossen. B. O. 
Das Eisen im Baufach 
Seitdem man die gewiß interessante Beobachtung 
gemacht, daß Eisen, wenn es ringsum von Beton ein- 
geschlosseu ist, nicht rostet, so daß man die Verbindung 
von Eisen mit Beton unter gewissen Bedingungen als 
unzerstörbar bezeichnen kann, ist es nur selbstverständ 
lich, daß die Bautechniker derartigen Konstruktionen 
immer mehr ihr Augenmerk zuwenden, immer neue 
Möglichkeiten suchen, welche eine Verwendung von Eisen 
beton gestatten. Tragpfeiler, sowohl im Gebäude als
	        

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