10- November 1906
BAUZEITUNG
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Aufnahme vom Schloß Kastatt von F. H. Steinhart, Zeichenlehrer in Karlsruhe
seiner Baukunst der Griechen
Seite 13 sagt: „Bis zu einem
gewissen Grade darf man jeden
Baustil als das Produkt zweier
Faktoren ansehen; diese sind
der Genius des Meisters und
seiner Zeit auf der einen und
die Beschaffenheit des von der
Natur gegebenen Materials auf
der andern Seite.“ Wer dürfte
wohl annehmen, daß in Elis
oder den angrenzenden Land
schaften eine solche üeberfülle
der stärksten Hölzer je vor
handen war, daß man sich da
durch zur Herstellung von 1,14 m
starken Säulen geradezu ge
drängt gesehen hätte!
Alle die Vorstellungen über
eine solche monumentale Holz
architektur hat jene eine Holz
säule hervorgerufen, welche
Pausanias im Opisthodom des
Heraion sah, ohne daß er je
doch über Form und Stärke
derselben irgendwelche Angabe
macht; jene Säule, die recht
gut einem noch älteren Heiligtum der Hera entnommen
und aus Pietät wieder verwendet sein kann.
Gewiß: Dörpfelds Beweisführung ist scharfsinnig, der
Ring seiner Erörterungen und Folgerungen schließt sich
logisch und glatt. Sie stehen aber im Widerspruch mit
allen Erfahrungen des praktischen Architekten, dieser hat
daher wohl ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Es wäre
erwünscht, wenn die Fachgenossen sich dieser gewiß inter
essanten Frage annehmen wollten.
Braunschweig. Baurat Prof. G. Bohnsack.
Die Synnadamarmorbrüclie in Klemasien
Die alte phrygische Stadt Synnada, berühmt durch
ihren Marmor, lag in der Nähe des heutigen Afium-
Karahissar, einer sehr lebhaften türkischen Industrie- und
Handelsstadt. Heute ist Synnada nur noch ein kleines
Dorf. Der Marmor wurde auch vielfach nach dem be
nachbarten Orte Docimenium benannt. Wenn wir also
von Synnadamarmor, von docimenischem oder phrygischem
Marmor sprechen, so ist immer dasselbe Material ge
meint. Es ist bemerkenswert, daß diese berühmten
Marmorbrüche seit der Römerzeit fast unberührt ge
blieben sind. Nach Tenier, einem französischen Gelehrten,
welcher die Steinbrüche vor einigen Jahren besuchte,
wurden dieselben während der Regierung der byzanti
nischen Kaiser abgebaut. Doch erreichten sie ihre größte
Entwicklung unter den Römern, welche eine große Quan
tität des Marmors nach Italien brachten. In Rom kann
man denselben noch in der St. Pauls-Kirche sehen, und
in der großen Moschee St. Sophia in Konstantinopel sind
abwechselnd Paneele von rotem Pavonazetto aus Synnada
und Verde Antico verwendet. Im Museum in Konstan
tinopel ist ferner der berühmte Sarkophag Alexanders zu
sehen, welcher anscheinend aus weißem Synnadamarmor
besteht und ein Meisterwerk der Bildhauerkunst ist. —
Der Reisende wird durch die Anzahl und Größe der
früheren Baue und die Ungeheuern Trümmerhaufen über
rascht. Der große Steinbruch Buyuk-Arylik hat das
Aussehen einer Schlucht am Abhange des Berges, obwohl
er das Werk des Hammers und Meißels ist, deren Spuren
noch deutlich an allen Seiten zu sehen sind.
Die Steinbrüche bedecken insgesamt einen Flächen-
raum von etwas mehr als 2 km Länge und 1 km Breite.
Die Gesamtmasse des Marmorgebirges ist von basaltischem
und trachytischem Gestein umgeben, welche die vor
herrschenden geologischen Charakteristika der ganzen
Region bilden.
Der Marmor ist ein in hohem Mäße kristallinischer
Kalkstein von bemerkenswerter Reinheit. Die vor
herrschende Farbe ist Weiß, schwach geädert mit Siena,
Orange oder Graublau. Statuenmarmor wird ebenfalls
gefunden und zeigt, wenn er poliert wird, ein durch
scheinendes Aussehen und hohen Glanz. Andre Arten
sind rot und purpurn geäderter Pavonazetto, schöner
orange geäderter Marmor und eine kürzlich entdeckte
rosa oder fleischfarben gefärbte Varietät.
Die Marmorbrüche können sowohl von Konstantinopel
als von Smyrna aus in zwei Tagen vermittelst der nach
Afium-Karahissar führenden Eisenbahn erreicht werden.
Die Entfernungen betragen 390 bezw. 440 km. Jetzt, da
die beiden Eisenbahnen deri Wiederabbau dieser beiden
Marmorbrüche in das Bereich der kommerziellen Möglich
keit rücken, ist zu erwarten, daß auch in den europäischen
Städten wieder Synnadamarmor erscheinen wird. (Die
Brüche wurden, wie früher gemeldet wurde, anfangs der
neunziger Jahre bereits von einem Franzosen namens
Swyter betrieben, der auch schon Probeladungen dieses
Gesteins nach München und andern europäischen Plätzen
gebracht hatte. Infolge der ungünstigen Transportverhält
nisse mußte aber der Betrieb wieder eingestellt werden.)
Auch die Wiederentdeckung und der Wiederabbau der
lange verlorenen Verde Antico-Marmorbrüche in Griechen
land durch den Engländer W. Brindley ist ein Ereignis,
dessen Bedeutung für die gesamte moderne Steinindustrie
und das Bauwesen nicht unterschätzt werden darf. Es
werden nun berühmte Marmorsorten weit zurückliegender
Zeiten der modernen Kultur erschlossen. B. O.
Das Eisen im Baufach
Seitdem man die gewiß interessante Beobachtung
gemacht, daß Eisen, wenn es ringsum von Beton ein-
geschlosseu ist, nicht rostet, so daß man die Verbindung
von Eisen mit Beton unter gewissen Bedingungen als
unzerstörbar bezeichnen kann, ist es nur selbstverständ
lich, daß die Bautechniker derartigen Konstruktionen
immer mehr ihr Augenmerk zuwenden, immer neue
Möglichkeiten suchen, welche eine Verwendung von Eisen
beton gestatten. Tragpfeiler, sowohl im Gebäude als