Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

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BAUZEITUNG 
NR. 4 
die Ansicht der Kommission (zur Beratung des B. G. B.) 
gewesen sei, zeige das in derselben angeführte Beispiel, 
daß ein Grundbesitzer sich nicht den freien Ausblick 
zum Himmel durch Telegraphendrähte verkümmern zu 
lassen brauche. — Der Kläger sei auch nicht verpflichtet 
gewesen, sich darüber zu erklären, in welcher Höhe über 
seinem Hause er die elektrische Leitung dulden wolle. 
Die Einschränkung des Eigentümers in Satz 2 des § 905 
enthalte eine Ausnahmsvorschrift gegenüber der in Satz 1 
aufgestellten Kegel der unbeschränkten Yerfügungsbefugnis 
des Grundeigentümers auch über den Raum über der 
Oberfläche und den Erdkörper unter der Oberfläche seines 
Grundstücks. Wer die Ausnahme für sich in Anspruch 
nehme, habe sie zu beweisen; die Beklagte könne daher vom 
Grundeigentümer nicht verlangen, daß er selber seinem 
Yerfügungsrecht eine bestimmte Grenze ziehe. —x. 
ÜBER DIE GARTENSTADT 
sprach am 17. Januar Herr Beenhaed Kampffmetee 
im Württembergischen Kunstgewerbeverein. „Ueber- 
teuerung der Grund- und Bodenpreise durch die Privat 
spekulation machen eine Dezentralisation unsrer Groß 
städte im Interesse des einzelnen wie der Industrie 
wünschenswert. Private Unternehmungen haben sich 
dieses Bedürfnis bereits zunutze gemacht und stadtähn 
liche Terrainerschließungen vorgenommen; als ein Beispiel 
unter mehreren sei das Terrainunternehmen Neuhof bei 
Hamburg erwähnt, das ein Gebiet von der halben Größe 
des bebauten Hamburgs in Händen hat und planmäßig 
der Bebauung erschließt. Wünschenswert wäre es, der 
artige Unternehmungen von weittragender volkswirtschaft 
licher Bedeutung nicht der Privatspekulation zu über 
antworten, sondern sie gemeinnützigen Zwecken dienstbar 
zu machen, wie man das in England durch die Gründung 
sogenannter Gartenstädte bereits unternommen hat. Man 
geht dabei darauf aus, große Landankäufe in einiger 
Entfernung von der Großstadt, aber an Yerkehrslinien 
liegend, durch eine gemeinnützige Gesellschaft zu kaufen 
und dort planmäßige Neusiedelungen ins Leben zu rufen. 
Das Terrain erhalten die Ansiedler nur in Erbpacht von 
der Gesellschaft; durch geeignete Bestimmungen bleibt 
die Privatspekulation zugunsten des Ganzen ausgeschlossen. 
Um derartige Unternehmungen in größerem Maßstabe ver 
wirklichen zu können, müßten vor allem größere Industrie 
betriebe den Kern einer solchen Neugründung geben. Der 
geringe Wert des Grund und Bodens würde es ermög 
lichen, größere Flächen für Parks, Gärten u. s. w. unbebaut 
zu lassen — daher der oft mißdeutete Name Garten 
stadt*. In England hat der Fabrikant Cadbury eine 
solche Gartenstadt, Bourneville, ins Leben gerufen und 
später zu einer gemeinnützigen Gesellschaft umgewandelt. 
Die Bebauung lag in den Händen eines tüchtigen Archi 
tekten, Harvey, von dessen Leistungen die im Lichtbild 
vorgeführten Wohnbäuschen Bournevilles einige Proben 
gaben. Eine zweite größere Gartenstadt ist jetzt in 
England im Entstehen begriffen. Die Deutsche Garten 
stadtgesellschaft ist zunächst eine Propagandagesellschaft, 
doch sind in nächster Zeit auch in Deutschland Verwirk 
lichungen der Gartenstadtidee zu erwarten.“ 
Am 13. Februar wird Prof. P. BEHEENS-Düsseldorf über 
das Thema „Architekt und Künstler“ sprechen. Schm. 
ZUR TITELÄNDERUNG DER WÜRTTEM 
BERGISCHEN VERKEHRSBEAMTEN 
schreibt man uns: Die neuen Titel der Verkehrsanstalten 
beamten in Verbindung mit teilweiser Aenderung des 
Rangs wurden allgemein auf Neujahr erwartet. Diese 
Erwartung hat sich nicht erfüllt. Soviel man hört, 
ruht der bezügliche Antrag des Verkehrsministers schon 
seit Jahresfrist im Schoße des Gesamtstaatsrainisteriums. 
Nachdem in den letzten Jahren für die Beamten der 
andern Departements vielfach neue Titel geschaffen wur 
den, wäre es ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit, wenn 
auch diese Frage bei den Verkehrsanstalten endlich ge 
löst und der Herr Ressortminister in den Stand gesetzt 
würde, die in wohlwollender Weise seinen Beamten zu 
gedachte Revision der Titel u. s. w. in Bälde in die Tat 
umsetzen zu können. Der Dank aller, namentlich aber 
der mittleren Eisenbahnbeamten des technischen Dienstes, 
welche in erster Linie unter den ungleichen Verhältnissen 
leiden, wäre dem Staatsministerium sicher. 
VEREINSMITTEILUNGEN 
WÜETTEMBEEGISCHEE BäUBEAMTEN- VeEEIN. EintrittS- 
erklärung von Herrn Stadtbaumeister Lang in Langenau. 
Willkommen! Der Vorstand. 
Akademisches Aechitektenybebin „Motiv“ zu Stutt- 
gaet. In der Versammlung vom 12. Januar hielt unser 
Alter Herr Regierungsbaumeister Ai,feed Bihl einen 
Vortrag über „Moderne Tiergärten“. Von der Stuttgarter 
Tiergartenfrage ausgehend, führte Redner etwa folgendes 
aus: An die zoologischen Gärten stelle mau heute viel 
größere Anforderungen, als sie sehr viele selbst der be 
deutenderen Tiergärten tatsächlich erfüllen. Die Be 
hausungen und Käfige tragen meist den Lebensbedin 
gungen der Tiere nicht genügend Rechnung, was oft die 
Ursache ihres Zugrundegehens sei. Mustergültig in dieser 
Hinsicht angelegt seien der im Entstehen begriffene 
Hagenbecksche Tiergarten bei Hamburg und der größte 
Tiergarten der Welt, der New-Yorker (105 ha), welche 
die Eigenart der Tiere in weitestgehendem Maße be 
rücksichtigen und diese dem Besucher unter denselben 
äußeren Verhältnissen vor Augen führen, unter denen 
sie in der Freiheit heranwachsen. Vorbedingung hierfür 
sei ein möglichst abwechslungsreiches Gelände von hin 
reichender Ausdehnung mit natürlichen Wasserläufen. 
Nur ein in diesem Sinn modern angelegter Tiergarten 
biete für Stuttgart die Gewähr der Rentabilität durch 
Fremdenbesuch, während er zugleich dem immer mehr 
an Bedeutung gewinnenden Anschauungsunterricht nach 
der Natur entgegenkomme. Ein dauernder Besuch durch 
die Einheimischen müsse durch sonstige Veranstaltungen 
aller Art gesichert werden. Bei der Besprechung der 
für den Stuttgarter Tiergarten vorgeschlagenen Plätze 
unter Berücksichtigung der hierbei in Betracht kommen 
den Fragen glaubt Redner nur den Rosensteinpark und 
den Platz in der Heidenklinge als geeignet bezeichnen 
zu dürfen. Besonders der letztere mit seinen sonnigen 
Bergabhängen und geschützten Niederungen wäre in 
hervorragendem Maße zur Anlage eines Tiergartens in 
obenangeführtem Sinn geeignet. Denkt man sich an 
schließend an denselben das romantische Tal der Wasser 
fälle bis zur Wildparkstation mit wenig Kosten zu einem 
botanischen Park ausgebildet, in dem die heimische Flora 
gepflegt würde — nicht in engen Beeten zusammen 
gedrängt, sondern frei sich entfaltend an waldigen 
Hängen und sonnigen Rainen —, so wäre hier an dem 
einen Ende des Stuttgarter Tales eine städtische Anlage 
geschaffen, die, vereint mit den Kgl. Parkanlagen am 
andern Ende des Tales, dazu beitragen dürfte, unsrer 
Stadt den vielgerühmten landschaftlichen Charakter zu 
bewahren, und die zugleich Stuttgart um eine eigenartige 
Sehenswürdigkeit bereichern würde, um die uns viele 
Städte beneiden müßten. Zahlreiche Pläne verschiedener 
Tiergärten und das Projekt der Architekten Bihl & Woltz 
zu einem Tiergarten in der Heidenklinge dienten zur 
Erläuterung des von reichem Beifall belohnten Vortrags. 
Anschließend fand die Besprechung der eingelaufenen 
Konkurrenzentwürfe für eine Einladungskarte zum dies 
jährigen Stiftungsfest am 25. Januar statt. Das Preis 
gericht erkannte dem Mitglied A. Kemptee als Verfasser 
der besten Arbeit den vom Altherrenverband gestifteten 
Preis, dem Mitglied 0. Lohe ein Diplom zu.
	        

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