27. JANUAR 1906
BAUZEITUNG
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Auf dem Motivabend am 19. Januar, im Mozartsaal der
Liederhalle, sprach Dr. Franck-Obeeaspach über die
Frage; „Besitzen wir eine Heimatkunst?“ Dem zeit
gemäßen, durch eine Menge 'Lichtbilder vorzüglich
illustrierten Vertrag folgten die sehr zahlreich erschie
nenen Mitglieder und Freunde des Vereins mit gespannter
Aufmerksamkeit. (Der Vortrag seihst wird in einer der
nächsten Nummern der „Bauzeitung“ zum Abdruck ge
langen.) Unter den Gästen des Abends konnten in erster
Linie der Vorstand der Lehr- und Versuchswerkstätte
der Kunstgewerbeschule, Professor Pankok, die Pro
fessoren v. Beider und Rochga sowie Architekt Assistent
Bonatz begrüßt werden. An den Vortrag schloß sich
ein reger Gedankenaustausch, der manches Für und Wider
zutage förderte und auch noch in den nachfolgenden ge
selligen Teil des Abends seine Wellen schlug, ein Beweis,
mit welchem Interesse die Fülle von Gedanken ergriffen
wurde, welche die packenden Ausführungen des Vor
tragenden ausgelöst hatten.
Bauhütte Stuttgart. In den letzten Versammlungen
der Bauhütte hielt Baurat Schmie zwei Vorträge über
Betoneisenkonstruktionen. Nach einer geschichtlichen Ein
leitung stellte der Vortragende fest, daß das neue Gebiet
des Bauwesens längst den Anfangsentwicklungen, dem
unsicheren Versuchsgebiet entrückt ist, daß man es mit
einer ausgebildeten Bauweise zu tun hat, für welche
reiche praktische Erfahrungen, eingehende wissenschaft
liche Untersuchungen und auch schon brauchbare theo
retische Berechnungen die volle Gewähr dauernd guten
Erfolges geben, wofern die allgemeinen anerkannten
Hegeln dieses Teiles der Baukunst eingehalten werden.
Im weiteren Verlauf der im wesentlichen auf fachtech
nischem Gebiete sich bewegenden Darlegung teilt der
Redner mit, daß für noch ausgedehntere und eingehendere
Untersuchungen von Baukonstruktionen aus Beton und
Betoneisen in dem neuen Etat für das Reichsschatzamt
20 000 M. als erste Rate vorgesehen seien. Die Unter
suchungen sollen unter Mitwirkung der Reichs- und
Staatsbehörden und unter Aufsicht des preußischen
Ministeriums der öffentlichen Arbeiten vorgenommen
werden. Die durch diese Untersuchungen entstehenden
Gesamtkosten sind auf 125 000 M. veranschlagt, zu denen
der Deutsche Betonverein und der Verein deutscher
Portlandzementfabrikanten je 10000 M. beisteuern wollen.
WETTBEWERBE
In dem Wettbewerb bete. Entwürfe für die Um
gestaltung des Küepaekes in Wiesbaden erhielten;
den I. Preis Herr Gartendirektor Trip in Hannover, den
II. Preis Herr Gartenarchitekt Reinhard in Düsseldorf,
den III. Preis Herr Garteninspektor Jung in Köln,
4 Entwürfe, darunter ein Entwurf der Gartenarchitekten
Möhl & Schnizlein in München, wurden zum Ankauf
empfohlen.
KLEINE MITTEILUNGEN
Stuttgart. In den Räumen des Württembergischen
Kunstgewerbevereins im Landesgewerbemuseum findet
seit letztem Sonntag eine Ausstellung Paul Haüstein-
scher Arbeiten statt: 2 Zimmer und eine große Anzahl
kunstgewerblicher Gegenstände. Wir kommen auf diese
Ausstellung in der nächsten Nummer zurück, in der wir
einige Arbeiten von Paul Haustein veröffentlichen werden.
Die Ausstellung ist bis Mitte Februar täglich von 10—12
und 2—5 Uhr geöffnet. Nach ihr sind vorläufig in Aus
sicht genommen: eine Ausstellung von Photographien
alter Gemälde sowie Sonderausstellungen von Peter
Behrens und Felix Hollenbeeg. Schm.
WÜRTTEMBEEGISCHER KUNSTVEREIN STUTTGART. Neu aus
gestellt: Sisyphus, Alte Leute von Otto Rauth; Nach dem
Begräbnis von M. Buri; Kartoffelernte in Ahrenshoop,
Mittag am Bodden von Heinr. Rasch; Landschaft von
Otto Strützel; 3 Porträts, Junge Flamländerin, Diele im
Schloß Alfdorf, 2 Rötelzeichnungen von Paul Huber;
Rosenpforte, Im Frühling von G. Ley; Sommerabend,
Spätsommer, 3 Studien von Otto Jung; Sinfonie (10 Ra
dierungen) von CI. Hensel; Originalradierung von Willi.
Legier; 15 Originallithographien von Herrn. Sandkuhl;
Schäfer (Bronze) von Ernst Bernardien; u. s. w.
Hofthbaterneübaü in Stuttgart. Die Zweite Kammer
hat in ihrer Sitzung vom 23. Januar den Gesetzentwurf
betreffend die Errichtung eines neuen Königlichen Hof
theaters beraten und mit sämtlichen 76 abgegebenen
Stimmen die Kostenanschläge angenommen, wonach als
Beitrag zu den Baukosten des Interimtheaters 350 000 M.
und für die Errichtung eines neuen Hoftheaters (Opern
haus) einschließlich des Inventars 4 Millionen (eingerechnet
die Brandentschädigung für das abgebrannte Hoftheater
von 1062 248 M.) als Höchstsumme bestimmt werden.
Die Stadtverwaltung von Stuttgart stellt auf Grund eines
mit der Kronverwaltung abgeschlossenen Vertrages für
den Fall der Errichtung eines Opernhauses und des Ab
gängigwerdens des Interimtheaters sowie unter gewissen
Kautelen, besonders hinsichtlich der Platzfrage, jedenfalls
aber innerhalb 20 Jahren, 1 200 000 M. für die Erstellung
eines Schauspielhauses zur Verfügung.
Neues Waisenhaus in Stuttgart. In der Vorhalle des
Landesgewerbemuseums, rechts vom Eingang, ist bis
3. Februar das Modell für das neue Waisenhaus auf der
Feuerbacher Heide ausgestellt, eine großzügige Anlage
von Prof. Theodor Fischer. Es handelt sich um einen
Gebäudekomplex und um einen durch Terrassen geglie
derten Hof. Zur Rechten, beim Eingang, liegt zunächst
das Wohnhaus für die beiden Vorstände; ein Verbindungs
gang vermittelt den Verkehr zwischen diesem und dem
Hauptgebäude. Dieses besteht aus einem langen Trakt
am Feuerbacher Weg mit Küche, Bad und Kesselhaus
im Untergeschoß, Wohn- und Speiseräumen sowie den
Kanzleien im Erdgeschoß und im 1. Stock und den Schlaf
sälen im 2. Obergeschoß. Senkrecht zu diesem Trakt
steht ein Querbau, der hauptsächlich Schulräumlichkeiten,
außerdem einen großen Schlafsaal und eine Dachwohnung
birgt. Diesen schneidet im rechten Winkel der Betsaal
bau ; die Kirche, die den Raum vom Erdgeschoß bis zum
1. Stock einnimmt, dient auch als Festsaal, unter ihr
liegt der Turnsaal; gegen den Spielhof, den niederst ge
legenen Teil des großen Hofs, gibt eine Apsis Raum für
die Orgel. Die Halle im Untergeschoß ist zur Aufnahme
eines Brunnens vorgesehen. Auf der Nordseite des Bet
saals unter den großen Fenstern des Zeichensaals steht
ein kleines Haus für die Wäscherei und Stallungen, dabei
eine Terrasse mit dem Stallhof. Vom Betsaalbau führt
ein Arkädengang zu einem langgestreckten Gebäude für
die Werkstätten, die Schreinerei, Schusterei und Schnei
derei. Im 1. Stock sind hier noch zwei geräumige Lehrer
wohnungen untergebracht. Zwischen dem Werkstätten
gebäude und der Kegelbahn besteht ein 2. Hofeingang.
In dieser Ecke des Hofs liegt auch der Eingang zur
Krankenabteilung, die einen Teil des Erdgeschosses im
Werkstättengebäude und das an dieses gegen Osten an
stoßende Gebäude einnimmt. Auf dem talwärts liegenden
Teil des Areals gewährt ein großer Obstgarten der Jugend
Gelegenheit zur landwirtschaftlichen Betätigung, vielleicht
auch zu Kletterübungen in unbewachten Augenblicken.
Mit dem Bau soll begonnen werden, sobald die nötigen
Mittel flüssig werden.
Wilhelms-Hospital. Am 16. Januar wurde in Stuttgart
das neue Krankenhaus der evangelischen Diakonissen
anstalt, das sich auf dem Platz der ehemaligen Gas
anstalt an der Rosenbergstraße als stattlicher Bau erhebt,
eröffnet. Es erhielt mit Genehmigung des Königs den
Namen Wilhelms-Hospital. Die stattliche Front des Ge