Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

FÜR WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN EL 
SAS S-LOTHRINGEN 
Inhalt: Landhaus und Landhaus-Architektur. — Abbildungen aus Haenel-Tsoharmann „Das Einzelwohn 
haus der Neuzeit“. — lieber Kunst im Städtebau. — Die Feuerfestigkeit armierten Betons. •— Wett 
bewerb Deutsches Museum München. — Hebung und Schiebung von Gebäuden. — Vereinsmitteilungeu. 
— Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — Anfragen. — Briefkasten. 
Alle Rechte Vorbehalten 
Landhaus und Landhaus-Architektur 
Von Dr. Heinrich Pudor 
Seit dem Beginn des Industriezeitalters spricht man 
von dem unaufhaltsamen Zug in die Stadt. Seit den 
letzten Jahren aber kann man mit ebensoviel Recht von 
einem Zug auf das Land sprechen. Jener ging wesent 
lich die Landbewohner an, dieser betrifft die Städter. 
Und dieser Zug aufs Land, den man auch als einen ehren 
vollen Rückzug 
aufs Land be 
zeichnen kann, 
geht einerseits 
aus der naturnot- 
w endigen Reak 
tion gegen die so 
schnellerfolgteln- 
dustrialisierung 
und dieüebervöl- 
kerung der Groß 
städte hervor, 
anderseits aber 
aus dem lebhaft 
erwachten Trieb 
nach Rückkehr 
zur Natur und 
zu einem einiger 
maßen natür 
lichen hygienisch 
einwandfreien 
Leben. Gerade 
dasLandhausund 
Landleben sind 
geeignet, den un 
heilvollen Riß zwi 
schen Natur und 
Kultur zu schlie 
ßen und die letz 
tere ihren Wurzeln, eben der Natur, wieder näher 
zubringen. 
Vor allem muß man sich darüber klar sein, daß diese 
Land- und Landhauskultur nichts mit der Bauernkultur 
und dem Bauernhaus zu tun hat. Denn der Bauer ist 
landeingeboren und berufsmäßiger Landbewohner und 
Landbauer. Bei dem hier in Krage kommenden Gegenstand 
handelt es sich dagegen um Städter, die in der Stadt 
ihren Beruf haben oder jedenfalls städtisches Gewerbe 
treiben, die aber ihr Beim, das mit ihrem Beruf nichts 
zu tun hat, auf dem Lande aufschlagen. Die bisherige 
Landkulturbewegung hatte darunter zu leiden, daß sie 
diese beiden scharf zu trennenden Gebiete miteinander 
verquickte und den Städter verbauern wollte. Bauern 
häuser, Bauernkunst, Bauernstil, Bauernsitten und -ge 
brauche auf die städtische Kultur übertragen können 
aber nicht anders 
als fratzenhaft 
wirken und den 
Charakter von 
Karikaturen an 
sich tragen. Man 
kann den Men 
schen nicht re 
generieren, indem 
man ihn auf den 
Kopf stellt, und 
man kann den 
Städter nicht re 
generieren, indem 
man ihn zum 
Bauern macht. 
Er muß auf den 
Füßen bleiben 
und Städter blei 
ben, aber die 
städtische Kultur 
selbst muß „hy- 
gienisiert“ (sit 
venia verbo) und 
naturalisiert wer 
den, und die Stadt 
selbst muß mehr 
und mehr, wie in 
der City von Lon 
don, zum Sitz der Bureaus und Geschäftsräume werden, 
während die Wohnung außerhalb des Stadtkreises auf 
dem Lande aufgeschlagen wird. In London ist daher 
auch schon bis zu einem gewissen Grade die Land 
hausfrage gelöst worden. Das erste und wichtigste Er 
fordernis, das an ein Landhaus vom Gesichtspunkt der 
Landkultur aus zu stellen ist, daß es nämlich Ein 
familienhaus sei, ist hier erfüllt. Bei uns herrscht 
noch immer das gefängnisartige Mietsetagensystem, das 
selbst auf die Villen in Anwendung gebracht worden ist. 
Landhaus Hägele bei Geislingen, Preis 100 000 M., d. i. Ü3,30 M. pro cbm. Architekt Reg.-Baumstr. 
H. Eberhardt, Frankfurt a. M. Aus Haenel-Tscharmann „Das Einzelwohnhaus der Neuzeit“
	        
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