FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN*
Inhalt: Fortschritte im Bau weitgesprengter flacher massiver Gewölbe. — V. de Pay Kurveusammler.
Entwurf zu einem Wohnhaus. —■ Vom Holzmarkt. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. —
Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher.
•'HAUfiTKIN.
Alle Rechte Vorbehalten
Fortschritte im Bau weitgesprengter flacher massiver Gewölbe
Von Landesbaurat L e i b b r a n d - Sigmaringen
Wir geben nachstehend die Ausführungen des Lan
desbaurats Leibbrand aus seinem auf der diesjährigen
Wanderversammlung der deutschen Architekten- und
Ingenieurvereine in Mannheim gehaltenen Vortrag nach
den Aufzeichnungen unsres Spezialberichterstatters in
ihren Hauptpunkten wieder.
Der Redner weist zunächst darauf hin, daß dem
gegenwärtig so hoch entwickelten Brückenbau in Eisen
in den letzten Jahrzehnten der längere Zeit vernachlässigte
Bau massiver Brücken wieder als ebenbürtiger, in mancher
Beziehung sogar überlegener Konkurrent an die Seite ge
treten ist, und fährt dann fort; Die Fortschritte auf
diesem Gebiet, die in letzter Zeit das größte Interesse der
Technikerwelt in Anspruch nehmen, werden am besten
dadurch gekennzeichnet, daß der einzigen vor 1885 in
Deutschland vorhandenen Massivbrücke von über 40 m
Weite heute über 40 solcher Ausführungen gegenüberstehen
mit Spannweiten bis 90 m Weite und zum großen Teil
sehr kleinen Pfeilverhältnissen von */ 8 bis l lu, deren An
wendung man früher nicht wagte. Wohldurchgearbeitete
Konkurrenzentwürfe für Rhein- und Neckarbrücken mit
Spannweiten von 100 m und mehr zeigen, daß auch die
größten Strombrücken unter schwierigen Verhältnissen
keineswegs der Ausführung in Eisen allein Vorbehalten sind.
Ein Eingehen auf die besonders in die Augen fallende
riesige Entwicklung der Betoneisengewölbe verbietet für
heute die Menge des zu bewältigenden Stoffs. Die Mög
lichkeit der Aufnahme von Druck und Zug bei diesen
Konstruktionen lassen sie den reinen Eisenbauten ver
wandter erscheinen, als den Gewölben im engem Sinn.
Es sei jedoch nicht unerwähnt, daß die Betoneisenbrücken
an sich durchaus nicht wirtschaftlicher als reiner Stein
oder Betonbau sind. Die leichtere Ausbildung, besonders
aber die oft angewandte Auflösung in einzelne Tragbögen
bei diesen Bauten hebt den größten Vorteil der Massiv
brücken, der Verkehrslast ein großes Eigengewicht ge
schlossen entgegenzusetzen, wieder auf; ebenso werden
Temperatureinflüsse bei leichteren Massen fühlbarer. Nur
bei sehr wenig tragfähigem Baugrund sind leichtere Kon
struktionen unter Umständen wirtschaftlicher.
Die bemerkenswertesten Fortschritte im Bau weit
gesprengter Flachbrücken, auf deren Behandlung sich der
gegenwärtige Vortrag im wesentlichen beschränken muß,
gründen sich hauptsächlich auf folgende Punkte: Ein
gehende Ausbildung der Theorie, höhere Materialbean
spruchung und damit die Möglichkeit, viel flachere Pfeil
verhältnisse als früher anzuwenden, Anwendung von
Gelenken, Aussparen von Fugen während des Wölbens,
Bau auf schlechtem Grund unter Verwendung verlorener
Widerlager, geschickte Ausnutzung der Lehrgerüste durch
mehrfache Wiederverwendung, Fortschritte in der Beton-
und Mörtelbereitung, Verkürzung der Bauzeit durch
leistungsfähige Unternehmer und endlich nicht zum ge
ringsten ästhetische Durchbildung von Formgebung und
Schmuck.
Zum Vergleich sei ein kurzer Rückblick auf die Ent
wicklung des Steinbrückenbaues in früherer Zeit gegeben.
Die ersten Meister der Wölbekunst, Etrusker und
Römer, erreichen mit ihren stets halbkreisförmig aus
geführten Bauten Weiten bis 36 m. Die Brücken des
Mittelalters folgen im wesentlichen ihrem Vorbild. Mäßige
Spannweiten bei schweren Pfeilern sind die Hauptmerk
male.
Ausgangs des Mittelalters entstehen einige für die
damalige Zeit überaus kühne Bauten. Die 1370—1377
erbaute, später zerstörte Addabrücke bei Trezzo hatte
bei 2,25 m Scheitelstärke 72,25 m Weite und 20,70 m
Pfeil.
Die fortschreitende Entwicklung bis zum Ende des
18. Jahrhunderts findet in den mustergültigen Bauten des
genialen Franzosen Perronnet den hervorragendsten Aus
druck. Unter den von ihm geschaffenen Brücken ist die
bekannteste die Seinebrücke bei Neuilly mit fünf Korb
bogen von 39 m Weite und 48,7 m Scheitelhalbmesser.
In den ersten acht Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
läßt der immer mehr in Aufnahme kommende Eisenbau
nur wenige große Steinbrücken zur Ausführung kommen,
trotz entschiedener theoretischer wie praktischer Fort
schritte. Der bemerkenswerteste Bau aus dieser Zeit
ist die 1860—1862 erbaute Cabin-John-Brücke bei
Washington mit 67,06 m Spannweite und 14,47 m Pfeil.
Mit Anfang der achtziger Jahre nimmt der Stein-
hrückenbau in Deutschland einen neuen Anlauf. Männer
wie Koch in Ulm, Reinhart und Leibbrand in Stuttgart
und Leibbrand in Sigmaringen, in Norddeutschland Köpke,
Tolkmitt und Krone bilden Theorie und Ausführung
sachgemäß weiter.
Durch geeignete Maßregeln bei sorgfältigster Aus
führung wird der Rißbildung bei und nach dem Aus
schalen entgegengearheitet. Die Baustoffe werden ein