15. Dezember 1906
BAUZEITUNG
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bei gelenklosen Brücken in Frage kommenden ge
fährlichen Einflüsse sind schon besprochen.
Bei Gelenkbrücken anderseits haben wir es wiederum
mit zwei in statischer Beziehung grundverschiedenen Aus
bildungen zu tun, je nachdem die Gelenke nach dem
Ausschalen geschlossen werden oder dauernd in Wirksam
keit bleiben.
Es ist ohne weiteres klar, daß bei der erstgenannten
Ausführungsart die beim elastischen Bogen geäußerten
Bedenken zum Teil bestehen bleiben und der erzielte
Vorteil, Schutz der Gelenke gegen Witterungseinflüsse,
mit Erhöhung des Sicherheitskoeffizienten, also größerer
Gewölbstärke, erkauft werden muß. Die Berechnung
derartiger Konstruktionen, deren hervorragendstes Bei
spiel die 70 m weite, 10 m hohe Addabrücke bei Morbegno
Seitenkräfte durch geeignete Ausbildung der Gelenke auf
zunehmen, zum Beispiel bei Bolzengelenken durch ent
sprechend ausgebildete Bunde an den Bolzen oder besser
noch gegen die Mitte zu verdickte Gestaltung der Bolzen.
Zwischen Gelenkstuhl und Gewölbemauerwerk werden
diese Scherkräfte einfach durch entsprechende Form
gebung der Stühle aufgenommen. Statische Bestimmt
heit wird so völlig erreicht.
Die Ausbildung der Gelenke selbst geschieht in Stein,
Beton oder Eisen. Bei kleinen Bauten genügen Blei
platten von etwa 2 cm Stärke in der Breite von 1 / 3 der
Wölbstärke in den Kämpfer- und Scheitelfugen. Koch
verwandte bei der 1887 erbauten, 29 m weiten Beton
brücke bei Erbach Asphaltplatteu in der ganzen Breite
der Fugen.
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Kampfer - 6e/enhfv. Müpho.)
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Schede/ öe/enh.
ist, hat für Eigengewicht als Dreigelenkbogen, für Ver
kehrslast als eingespanntes Gewölbe zu erfolgen. Man
muß sich aber dabei klar sein, daß der Schluß der Ge
lenke statisch ganz unbestimmbare Verhältnisse schafft.
Jedenfalls aber ist es durchaus ungerechtfertigt, in solchen
Fällen dem Gewölbe die für den Dreigelenkbogen er
forderliche, an der Bruchfuge verdickte Form zu geben,
welche nur durch die bei tatsächlicher Wirkung der
Gelenke unter der Verkehrslast ein tretenden Ausschläge
der Drucklinien bedingt ist, wie dies in Munderkingen
geschehen ist.
Die Ausführung mit dauernd offenen Gelenken, welche
alle Unklarheiten bezüglich der Beanspruchung vermeidet,
ist entschieden vorzuziehen und wird nach dem Vorgang
der Inzigkofer Brücke bei großen Flachgewölben jetzt
meist angewandt.
Schiefe Gelenk brücken führen bei der bis jetzt allein
gebräuchlichen staffelförmigen Anordnung, wie zum Bei
spiel in Munderkingen, zu statisch kaum zugänglichen
Systemen. Die hierbei eintretende gegenseitige Lage der
Gelenkachsen läßt eine Drehung nicht zu. Regierungs-
bauführer Leibbrand schlägt deshalb vor, wie bei ge
wöhnlichen Brücken sämtliche Gelenkachsen in eine Gerade
parallel den Kämpferlinien zu verlegen und die bei dieser
Anordnung in Richtung der Gelenkachsen auftretenden
Die Steingelenke bestehen aus hohl und erhaben ge
krümmten Quadern, deren Halbmesser einen der Druck
festigkeit des Materials angepaßten Größenunterschied
aufweisen. Wegen der Unmöglichkeit völlig genauer
Arbeit beim Behauen und Versetzen tritt bei großem
Druck jedoch keine genaue Festlegung der Drucklinie
mehr ein.
Eiserne Gelenke wurden erstmals in Munderkingen
eingelegt. Flußeiserne Stühle tragen dort in den Be
rührungsflächen verschieden gekrümmte Stahlplatten, die
bei Bewegungen des Gewölbes sich aufeinander wälzen.
Die ersten dauernd offenen gußeisernen Gelenke in Inzig-
kofen sind den bei eisernen Brücken üblichen Zapfenlagern
nachgebildet. Von den vielen verschiedenen Anordnungen
sind bei den neuesten Brücken gußstählerne Walzgelenke
mit oder ohne besonderen Stuhl am meisten verwandt.
Sie kommen der Forderung völliger Reibungslosigkeit am
nächsten. Zur Aufnahme der Querkräfte genügt die Ein
lage kleiner Zäpfchen völlig. Aber auch die Bolzen
gelenke drehen sich leicht, wie die Versuche von Föppl
gezeigt haben. Die Ansicht, die Einlage von Gelenken
sei wegen der hohen auftretenden Reibung zwecklos, ent
behrt also der Begründung. Die genannten Unter
suchungen haben gezeigt, daß bei Probegelenken mit
geschmierten Zapfen bei einer sechsfachen Zunahme der