Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1906)

29. Dezember 1906 
BAUZEITUNG 
419 
drücklich die Beachtung der üblichen Bauweise zur 
Pflicht gemacht und namentlich die Anwendung 
städtischer Bauformen untersagt werde. 
Bei Kirchenbauten wird zunächst festzustellen 
sein, was vom alten Bau etwa erhalten werden kann, 
und danach wird sich die weitere Entwurfsbehand 
lung zu richten haben. Die Freilegung der Kirchen 
durch Beseitigung alter Kirchhofsmauern, nahestehen 
der Gebäude oder großer Bäume wird vorher genau 
zu prüfen sein, weil in vielen Fällen durch diese 
Freilegung die Erscheinung der Kirche nicht ge 
hoben, sondern eher beeinträchtigt werden kann. 
Muß ein neuer Bauplatz gewählt werden, so soll 
er möglichst auf einer Anhöhe und so liegen, daß 
er in nicht zu ferner Zeit zum Mittelpunkt der Ort 
schaft werde. 
Die Pfarrei soll an die Kirche zwar nicht un 
mittelbar angebaut, aber mit dieser, wenn tunlich, 
zu einer Baugruppe vereinigt werden; doch muß 
sich das Wohnhaus des Pfarrers mit seinen Neben 
gebäuden neben der Kirche nicht auffällig bemerkbar 
machen. Es wird daher, namentlich wenn die Pfarrei 
zwei Stockwerke erhalten soll, sorgfältig zu beachten 
sein, daß die Gebäudehöhe im richtigen Verhältnis zur 
Höhe der Kirche stehe. 
Gartenarchitekten Gebr. Röthe-Bonn 
Die Schulhäuser erfordern nach den Vorschriften 
helle und luftige Schulsäle sowie genügende Wohnräume 
für den Lehrer. Durch entsprechende Anordnung des 
geräumigen Spielplatzes wird sich jederzeit ein Entwurf 
herstellen lassen, dessen Einfügung in dem Bilde der 
Ortschaft keine Störung hervorruft. Da meistenteils ein 
zweistöckiger Bau auszuführen sein wird, 
so ist Gelegenheit geboten, im Ober 
geschosse den althergebrachten Fach 
werksbau zur Anwendung zu bringen. 
Die äußere Erscheinung aller Bauten 
wird nicht zum geringen Teil durch die 
Bildung des Daches hervorgerufen. In 
Städten, wo Reihenhäuser aufgeführt 
werden und wo besondere Vorschriften 
über die Höhe der Bauten und die Licht 
zuführung geboten sind, ist die An 
wendung flacher Dächer in Holzzement, 
Zinkblech oder Dachpappe meistenteils 
begründet. In ländlichen Ortschaften 
haben die flachen Dächer keine Be 
rechtigung, und ein einziges flaches Dach 
ist imstande, das Bild einer Ortschaft 
dauernd zu beeinträchtigen. Es werden 
daher für die ländlichen Ortschaften die 
altbewährten steilen Satteldächer an 
erster Stelle in Frage kommen. Als Dach 
deckung dienen namentlich gebrannte 
Dachziegel in Form von Hohlziegeln oder 
Gartenarchitekten Gebr. Röthe -Bonn 
Plattziegeln. Auch das Falzziegeldach kann zur An 
wendung kommen, sofern es nicht flacher als ein so 
genanntes Winkeldach gelegt wird. Bei der Eindeckung 
mit Schiefer empfiehlt sich die sogenannte deutsche 
Deckung. Durch Abwalmung der Satteldächer und durch 
Erkerbauten lassen sich die Dachformen sehr wechselnd 
gestalten. 
Anstatt der Hofmauern, die in Verbindung mit hohen 
Torbauten den Eindruck sicherer Abgeschlossenheit her- 
vorrufen, wird in ländlichen Ortschaften vielfach das bei 
städtischen Bauten vorgeschriebene Eisengitter zur An 
wendung gebracht. Auch hierdurch wird eine Störung 
der ländlichen Bauweise verursacht, die leicht vermieden 
werden kann. Erscheint die Hofmauer zu teuer, so wähle 
man einen Lattenzaun zwischen Mauerpfeilern. Auch 
ein gewöhnlicher Zinseizaun fügt sich besser in das Bild 
einer ländlichen Ortschaft ein, als das eiserne Gitter, 
dessen Herstellung nicht etwa billiger ist als eine Hof 
mauer, die vom einheimischen Maurer aus Natursteinen 
hergestellt werden kann. Werden erst mehrfach Bauten 
in der früher üblichen Bauweise unter Verwertung der 
neuen durch die fortgeschrittene Technik gebotenen Hilfs 
mittel errichtet sein, so wird sich ergeben, daß diese 
Bauten nicht unwesentlich billiger herzustellen gewesen 
sind, als die bisherigen Eindringlinge im städtischen Ge 
wände, und es steht dann zu hoffen, daß die Bewohner 
der ländlichen Ortschaften selbst den Wunsch haben 
werden, die Bauweise ihrer Vorfahren weiter gepflegt 
und gefördert zu sehen. R. 
Gartenarchitekt C. J a n k e - Aachen
	        

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