29. Dezember 1906
BAUZEITUNG
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drücklich die Beachtung der üblichen Bauweise zur
Pflicht gemacht und namentlich die Anwendung
städtischer Bauformen untersagt werde.
Bei Kirchenbauten wird zunächst festzustellen
sein, was vom alten Bau etwa erhalten werden kann,
und danach wird sich die weitere Entwurfsbehand
lung zu richten haben. Die Freilegung der Kirchen
durch Beseitigung alter Kirchhofsmauern, nahestehen
der Gebäude oder großer Bäume wird vorher genau
zu prüfen sein, weil in vielen Fällen durch diese
Freilegung die Erscheinung der Kirche nicht ge
hoben, sondern eher beeinträchtigt werden kann.
Muß ein neuer Bauplatz gewählt werden, so soll
er möglichst auf einer Anhöhe und so liegen, daß
er in nicht zu ferner Zeit zum Mittelpunkt der Ort
schaft werde.
Die Pfarrei soll an die Kirche zwar nicht un
mittelbar angebaut, aber mit dieser, wenn tunlich,
zu einer Baugruppe vereinigt werden; doch muß
sich das Wohnhaus des Pfarrers mit seinen Neben
gebäuden neben der Kirche nicht auffällig bemerkbar
machen. Es wird daher, namentlich wenn die Pfarrei
zwei Stockwerke erhalten soll, sorgfältig zu beachten
sein, daß die Gebäudehöhe im richtigen Verhältnis zur
Höhe der Kirche stehe.
Gartenarchitekten Gebr. Röthe-Bonn
Die Schulhäuser erfordern nach den Vorschriften
helle und luftige Schulsäle sowie genügende Wohnräume
für den Lehrer. Durch entsprechende Anordnung des
geräumigen Spielplatzes wird sich jederzeit ein Entwurf
herstellen lassen, dessen Einfügung in dem Bilde der
Ortschaft keine Störung hervorruft. Da meistenteils ein
zweistöckiger Bau auszuführen sein wird,
so ist Gelegenheit geboten, im Ober
geschosse den althergebrachten Fach
werksbau zur Anwendung zu bringen.
Die äußere Erscheinung aller Bauten
wird nicht zum geringen Teil durch die
Bildung des Daches hervorgerufen. In
Städten, wo Reihenhäuser aufgeführt
werden und wo besondere Vorschriften
über die Höhe der Bauten und die Licht
zuführung geboten sind, ist die An
wendung flacher Dächer in Holzzement,
Zinkblech oder Dachpappe meistenteils
begründet. In ländlichen Ortschaften
haben die flachen Dächer keine Be
rechtigung, und ein einziges flaches Dach
ist imstande, das Bild einer Ortschaft
dauernd zu beeinträchtigen. Es werden
daher für die ländlichen Ortschaften die
altbewährten steilen Satteldächer an
erster Stelle in Frage kommen. Als Dach
deckung dienen namentlich gebrannte
Dachziegel in Form von Hohlziegeln oder
Gartenarchitekten Gebr. Röthe -Bonn
Plattziegeln. Auch das Falzziegeldach kann zur An
wendung kommen, sofern es nicht flacher als ein so
genanntes Winkeldach gelegt wird. Bei der Eindeckung
mit Schiefer empfiehlt sich die sogenannte deutsche
Deckung. Durch Abwalmung der Satteldächer und durch
Erkerbauten lassen sich die Dachformen sehr wechselnd
gestalten.
Anstatt der Hofmauern, die in Verbindung mit hohen
Torbauten den Eindruck sicherer Abgeschlossenheit her-
vorrufen, wird in ländlichen Ortschaften vielfach das bei
städtischen Bauten vorgeschriebene Eisengitter zur An
wendung gebracht. Auch hierdurch wird eine Störung
der ländlichen Bauweise verursacht, die leicht vermieden
werden kann. Erscheint die Hofmauer zu teuer, so wähle
man einen Lattenzaun zwischen Mauerpfeilern. Auch
ein gewöhnlicher Zinseizaun fügt sich besser in das Bild
einer ländlichen Ortschaft ein, als das eiserne Gitter,
dessen Herstellung nicht etwa billiger ist als eine Hof
mauer, die vom einheimischen Maurer aus Natursteinen
hergestellt werden kann. Werden erst mehrfach Bauten
in der früher üblichen Bauweise unter Verwertung der
neuen durch die fortgeschrittene Technik gebotenen Hilfs
mittel errichtet sein, so wird sich ergeben, daß diese
Bauten nicht unwesentlich billiger herzustellen gewesen
sind, als die bisherigen Eindringlinge im städtischen Ge
wände, und es steht dann zu hoffen, daß die Bewohner
der ländlichen Ortschaften selbst den Wunsch haben
werden, die Bauweise ihrer Vorfahren weiter gepflegt
und gefördert zu sehen. R.
Gartenarchitekt C. J a n k e - Aachen