29. Dezember 1906
BAUZEITUNG
421
250 M. zur Verteilung. Zu den Preisrichtern gehören
u. a. die Architekten Oberbaurat Müschen in Neu
strelitz , Baurat Pries in Schwerin und Oberbaurat
K. F. L. Schmidt in Dresden.
Y ereinsmitteilungen
Württembergischer Baubeamten-Verein. Dem
Verein hat ab 1. Januar 1907 seinen Beitritt angemeldet:
H. Haug, Bahnmeister in Sulz a. N. — Allen Vereins
mitgliedern sendet die besten Wünsche zum neuen Jahre
Der Vorstand.
Kleine Mitteilungen
Württembergischer Kunstverein Stuttgart. Neu
ausgestellt: Beiterbildnis des Königs von Württemberg
von Wilh. Trübner; Gute Nachrichten von Hugo Kauff-
mann; Beim Wein von Edm. Harburger -f; Siesta von
Jul. Adam; Vor dem Wirtshaus, Getreide und Ernte
von W. Velten; Gestörter Winterschlaf von Fritz Schur
mann; Kornfeld im Mai von 0. Jernberg; Jabirus, Nil
pferdstudien, Exotische Vögel von P. Neuenhorn; Zwerg
pinscher von H. Grünzweig; Pastelle von B. Strehmel;
Obstgarten mit Hühnern von H. Deuchert; Schloßplatz
in Stuttgart, Verschneite Scheuer, Im Tannengrün, Be
gegnung von Leo Bauer; Seele (Plastik) von Dan.
Stöcker u. s. w.
Karlsruhe. Dem ordentlichen Professor an der
Großh. Technischen Hochschule, Oberbaurat K. Bau
meister, wurde in Anbetracht seiner großen Verdienste
als Hochschullehrer und im besonderen wegen seines
hervorragenden Wirkens auf dem Gebiet des Städtebaues
die Würde eines Doktoringenieurs ehrenhalber verliehen.
Karlsruhe. Im Badischen Kunstgewerbeverein hielt
vor kurzem Geh. Begierungs- und Gewerberat Dr.
Muthesius von Berlin einen bemerkenswerten Vortrag:
Die nationale Bedeutung der kunstgewerb
lichen Bewegung. Einleitend erinnerte der Bedner
an einen Ausspruch Goethes aus seinen letzten Lebens
jahren, in welchem der große Dichter die Hoffnung aus
sprach, „wir Deutsche möchten es in etwa einem Jahr
hundert wenigstens dahin gebracht haben, nicht mehr
abstrakte Gelehrte und Philosophen, sondern Menschen
zu sein“. Von diesen hundert Jahren des Höffens sei der
größte Teil dahingegangen, ohne daß wir uns dem wahren
Menschentum sehr genähert hätten. Zwar habe der Ent
wicklungsgang nach 1870 zu einer äußeren Machtstellung
Deutschlands geführt; mit dem erhöhten Wohlstand sei
aber nicht auch zugleich erhöhte kulturelle Sicherheit
eingetreten, es habe sich vielmehr ein Protzen- und
Parvenügeschmack in den letzten Jahrzehnten breit ge
macht, der zum Teil auch heute noch herrsche. Hinsicht
lich der Wohnungsausstattung habe sich der französische
Einfluß am nachhaltigsten gezeigt, aber die fortwähren
den Abwandlungen und Kopien von Möbeln der franzö
sischen Königsstile mußten schließlich dem erwachten
Zeitgewissen hohl und leer erscheinen. Ein offener
Protest gegen den französisch-romanischen Kulturkreis
sei um die Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst in England
entstanden, habe sich aber nur langsam Bahn gebrochen
und erst in den neunziger Jahren auf Deutschland hinüber
gegriffen. Kasch aber sei da eine verborgene Energie
ausgelöst worden, die sich in den besten deutschen Köpfen
als Gegenwirkung gegen die Stilimitationen seit Jahren
angesammelt hätte. Nach etwa zehnjähriger Arbeit
könnten wir heute auf eine große einheitliche Entwick
lung zurückblicken. Da erscheine es wohl am Platze,
einen Um- und Ausblick zu versuchen, der die bisherigen
Ergebnisse sichte, ihre günstigen und ungünstigen Seiten
beleuchte und uns vielleicht zeige, welche Hoffnungen wir
auf die Zukunft dieser Bewegung setzen könnten. Als
Verdienst der kunstgewerblichen Bewegung sei hervor
zuheben, daß sie mit den Stilimitationen völlig aufgeräumt
habe. Auf der Dresdner Ausstellung sähen wir, wie alles
eine neue selbständige Sprache rede. In sehr eingehender
Weise besprach sodann der Bedner die Vorteile und
Mängel der neuen Bewegung, den Widerstand der Fabri
kanten u. s. w. Noch werde es lange gehen, bis der Stil
formalismus völlig überwunden, aber gebrochen sei bereits
seine Macht. Die kommenden Wege werden und müssen
dieselben sein, die das neue Kunstgewerbe eingeschlagen
hat. Das letzte Endziel könne nichts andres sein als
die Architektur, denn im Grunde genommen gebe es kein
Kunstgewerbe, sondern nur eine Architektur. Alle die
Aufgaben, die jetzt das Kunstgewerbe löse, seien schon
Teilaufgaben der Architektur; das Kunstgewerbe sei zur
Baumgestaltung geworden, beschäftige sich also mit dem
springenden Punkt der Architektur, der Gestaltung des
Baumes. Die neue künstlerische Gesinnung, die sich auf
allen Kunstgebieten anmelde, könne auch nicht auf künst
lerische Aeußerungen allein beschränkt bleiben; eine echte,
in der Zeit wurzelnde Kunst müsse in innerer Wechsel
wirkung zum ganzen Zeitgeist stehen, müsse sich wider
spiegeln in unsern Sitten und Gebräuchen. In allen
unsern Lebensäußerungen müsse eine Läuterung nach der
Seite der Echtheit des Empfindens und der Wahrhaftig
keit des Ausdrucks erfolgen.
Gießen. Die diesjährige Jahresversammlung des
Verbands der gemeinnützigen Bauvereine im
Großherz ogtum Hessen tagte kürzlich in Gießen unter
dem Versitze des Landeswohnungsinspektors Gretzschel-
Darmstadt. Behörden und Stadt hatten Vertreter gesandt.
Namens der Gießener Baugenossenschaft begrüßte in Ver
hinderung des Beichstagsabgeordneten Kommerzienrat
Heyligenstädt Sparkassenrechner Döring. Im Namen des
Provinzialdirektors sprach Kreisamtmann Spanier. Ge
heimrat Dietz teilte mit, daß die Landesversicherungs
anstalt keine Frage für so wichtig hält als den Klein
wohnungsbau, da die Wohnungsfrage großen Einfluß auf
die Gesundheit des Volkes habe, deshalb sei die Begie-
rung entschlossen, den Kleinwohnungsbau zu fördern und
die Bauvereine auch fernerhin zu unterstützen. — Dem
Bericht über den gegenwärtigen Stand des Bauvereins
wesens in Hessen entnehmen wir folgendes: Die Zahl
der Bauvereine ist auf 40 gestiegen, davon sind 34 ein
getragene Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht.
Auf Oberhessen entfallen 11, Starkenburg 16, Bhein-
hessen 13. Die 34 Genossenschaften zählen 2555 Mit
glieder. Die aufgenommenen Anleihen beziffern sich auf
3448 500 M., 1 1 / 4 Milk Mark stehen der Bautätigkeit an
eignem Geschäftskapital zur Verfügung, das Kapital stieg
um 186 000 M., die Mitgliederzahl um 800. In der Höhe
des Geschäftskapitals stehen obenan Bauverein Mainz
205800 M., Worms 200 000 M., Bauverein Darmstadt
140 000 M. Die größten Vereine sind: Bauverein Mainz
mit 526, Beamten-Baugenossenschaft Mainz 272, Bens-
heim 153, Mombach 140, „Daheim“-Darmstadt 137,
Friedberg 134, Gießen 105 Mitglieder. Bis 1. Januar 1906
wurden erbaut 408 Häuser mit einem Bauwerk (ein
schließlich Boden) von 4947 620 M., verkauft sind 143
und vermietet 265 Häuser, sie werden von 1037 Familien
bewohnt. Veranlaßt durch das Vorgehen der Bauvereine
widmen sich jetzt auch die Privatbauunternehmer wieder
mehr dem Kleinwohnungsbau. Die Landesversicherungs
anstalt hat den Bauvereinen 410 000 M. zu 3V2 0 /o,
die Landeskreditkasse 81000 M. übergeben. Aus den
Mitteilungen des Geheimrats Dietz ersieht man, daß die
Landesversicherungsanstalt für Arheiterfürsorge bereits
große Summen zur Verfügung gestellt hat, nämlich bis
Ende 1905 = 3446 000 M., dagegen für andre Wohl
tätigkeitsanstalten nur 2 200 000 M., im Jahre 1905 allein
327 000 M. und für 1906 bis jetzt schon ca. 300000 M.
Der älteste Bauverein Hessens ist Friedberg, er wurde
im Januar 1894 von Geh. Kirchenrat Dr. Meyer gegründet