56
BAUZEITUNG
NR. 7
Elektrizitätswerk Heidenheim a. Brenz.
Die garantierte Kapazität der von der Akkumulatoren
fabrik, A.-G., Berlin, gelieferten Batterie beträgt 540
Amperestunden bei 180 Ampere hochstzulässiger Strom
stärke und drei- bis zehnstündiger Entladung. Bei Ent
ladung dient die Batterie zur Spannungsteilung im
Leitungsnetz. Während der Ladung, welche mit Hilfe
des Zusatzausgleichaggregats, bestehend aus 1 Zusatz
maschine von 35 Kilowatt und 2 Ausgleichmotoren von
je 35 PS Leistung, vorgenommen wird, muß die Batterie
vom Netz abgeschaltet werden, die Spannungsteilung
wird während dieser Zeit von den beiden Ausgleich
motoren übernommen.
Yon der Straße aus führt noch ein zweiter Eingang zum
Treppenhaus und zu der im zweiten Stock untergebrachten
Wohnung des Maschinenmeisters.
Zur Beleuchtung sämtlicher Bäume des Zentraleugebäudes
dienen 4 Bogenlampen und etwa 50 Glühlampen ver
schiedener Kerzenstärke. Als Heizung wurde Nieder
druckdampfheizung gewählt.
Das umfangreiche Leitungsnetz wurde von dem im Januar
1905 errichteten Baubureau der Siemens-Schuckert Werke
auf Grund von definitiven Anmeldungen über Anzahl und
Größe der einzurichtenden Lampen und Motoren be
rechnet. Die Einwohnerschaft Heidenheims war bereits
im Monat November 1904 vom Stadtschultheißenamt zu
zahlreichem Anschluß aufgefordert worden, worauf An
meldungen über ca. 2600 Glühlampen, 50 Bogenlampen
und 190 PS Motoren einliefen, deren Zahl sich im Laufe
des Baues noch vermehrt hat.
Am 1. März 1905 begann die Unternehmerfirma mit dem
Bau des Leitungsnetzes. Es wurden im ganzen 140
Dachstäuder, 180 Holzmaste und 9
eiserne Gittermaste von 10 bis 14 m
Länge aufgestellt. Yon den Gitter
masten wurden 6 Stück für Speise
punkte und 3 für Ueberführungsmaste
zur Ueberführung von Kabel in Frei
leitung verwendet. Yon den 6 Speise
punkten erhielten 5 Stück unter
irdische Kabelzuleitung. Die Gitter
maste wurden je nach Länge und
Zugstärke 1,8 bis 2 m in das Erd
reich einbetoniert. An blanken ober
irdischen Leitungen wurden etwa
41000 m von 10, 16, 25, 35 und
50 qmm Querschnitt für das Leitungs
netz verlegt, an unterirdischen, aus
eisenbandarmierten Bleikabeln be
stehenden Leitungen gelangten etwa
10 000 m mit Kupferquerschnitten
von 50, 70, 95 und 120 qmm zur
Yerlegung. Die Kupferquerschnitte
sind so bemessen, daß bei maximaler Belastung
des Leitungsnetzes in den Speiseleitungen ein
Spannungsverlust von 8 bis 10 °/o, in den Yer-
teilungsleitungen ein solcher von ca. 1,5 bis 2%
entsteht. Für Hausanschlüsse wurden etwa 7200 m
isolierte Leitungen sowie 3400 m blanke Kupfer
leitungen für Außen- und Inneninstallation ver
braucht. Besonders erwähnt sei an dieser Stelle
noch, daß die Siemens-Schuckert Werke sowohl
bei sämtlichen Inneninstallationen für die Haus
anschlüsse, als auch bei den von ihnen aus
geführten elektrischen Hausanlagen die isolierten
Leitungen in Stahlrohre „System Peschei“ ver
legt haben. Dieses patentierte Stahlrohrsystem
hat sich überall aufs beste bewährt.
Die größte Entfernung im Leitungsnetz beträgt
ca. 3500 m. An den in dieser Entfernung liegen
den Endpunkten befinden sich verschiedene teils
hochgelegene Steinbrüche, in welchen Motoren
bis zu 16 PS Leistung zum Antrieb von Stein
brechmaschinen aufgestellt wurden. Die betreffenden Slein-
bruchbesitzer konnten schon nach kurzer Zeit den hohen
ökonomischen Wert ihrer neuen Betriebskraft konstatieren.
Wie schon erwähnt, wurde mit dem Bau des Leitungs
netzes am 1. März angefangen, während die Auf
stellung der Maschinen und der Schaltanlage u. s. w. etwa
einen halben Monat später begann. Bereits am 15. Juli
war die ganze Anlage so weit fertiggestellt, daß an diesem
Tage die Betriebseröffnung stattfinden konnte. Die sich
hieraus ergebende Bauzeit darf um so mehr als eine ver
hältnismäßig kurze bezeichnet werden, als die Bauleitung
gegen mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, von
denen hier nur das häufige Auftreten von hochstehendem
Grundwasser, die vielfach erforderlich werdenden Fels
sprengarbeiten sowie die zeitraubende Weigerung einer
größeren Anzahl Haus- und Grundbesitzer, Maste oder
Dachständer aufstellen zu lassen, erwähnt sei.
Am 1. und 2. August wurden unter Beisein des Sach
verständigen, Direktor Erhard von Stuttgart, achtstündige
Abnahmeversuche mit den Gasmotoren und den Dynamo
maschinen sowie mit der Batterie vorgenommen, wobei
die von den einzelnen Firmen geleisteten Garantien sämt
lich erfüllt wurden. Die Abnahme des Werkes durch
die Stadt konnte nach dem durchaus günstigen Eesultat
der Versuche ohne weiteres erfolgen. Die Einweihungs
feier des Werkes fand am 17. August unter zahlreicher
Beteiligung von Behörden und Bürgerschaft statt.
DIE AUSSICHTEN DER MITTLEREN TECHNIKER
IN WÜRTTEMBERG
Yom Württ. Baubeamtenverein wird uns geschrieben; Eine
Das städtische Elektrizitätswerk Heidenheim a. Brenz. Schnitt
Architekt Manz-Stuttgart