60
BAUZBITUNG
NR. 8
Entwurf zu einem Atelierhaus von Professor Bebnhakd Pankok in Stuttgart (aus der Pankok-Ausstellung)
Bismarckstraße, dann liegt tatsächlich nichts andres als
dieser Beweggrund vor. Aber ich habe ja vorhin schon
das Beispiel des Gotteslagers mitgeteilt. Man kann doch
unmöglich glauben, daß wirklich Patriotismus die Leute
dazu geführt hat, den alten Namen in Juliusstadt um
ändern zu lassen, und nun ist es köstlich zu sehen, welcher
Taumel von Scheinpatriotismus diese guten Leute ergriffen
hat. 1890 sind sie nämlich noch einmal gekommen, sie
wollten auch ihre Straßen umgetauft haben, das sind
nämlich drei sehr einfache Straßen, die eine hieß Vordere,
die andre Mittlere und die dritte Hintere Straße. Die
mußten aber nun umgetauft werden in Juliusstraße, Leo
poldstraße und Perdinandstraße, das heißt auf die Namen
von drei Herzogen. Nun soll man sich vor allem die
Mittlere Straße, die Ferdinandstraße, einmal ansehen:
eine ganz kleine, minderwertige, fast nur von Hinter
häusern besetzte Straße. Der Herzog Ferdinand, der
unter dem Namen des guten Herzogs bei uns in Braun
schweig lebt, hätte vielleicht auch hierüber mit Milde
hinweggesehen. Aber der Mann hat doch auch eine ge
schichtliche Bedeutung gehabt. Es ist doch der große
Heerführer des Siebenjährigen Krieges gewesen, der
Sieger von Krefeld und Minden, und ist denn das
Patriotismus, wenn man nach einer derart bedeutenden
Persönlichkeit eine so geringe Straße benennt!
Solcher Beispiele gibt es aber nun in ungeheurer Masse.
In Braunschweig hatte man einen Stein- und Wenden
graben, nach den benachbarten Toren genannt — jetzt
Wilhelmstraße, in Hannover einen Heckengang — ein
sehr niedlicher Name — jetzt Arnswaldstraße; in Dresden
Am Schwarzen Tor und Vor dem Pirnaischen Schlag —
jetzt Albertplatz und Albrechtsstraße genannt, die Bader
straße — jetzt ein Teil der König Johann-Straße. Es
will sich eben jeder Anwohner einer solchen Straße recht
billig in der Sonne eines derartigen Namens erwärmen.
In Dresden ist die Sache deswegen besonders bedenklich
gewesen,, weil eine jede Vorstadt auch den Namen ihres
geliebten Königs Albert führen wollte. So zähle ich denn
in dem Namenbüchlein von Dresden nicht weniger als
zehnmal den Namen Albert oder Alhrecht in Plätzen,
Straßen und Brücken. Schließlich war das natürlich gar
nicht möglich, namentlich seit die Vororte eingemeindet
wurden, und da ist denn wenigstens ein Teil dieser
Straßennamen wieder getilgt.
Aber jeder Zweifel, daß es sich tatsächlich hier nicht
um irgendeinen Patriotismus handelt, schwindet doch
wohl, wenn man bedenkt, daß in Weimar der Frauen
plan, an dem Goethes Haus steht, in neuester Zeit Goethe
platz genannt worden ist. Man kann das nur als einen
Unfug bezeichnen, wenn nicht vielleicht noch härtere
Ausdrücke dafür am Platze wären. Aber als komisches
Gegenstück möchte ich Ihnen doch auch mitteilen, daß
in Dresden-Strehlen von zwei benachbarten Straßen die
eine Hermann- und die zweite Dorotheenstraße genannt
wurde, und zwar ausgesprochenermaßen, um an das Epos
unsers Goethe zu erinnern. Nun, vielleicht haben der
artige Verirrungen das Gute, daß sie doch wieder auf
den rechten Weg zurückführen.
Ein andrer Grund für moderne Umänderungen der Straßen
ist der — etwas ähnliches sahen wir ja auch schon im
Gotteslager —, daß die eigentliche Veranlassung für den
alten Namen nicht mehr besteht. Zwei Beispiele aus
Magdeburg. Das Stadtfeld, die alte Flur der Stadt,
mußte, nachdem sie bebaut war, Wilhelmstadt heißen,
und An der Wasserkunst — doch auch ein charakteristi
scher Name — mußte zu einem Teil des Fürstenufers
werden. Aber bedenken Sie, wohin das führen müßte,
wenn man sämtliche Straßen, die eigentlich ihrem Namen
nicht mehr gerecht werden, umnennen würde. Nehmen
wir zum Beispiel Braunschweig; in der Jödden- und
Friesenstraße wohnen jetzt keine Juden und Friesen mehr.
Die Beckenwerker, Weber, Kannengießer, Karrenführer,
Knochenhauer wohnen jetzt ebensowenig in den Straßen,
die nach ihnen benannt sind; in den Hutfiltern werden
keine Filzhüte mehr hergestellt, und in den Oelschlägern
wird kein Oel mehr gepreßt. Der Ackerhof ist auch
nicht mehr das, was der Name besagt, ebensowenig die
Wüstewort, der Langehof, die Mauern-, Echtem-, Stoben-
und Scharrnstraße und wie sie alle heißen. Alle werden
jetzt nicht mehr ihrem Namen gerecht.
Im Gegensatz aber zu dieser Meinung, man müßte da
eine Umnennung vornehmen, möchte ich vorschlagen, daß