24, FEBRUAR 1906
BAUZBITUNG
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ATELIERHAUS
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Entwurf zu einem Atelierhaus von Professor Bbbnhaed Pankok in Stuttgart. Ansicht
man erst recht an dem Alten festhält.
Je mehr die alten Verhältnisse ge
schwunden sind, um so sicherer zeigt
doch der Name noch an, daß sie einst
dort bestanden haben.
Besonders schmerzlich hat mich berührt,
daß der Bureaukratismus, der ja hier
eine ganz besondere Bolle spielt, nun
auch moderne, aber echt volkstümliche,
echt poetische Namen angreift. In Dres
den entstand im Jahre 1865 als Ab
zweigung der Bosenstraße ein kleines
Gäßchen, ein Sackgäßchen, das nannte
man in wirklich treffender Weise Bosen
zweig. Ich kann mir keine bessere Be
nennung denken; aber ein Jahr später
wurde die Straße Bartholomäistraße ge
nannt. Eine zweite Straße in Dresden
ging über in einen Weg der Dresdner
Heide. Dort sind die Wege aber durch
bestimmte Merkmale bezeichnet, und in
diesem Palle war ein Q mit einem großen
Schwanz daran die Wegehezeichnung,
und so hieß die Straße Am Kuhschwanz.
Na, das war natürlich auch die Veranlassung, daß sie
möglichst bald in Forststraße umgenannt wurde.
Sie sehen, es sind recht wenige Städte, die ich Ihnen
hier namhaft gemacht habe, aber ich glaube, es genügt
im allgemeinen, um Ihnen daran klarzumachen, wie außer
ordentlich weit verbreitet und wie tief eingewurzelt diese
Unsitte ist.
Es fragt sich nun: was ist gegen diese Seuche zu tun?
Da möchte ich mich an die prächtige Uehersetzung des
alten preußischen Spruches Suum cuique in Beuters Fran-
zosentid halten. Da heißt es: Holl wiß, wat du hast, un
nimm, wat du kriegen kannst.
Zunächst muß mit aller Macht dagegen angekämpft
werden, daß der Bestand unsrer alten Straßennamen auch
nur um ein Beispiel verringert werde, wenn nicht ganz
besonders zwingende Gründe vorliegen, und jeder von
uns müßte sich bemühen, mit Wort und Schrift gegen
diesen Unfug anzukämpfen, und für den Patriotismus und
seine Betätigung bieten ja die neuen Straßen, die überall
bei unsern Städten entstehen, ein durchaus geeignetes
Feld. Nur dürfen sie freilich nicht die alten guten Flur
namen verdrängen und dafür eben möglichst klangvolle
Namen einfügen.
Der Einwurf freilich, daß auch schon früher Umände
rungen stattgefunden haben, ja auch schon im Mittelalter,
besteht zu Becht. Namentlich in Magdeburg ist ein ganz
außerordentlicher Wandel zu verzeichnen. Eine Straße
in Magdeburg hatte in ein paar Jahrhunderten folgende
Namen; In der Hölle, Boßmühlenstraße, Auf der Höhe,
Große Schindergasse, und jetzt Wallstraße. Aber früher
ist eine Benennung der Straßen nicht amtlich gewesen,
sie ist volkstümlich entstanden, und sie wurde nicht ge
wissermaßen festgelegt. Auf der andern Seite sind aber
alle die alten Namen, wie sie auch heißen mögen, viel
charakteristischer und ursprünglicher als unsre neuen,
und außerdem, wenn ich die alte Zeit entschuldigen darf,
muß doch auch gesagt werden: sie hatte eine sehr viel
größere Fülle von solchen alten Namen als wir. Wir
müssen es hier ebenso machen wie die Sibylle des Königs
Tarquinius. Gerade das Letzte, was noch übriggeblieben
ist, muß ganz besonders hoch geschätzt werden.
Dieser erste Teil: halte fest, was du hast, ist ja sehr
einfach zu erledigen. Etwas schwieriger gestaltet sich
schon die Sache, wenn man das nehmen soll, was man
jetzt noch bekommen kann. An sich ist eine Wieder
einführung von alten Namen sehr wohl möglich, aber die
müßte mit außerordentlichem Takt und mit großer Zurück
haltung geübt werden. Jede Altertümelei möchte ich hier
ebenso verwerfen wie bei der Herstellung von unsern alten
Denkmälern selbst. Gerade wenn aus alter Zeit bereits