FÜR WÜRTTEMBE
BADEN HESSEN
SASS-LOTHRING
STUTTGART, e. JANUAR 190G
ALLE RECHTE VORBEHALTEN. - INHALT: PREISAUSSCHREIBEN FÜR EIN WIRTSCHAFTSGEBÄUDE AM KURSAAL IN
CANNSTATT. — SÜDDEUTSCHER HOLZMARKT. - GEWERBEPOLIZEILICHE ENTSCHEIDUNG. - VEREINSMITTEILUNGEN.
- WETTBEWERBE. — KLEINE MITTEILUNGEN. - PERSONALIEN. - BÜCHER.
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PREISAUSSCHREIBEN FÜR EIN WIRTSCHAFTS-
© GEBÄUDE AM KURSAAL IN CANNSTATT ©
Das Programm desselben haben wir in Nr. 33 des vorigen
Jahrganges, Abbildungen des Kursaales in Nr. 33 und 34
veröffentlicht. Das Preisgericht entschied sich unter den
46 eingelaufenen Arbeiten — die Beteiligung stand nur
den Architekten von Cannstatt, Stuttgart und Vororten
frei — für folgende Preisverteilung (vergl. Nr. 43 des
vorigen Jahrganges): Es erhielten je einen Preis von
900 M. das Projekt „Biedermaier“ von den Architekten
Hans Schmidt-Annabeeg, Assistent an der Technischen
Hochschule Stuttgart, im Verein mit Richard Stahl,
und das Projekt „An der Quelle“ von Architekt Hein
eich Mehlin in Stuttgart. Je einen Preis von 600 M.
erhielten die Projekte „An der Quelle“ von Architekt
Albert EiTBL-Stuttgart und „Jetzt gang’ i ans Brünnele...“
von Architekt Hans KLASS-Stuttgart und Ludwig Kieenee.
Zum Ankauf empfohlen wurde der Entwurf der Archi
tekten Geae & RöCKLE-Stuttgart mit dem Motto „Volks
fest“. Wir geben heute Abbildungen der vier ersteren
Projekte; in den nächsten Nummern sollen noch einige
weitere folgen.
Zu dem Projekt „Biedermaier“ gibt uns Architekt
Hans Schmidt-Annabeeg folgende Erläuterung: „Das
Programm ließ mehrfache Deutungen zu. Um möglichst
wenig Platz zu überbauen, ohne an den für eine
vornehmere Saalanlage nötigen Nebenräumlichkeiten zu
sparen, wurden die Säle in das Obergeschoß verlegt.
Dadurch gelang es, den Wirtschaftsgarten unangetastet
zu lassen.
Der Angelpunkt der Grundrißanlage ist der Küchenteil.
So wie er gelegt ist, vermag er direkt dem alten Kursaal,
dem Restaurant, dem Wirtschaftsgarten und den neuen
Sälen zu dienen. Mit Rücksicht auf die Benutzung der
neuen Säle zu Privatfestlichkeiten, Konzerten u. s. w.,
die die Trennung vom Wirtschaftsbetriebe wünschenswert
erscheinen läßt, erhielten die Säle einen eignen Eingang
nahe der Straße mit Anfahrt und geräumigen Garderoben.
Von den Garderoben aus ist das Restaurant direkt zu
gänglich, während der Haupteingang des letzteren inner
halb eines abgeschlossenen Vorgartens liegt. Die Haupt
seite des Restaurants ist nach dem Wirtschaftsgarten
gelegt, hier ist auch der richtige Platz für die Ter
rassen. Die Lesesäle sind so angeordnet, daß das im
Kurgarten promenierende Publikum sie vom V orgarten
aus leicht erreichen kann. Die danebenliegenden Ver
waltungsräume sind dadurch leicht auffindbar. Der Lärm
der Straße und der des Restaurants wird an der ge
wählten Stelle nicht mehr stören.^
Der leitende Gedanke war, dem Kursaal durch keinerlei
aufwändige Architektur Konkurrenz zu machen, sondern
ihn seitlich mit einem dezent gehaltenen, in ruhigen
Massen komponierten Gebäude abzuschließen, ähnlich wie
das auf der gegenüberliegenden Seite stehende Wohnhaus
den Vorgarten gegen den Kursaal abgrenzt. Eine Wieder
holung der ausgesprochenen Stilarchitektur des Kursaals
war von vornherein verboten. Die Aufgabe konnte nur
darin bestehen, eine würdige Folie dazu zu stellen.
Die Gartenanlagen sind einfach, streng gedacht.“
Architekt Albeet Eitel zu seinem Projekt „An dee
QuelleII“: „Der Verfasser war bestrebt, den Neubau dem
Kursalgebäude unterzuordnen und so zu situieren, daß
das landschaftliche Bild des Parkes, das sich dem von
der Königstraße kommenden Wanderer bietet, möglichst
erhalten bleibt, daß also das Gebäude sich zwischen das
Grün hineinschiebt. Aus diesem Grunde wurde der neue
Bau in eine vorgeschobene parallele Achse zum bestehen
den Kursaal gesetzt, da durch eine senkrechte Achse der
Neubau bis nahe an die Straße heranreichen und das
jetzige Bild stark überschneideu würde. Aus obigen und
auch aus Sparsamkeitsgründen wurde angestrebt, die
Grundrißfläche möglichst klein zu gestalten, weshalb die
Säle und Restaurationsräume über einem niedrigen Erd
geschoß, in dem die Wirtschaftsräume untergebracht sind,
gelegt wurden. Auch wird bei dieser Anordnung eine
weitere, sehr günstig gelegene Terrasse gewonnen.
Die beiden im Programm verlangten Büfetts kommen hierbei
übereinander zu liegen und ermöglichen so einen direkteren
und zweckmäßigeren Wirtschaftsverkehr, als wenn diese
getrennt auf einem Stockwerke zu liegen kommen. Durch
diese Planordnung ergibt sich eine klare Grundriß
gestaltung.
Mit Leichtigkeit könnte noch ein weiteres Wirtschafts
lokal im Erdgeschoß untergebracht werden, falls solches
erwünscht sein würde.“
Zum Entwürfe „Jetzt gang’ i ans Brünnele“ schreiben
die Verfasser: „Bei der Wahl der Lage des neuen Wirt
schaftsgebäudes wurde darauf Bedacht genommen, dieses
dem Kursaal unterzuordnen. Es wurde zu diesem Zweck
das Wirtschaftsgebäude mit seiner Längsrichtung senk
recht zu der des Kursaals gestellt, um dessen Aus
dehnungsrichtung möglichst wenig zu betonen. Ebenso
wurde das Wirtschaftsgebäude in der Massenwirkung und
in der Höhe dem Kursaal untergeordnet; der mittlere
Teil des I. Stocks wurde in das Mansarddach gezogen,
wodurch die herrschende Gesimslinie des Neubaus nie
driger zu liegen kommt als die des Kursaals.
Zu demselben Zweck der Unterordnung wurde die Archi
tektur des Neubaus in einem strengen, einfachen Charakter
gehalten: Putzbau gegenüber der Hausteinfassade des
Kursaals.