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BAÜZEtTUNG
Nr. n
die Möglichkeit eines großen Aufwandes dem Architekten
Gelegenheit gab, dem monumentalen Charakter, der der
italienischen Renaissance eigentümlich ist, Rechnung zu
tragen. Aber trotz aller Pflege konnte die schöne exo
tische Pflanze nicht recht hei uns gedeihen. Wenn es
auch da und dort einem hervorragenden Gärtner gelang,
eine Palme lebensfähig zwischen den Wald deutscher
Eichen zu stellen, so waren doch alle jene Versuche ver
geblich, bei denen die Kunst des Gärtners nicht aus
reichte, der Verschiedenheit des Bodens und des Klimas
gerecht zu werden. Und wehe, wenn sich jene edeln
Formen verloren hinaus aufs flache Land, wo sie unter
die Finger von Baumeistern gerieten, die nichts zu geben
hatten als den guten Willen und einige auswendig ge
lernte Rezepte! Wehe diesen armen Mißgeburten und
wehe ihrer Umgebung! Fremd und unvermittelt, ohne
eignes inneres Leben standen sie als Kinder eines andern
Landes zwischen den behäbigen Giebeln unsrer heimischen
Dörfer und Städte. So ist es wohl zu verstehen, wenn
wir uns heute damit begnügen, die Schönheit italie
nischer und griechischer Architektur in ihrem eignen
Lande zu genießen, und wenn wir uns wieder mit steigen
der Liebe derjenigen Baukunst zuwenden, die uns in der
Heimat umgibt, die uns von der Größe unsrer Väter
erzählt und in der die Erinnerung an unsre Jugendzeit
durchklingt. Heimatkunst, heimische Bauweise ist heute
die Losung, und wir schätzen uns glücklich, in einer Zeit
leben zu können, die unserm Fühlen und Denken keinen
Zwang auferlegt und die es uns gestattet, unserm Empfin
den in Heimatlauten Ausdruck zu geben. Freudig nehmen
wir alles in uns auf, was uns im engeren Vaterlande
umgibt an heimischer Kunst, und gerne verfolgen wir die
kunstgewerblichen Feinheiten, die aus allem, was unsre
Vorfahren geschaffen, so eindringlich zu uns sprechen.
In freiem Schaffen wollen wir all das Geschaute wieder
verwerten, wir wollen bestrebt sein, es unsern Vorfahren
auf allen Gebieten gleichzutun, aber wir wollen uns nicht
damit begnügen, das wiederzugehen, was aus früheren
Kgl. Baugewerksohule Stuttgart Entwurf von K. Meißner
Zeiten auf uns sich vererbt hat, nein, wir wollen auch
unser eignes Ich zur Geltung bringen, wir wollen Neues,
Eignes hinzufügen, wir wollen die Errungenschaften der
Neuzeit verwerten, sie in harmonische Verbindung bringen
mit althergebrachtem Gutem, und so etwas schaffen, was
in künstlerischer und technischer Beziehung ein Kind
unsrer Zeit ist.
Werfen wir einen Blick hinaus in das praktische
Leben, so sehen wir mit Staunen, wie groß das Wissen,
wie umfangreich das Können der Techniker heutzutage
sein muß. Setzen wir als selbstverständlich voraus, daß
der junge Techniker alle jene handwerksmäßigen Kennt
nisse besitzt, die schon seit Urzeiten bei einem zünftigen
Techniker vorausgesetzt werden müssen, ich meine die
Konstruktionen in Stein und Holz. Mit dem gründlichen
Beherrschen dieser beiden Hauptfächer und dem Vertraut
sein mit einigen Nebenfächern war vor wenigen Jahr
zehnten das Programm eines angehenden Technikers er
schöpft. Heute liegt die Sache anders. Die Nebenfächer
haben sich ausgewachsen, denn ohne sie wäre ein Ver
ständnis für die endlose Reihe technischer Errungen
schaften der letzten Jahrzehnte undenkbar, und nur sie
ermöglichen es dem Schüler, mit diesen neuen Konstruk
tionen und Verfahren in selbständiger Weise zu operieren.
Kgl. Baugewerksohule Stuttgart Entwurf von C. Birk
Es würde zu weit führen, wollte ich hier all das an
führen, was in den letzten 30 Jahren an neuen Kon
struktionen, neuen Materialien und neuen Verfahren und
Techniken in den Dienst des Baumeisters gestellt wurde,
aber ich möchte es nicht unterlassen, auf jene Erfahrungen
und Konstruktionsmethoden hinzuweisen, die eine voll
ständige Umwälzung auf dem Gebiete des Baufaches
zeitigen. Denken wir zunächst au die Verwendung des
Eisens, wobei wir nicht jene himmelstürmenden Kon
struktionen eines Eiffelturms oder die breitgelagerte Halle
eines modernen Bahnhofes in Betracht ziehen müssen,
nein, es genügt für uns, zu beobachten, welche weitläufige
Verwendung das Eisen im kleinen Bau gefunden hat.
Hier vertritt es als Träger die Stelle eines scheitrechten
Bogens, dort liegt es als massives Gebälk, das nach
unzähligen Methoden zu einer horizontalen massiven
Decke zusammengezogen werden kann, dort gibt es einem
weitausladenden Balkon den konstruktiven Kern, der nur
darauf wartet, mit Rabitz oder Monier seine definitive
Bekleidung zu bekommen. Oder aber es wird in Ver
bindung mit Zement in sinnreicher Weise in diese ein
gelegt zur modernsten aller Konstruktionsweisen, zum
armierten Beton.
Lassen wir den Blick weiterstreifen, so sehen wir,
daß der altehrwürdige Ofen nicht mehr das Haus be
herrscht. Dampf und Wasser haben ihm erfolgreich
Konkurrenz gemacht, und zahllos sind die Systeme,
zwischen denen der Techniker zu entscheiden hat, wenn
es sich darum handelt, das Haus, sei es eine kleine
Villa, ein geräumiges Schulhaus oder ein weitverzweigtes