Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

23. März 1907 
BAUZBITUN 6 
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sollen; insbesondere in kleinen, vorwiegend Landwirt 
schaft treibenden Orten mit armer Bevölkerung findet 
die Dispensationserteilung oft das einzige Mittel, um die 
Ausführung eines notwendigen Bauwesens zu ermöglichen, 
ohne daß bei der hier in der Kegel weiträumigen Bau 
weise erhebliche feuer- oder gesundheitspolizeiliche Nach 
teile daraus entstünden. Um solche Dispensationen künftig 
möglichst zu erleichtern, soll der einfache Nachweis ge 
nügen, daß die Durchführung der betreffenden Vorschrift 
mit besonderer Härte verbunden wäre. 
Den vielseitigen berechtigten W ünschen nach Yerein- 
fachung, Beschleunigung und Verbilligung des bau 
polizeilichen Verfahrens ist in weitgehendem Maße 
Rechnung getragen worden, wie in der Begründung im 
einzelnen dargelegt wird. Die seitherige dreigliedrige 
örtliche Bauschau soll in Wegfall kommen; der Ent 
wurfbegnügt sich aus Gründen der Geschäftsvereinfachung, 
Beschleunigung und der Kostenersparnis mit nur einem 
Ortsbautechniker, der aber ein tüchtiger und zuverlässiger 
Bautechniker und womöglich wenigstens ein geprüfter 
Bauwerkmeister sein soll; dabei ist vorgesehen, daß sich 
mehrere Gemeinden eines und desselben Ortsbautechnikers 
oder auch des Oberamtsbautechnikers bedienen können. 
Den Oberamtsbautechnikern soll künftighin die 
Ausführung von Privatarbeiten für die Regel unter 
sagt sein. Auch sieht der Entwurf Bestimmungen vor, 
um auf die Fernhaltung auch der Ortstechniker von der 
Uebernahme privater Baugeschäfte, wenigstens in be 
stimmten Fällen, einzuwirken. Eine wesentliche Verein 
fachung soll dadurch erzielt werden, daß die bisherige 
baupolizeiliche Tätigkeit des ganzen Gemeinderats aus 
geschaltet und die baupolizeilichen Entscheidungen in der 
Hauptsache dem Ortsvorsteher überlassen sind. Das 
Beschwerdeverfahren ist zugunsten der Bauenden 
vereinfacht und erleichtert worden. 
Die mannigfachen Klagen über unzureichende 
Baukontrollen werden dadurch zu befriedigen ge 
sucht, daß allmählich die dieser Aufgabe nicht ge 
wachsenen Elemente ausgeschieden und durch Sachver 
ständige, in erster Linie Baukundige, aber zum Teil auch 
öffentliche Feldmesser ersetzt werden. Durch Verordnung 
kann bestimmt werden, daß zur Unterstützung der Bau 
kontrolleure in Orten mit lebhafter Bautätigkeit auch 
Bauaufseher aus dem Arbeiter stände zu ver 
wenden sind. 
Behufs Sicherung der dauernden Erfüllung gewisser 
Rechtsverbindlichkeiten der Bauenden und ihrer Besitz 
nachfolger gegenüber den Baupolizeibehörden und Ge 
meinden sollen sogen. Baulastenbücher eingeführt 
werden, weil in den Grundbüchern zur Regelung dieser 
Angelegenheiten kein Raum gelassen ist. Daneben soll 
auch das Sportel- und Gebührenwesen neu geregelt und 
eine geeignete Abstufung der Gebühren eingeführt werden, 
wodurch namentlich die Gebühren für kleinere Bauten 
eine erhebliche Ermäßigung finden sollen. 
Auch hinsichtlich der einzelnen Bauvorschriften 
bringt der Entwurf den Bauenden im Vergleich zum 
bisherigen Recht eine Reihe wesentlicher Erleichterungen. 
Was die Baulinienfeststellung anbelangt, so sollen 
die Bedürfnisse ländlicher Ortschaften mehr als bisher 
berücksichtigt, es soll insbesondere der seitherige vielfach 
mißverstandene Grundsatz möglichster Geradleitung der 
Baulinien bezw. Straßen gemildert werden. Auch wird 
mehr als seither darauf gesehen, daß die Straßen nach 
ihrer Bebauung ein gutes und gefälliges Aussehen er 
halten. Behufs Deckung der den Gemeinden aus den 
notwendigen Ortserweiterungen erwachsenden Kosten soll 
allen Gemeinden, in denen ein Bedürfnis hierzu besteht, 
das Recht erteilt werden, im Wege des Ortsbaustatuts 
sowohl die Kosten der Grunderwerbung und Planierung 
für neue Ortsstraßen als auch die Kosten ihrer Herstellung 
ganz oder teilweise von den Besitzern der angrenzenden 
Grundstücke, unter Umständen schon bevor sie auf den 
selben Gebäude errichten, sich ersetzen zu lassen. 
Ausführlich äußert sich die Begründung sodann auch 
noch über die Grundstücksumlegungen zur Berich 
tigung von Grundstücken; es wird dargelegt, daß und 
warum in dem Entwurf von einer allgemeinen gesetz 
lichen Regelung der Umlegung Abstand genommen 
wurde, jedoch mit dem Vorbehalt, daß dies in einem 
besonderen Gesetz geschehen soll, wenn ein Bedürfnis 
hierzu sich ergibt und eine weitere Klärung in den ein 
schlägigen streitigen Fragen eingetreten sein wird. Da 
gegen ist gewissermaßen als Ersatz für die Umlegung 
das Enteignungsrecht der Gemeinden auf sogen. Rest 
grundstücke, Prellstreifen, Vexierflächen, Masken und andre 
Zwerggrundstücke vorgesehen, wobei die Gemeinden zur 
Abgabe der so erworbenen Grundstücke an die behin 
derten Baulustigen gegen Entrichtung der Selbstkosten 
verpflichtet werden können. 
Kgl. Baugewerkschule Stuttgart Entwurf von A. Schmidt 
Aus hygienischen Gründen bringt das neue Gesetz 
eine gewisse Verschärfung der seitherigen Bestimmungen 
über die Bebauungsdichtigkeit; es wird in dieser 
Hinsicht vorgesehen, daß für diejenigen Orte, in welchen 
eine durchgehend weiträumige Bebauung nicht ausführbar 
ist, eine gegen außen stufen- oder staffelweise abgeminderte 
Baudichtigkeit eingehalten wird. Anderseits können bei 
dem höheren Stand des Feuerlöschwesens und der weiteren 
Entwicklung der Feuerversicherung die Ansprüche an die 
Feuersicherheit der Bauten und ihre Zugängigkeit 
für Feuerlöschzwecke erheblich vermindert werden; es 
wird hierbei davon ausgegangen, daß bei Bauten zwar 
gegen die Gefahr einer Entzündung tunlichste Vorkehr 
zu treffen ist, daß es aber im übrigen genügt, wenn im 
Brandfall den Bewohnern der Gebäude die Möglichkeit 
der Rettung gegeben ist, und wenn ein hinreichendes 
Maß von Sicherheit dafür besteht, daß ein ausgebrochener 
Brand keine zu große Ausdehnung annimmt. Es werden 
demgemäß Erleichterungen vorgesehen bezüglich der Vor- 
schriften über die Brandmauern, über Blockwände, Bretter- 
und Schindelverkleidungen. 
Was die ästhetische Seite des Bauens betrifft, 
so geht der Entwurf unter Hinweis auf die bisher ge 
machten Erfahrungen davon aus, daß die Baupolizei 
behörden sich mehr als bisher um die künstlerische Seite 
des Bauens bekümmern müssen; der Entwurf verlangt 
daher, daß schon bei der Feststellung des Ortsbauplans 
und der zugehörigen Bebauungsvorschriften darauf Bedacht 
genommen wird, daß nicht nur die neuen Straßen nach 
ihrer Bebauung ein gutes Aussehen gewinnen, sondern
	        

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