Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

130 
BAUZEITUNG 
Nr. 17 
Wettbewerb Synagoge Frankfurt a. M., I. Preis. Architekten Graf & Röckle, Stuttgart 
Zum Wiederaufbau der Burg- Altena 
in Westfalen 
Die ehemalige Grafschaft Mark will anläßlich der 
1909 stattfindenden 300jährigen Feier ihrer Vereinigung 
mit Kurbrandenburg dem Kaiser mit der restaurierten 
Burg Altena ein Geschenk machen. Die Arbeiten sind 
Professor Frentzen-Aachen übertragen. Gegen den ge 
planten Wiederaufbau der Burg ist folgender Einspruch 
ergangen: 
Der in diesen Tagen verbreitete Aufruf für die „Wieder 
herstellung“ der Burg Altena erweckt so schwerwiegende 
Bedenken, daß wir die zwingende Verpflichtung empfinden, 
sie mitzuteilen. 
„Die Burg soll in ihrer 
alten Gestalt Wiedererstehen“, 
so heißt es in dem Aufruf. 
Zur Verdeutlichung dieses 
Planes ist dem Aufruf ein 
Bild des angeblichen gegen 
wärtigen Zustandes der Burg 
sowie ein Bild, wie die Burg 
nach der „Wiederherstellung“ 
aussehen soll, beigefügt. Tat 
sächlich aber entsprechen die 
Bilder weder dem gegenwärtigen 
noch dem einstigen Zustande 
der Burg, sondern sind Phan 
tasieerzeugnisse des Zeichners. 
1. Die Grafen von der Mark, 
nach neuerer Forschung eine 
Abzweigung des niederrheini 
schen Grafengeschlechts von 
Berg, haben nur wenige Jahr 
zehnte auf Altena gewohnt, 
etwa von 1160 bis 1200. Ein 
baulicher Ueberrest aus dieser 
Zeit hat sich bisher nicht nach- 
weisen lassen. Wir haben nicht 
die mindeste Möglichkeit mehr, 
Form und Gestalt ihrer Be 
hausung uns einigermaßen greif 
bar vorzustellen. Nur das wissen 
wir, daß sie gemäß den da- 
maligenVerhältnissen klein war. 
Bereits’seitfdem Anfangedes 13/Jahr- 
hunderts genügte den Grafen die ab 
gelegene Burg nicht mehr, es war 
unmöglich, von hier aus die wachsen 
den Ländereien zu verwalten. Burg 
Altena wurde der Sitz eines Amt 
manns. Ein Neubau wurde aufgeführt, 
der heute noch steht und der Oert- 
lichkeit das Gepräge verleiht. Heber 
seine Entstehung sind wir aktenmäßig 
nicht unterrichtet, aber seine Formen 
weisen mit ausreichender Sicherheit 
auf die Zeit um 1500 hin. Dieser 
Bau ist im wesentlichen erhalten. 
Aufzubauen gibt es also nicht viel. 
Und dennoch spricht man von einem 
Wiederaufbau. Und zwar soll das 
Vorhandene in den gleichen Formen, 
das heißt also in den Formen der 
Zeit um 1500, zu einem großen Pracht 
bau erweitert werden, als ob hier 
damals nicht einfache Amtsleute, son 
dern die inzwischen sehr vornehm und 
mächtig gewordenen Herrscher selbst 
ihren bevorzugten Wohnsitz gehabt 
hätten. Etwas, was nie vorhanden 
war, soll erbaut, ein völlig falscher Sachverhalt uns 
vorgespiegelt werden und das, was wirklich echt und 
alt ist, in dem geplanten großen Eiesenbau sich gleich 
sam verlieren und untergeben. 
2. Anderseits ist der gegenwärtige Zustand der Burg 
gar nicht so armselig und dürftig, wie das obenerwähnte 
erste Bild uns glauben machen will. Allerdings ist sie 
in jüngster Zeit durch kleine nüchterne Anbauten ver 
unstaltet. Aber diese können leicht wieder beseitigt 
werden, und im übrigen wird jeder Besucher des Schlosses 
überrascht sein, welch stattlichen Eindruck die gleichsam 
aus dem Fels erwachsene Burg noch heute gewährt, und 
vor allem, welch wundervollen Anblick sie inmitten der 
uralten herrlichen Bäume und der ringsum üppig wuchern 
den Blumen und Schlingpflanzen 
uns darbietet. Ein unvergleich 
licher Zauber von feinstem Eeiz 
umstrahlt diese Stätte, ein tief 
ergreifendes Bild von echtester 
historischer Stimmung tritt uns 
entgegen! Diese ganz einzig 
artige romantische Schönheit 
muß aber von Grund aus durch 
die riesigen Neubauten zerstört 
werden, die uns der Entwurf 
des Architekten vorschlägt. 
Wenn mehrere Jahre hindurch 
so viel gemauert, gemeißelt, 
gehämmert, gezimmert wird, 
wie man jetzt plant, so müssen 
die alten Bäume fallen, müssen 
die Blumen vernichtet, die Efeu 
ranken zerstört werden; das 
Gegenteil von dem, was man 
wünscht, wird erzielt, der 
historische Hauch weicht, ein 
Stück edelster deutscher Land 
schaftspoesie wird vernichtet 
und für ungeheure Summen 
ein Trugbild aufgeführt, das 
nicht die mindeste Daseins 
berechtigung hat. 
Auch die andern Ziele, 
deren in dem Aufruf gedacht 
wird, können auf die vorge- 
EmporengrundriS schlagene Weise nicht erreicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.