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BAUZEITUNG
Nr. 17
Wettbewerb Synagoge Frankfurt a. M., I. Preis. Architekten Graf & Röckle, Stuttgart
Zum Wiederaufbau der Burg- Altena
in Westfalen
Die ehemalige Grafschaft Mark will anläßlich der
1909 stattfindenden 300jährigen Feier ihrer Vereinigung
mit Kurbrandenburg dem Kaiser mit der restaurierten
Burg Altena ein Geschenk machen. Die Arbeiten sind
Professor Frentzen-Aachen übertragen. Gegen den ge
planten Wiederaufbau der Burg ist folgender Einspruch
ergangen:
Der in diesen Tagen verbreitete Aufruf für die „Wieder
herstellung“ der Burg Altena erweckt so schwerwiegende
Bedenken, daß wir die zwingende Verpflichtung empfinden,
sie mitzuteilen.
„Die Burg soll in ihrer
alten Gestalt Wiedererstehen“,
so heißt es in dem Aufruf.
Zur Verdeutlichung dieses
Planes ist dem Aufruf ein
Bild des angeblichen gegen
wärtigen Zustandes der Burg
sowie ein Bild, wie die Burg
nach der „Wiederherstellung“
aussehen soll, beigefügt. Tat
sächlich aber entsprechen die
Bilder weder dem gegenwärtigen
noch dem einstigen Zustande
der Burg, sondern sind Phan
tasieerzeugnisse des Zeichners.
1. Die Grafen von der Mark,
nach neuerer Forschung eine
Abzweigung des niederrheini
schen Grafengeschlechts von
Berg, haben nur wenige Jahr
zehnte auf Altena gewohnt,
etwa von 1160 bis 1200. Ein
baulicher Ueberrest aus dieser
Zeit hat sich bisher nicht nach-
weisen lassen. Wir haben nicht
die mindeste Möglichkeit mehr,
Form und Gestalt ihrer Be
hausung uns einigermaßen greif
bar vorzustellen. Nur das wissen
wir, daß sie gemäß den da-
maligenVerhältnissen klein war.
Bereits’seitfdem Anfangedes 13/Jahr-
hunderts genügte den Grafen die ab
gelegene Burg nicht mehr, es war
unmöglich, von hier aus die wachsen
den Ländereien zu verwalten. Burg
Altena wurde der Sitz eines Amt
manns. Ein Neubau wurde aufgeführt,
der heute noch steht und der Oert-
lichkeit das Gepräge verleiht. Heber
seine Entstehung sind wir aktenmäßig
nicht unterrichtet, aber seine Formen
weisen mit ausreichender Sicherheit
auf die Zeit um 1500 hin. Dieser
Bau ist im wesentlichen erhalten.
Aufzubauen gibt es also nicht viel.
Und dennoch spricht man von einem
Wiederaufbau. Und zwar soll das
Vorhandene in den gleichen Formen,
das heißt also in den Formen der
Zeit um 1500, zu einem großen Pracht
bau erweitert werden, als ob hier
damals nicht einfache Amtsleute, son
dern die inzwischen sehr vornehm und
mächtig gewordenen Herrscher selbst
ihren bevorzugten Wohnsitz gehabt
hätten. Etwas, was nie vorhanden
war, soll erbaut, ein völlig falscher Sachverhalt uns
vorgespiegelt werden und das, was wirklich echt und
alt ist, in dem geplanten großen Eiesenbau sich gleich
sam verlieren und untergeben.
2. Anderseits ist der gegenwärtige Zustand der Burg
gar nicht so armselig und dürftig, wie das obenerwähnte
erste Bild uns glauben machen will. Allerdings ist sie
in jüngster Zeit durch kleine nüchterne Anbauten ver
unstaltet. Aber diese können leicht wieder beseitigt
werden, und im übrigen wird jeder Besucher des Schlosses
überrascht sein, welch stattlichen Eindruck die gleichsam
aus dem Fels erwachsene Burg noch heute gewährt, und
vor allem, welch wundervollen Anblick sie inmitten der
uralten herrlichen Bäume und der ringsum üppig wuchern
den Blumen und Schlingpflanzen
uns darbietet. Ein unvergleich
licher Zauber von feinstem Eeiz
umstrahlt diese Stätte, ein tief
ergreifendes Bild von echtester
historischer Stimmung tritt uns
entgegen! Diese ganz einzig
artige romantische Schönheit
muß aber von Grund aus durch
die riesigen Neubauten zerstört
werden, die uns der Entwurf
des Architekten vorschlägt.
Wenn mehrere Jahre hindurch
so viel gemauert, gemeißelt,
gehämmert, gezimmert wird,
wie man jetzt plant, so müssen
die alten Bäume fallen, müssen
die Blumen vernichtet, die Efeu
ranken zerstört werden; das
Gegenteil von dem, was man
wünscht, wird erzielt, der
historische Hauch weicht, ein
Stück edelster deutscher Land
schaftspoesie wird vernichtet
und für ungeheure Summen
ein Trugbild aufgeführt, das
nicht die mindeste Daseins
berechtigung hat.
Auch die andern Ziele,
deren in dem Aufruf gedacht
wird, können auf die vorge-
EmporengrundriS schlagene Weise nicht erreicht