Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITUNG 
Nr. 22 
Yillenkolonie Baden-Baden 
Architekt M. Elsäßer, Stuttgart 
Jahre und vielleicht bis an sein Lebensende 1000 bis 
1500 M. jährlich an Miete zahlt, die ihm keinen Zins 
bringt, besitzt der Gründer des Eigenheims sein Häus 
chen vielleicht schon im vierzigsten oder fünfundvierzigsten 
Jahre schuldenfrei, so daß er eben nur noch die not 
wendigen Steuern, Unterhaltungskosten u. s. w. für das 
Haus zu zahlen hat. Aber dann weiß er auch, wofür 
er diese Zahlungen leistet — er hat nicht nur für den 
Abend seines Lebens, sondern auch für seine Familie in 
sehr verständiger und väterlicher Weise vorgesorgt. 
Wenn jemand eine Mietswohnung besitzt, für welche 
er jährlich 1000 M. zahlt, so vermindert sich sein Eigen 
tum jährlich um 1000 M. Diese 1000 M. arbeiten nicht 
mehr für ihn, sie bringen ihm keine Zinsen — sie sind 
eben verloren. Wenn er sich 
aber ein Familienhaus hauen 
ließ, für das er anfangs nur 
eine kleine Teilzahlung lei 
sten konnte, so vermindert 
er durch jede weitere Zah 
lung von 1000 M. seine 
Schulden, d. h. er vermehrt 
seinen Besitz. Außerdem 
arbeitet das Kapital, das 
er in Gestalt des eignen 
Hauses besitzt, auch noch 
fortdauernd für ihn, denn 
es ist die Kegel, daß Grund 
stücke mit den Jahren im 
Werte steigen. Allerdings 
könnte jemand einwenden: „Die 20 000 M., die ich für 
ein Eigenheim in barem Gelde bezahlt habe, bringen 
mir doch keinen Zins mehr; um den entsprechenden ver 
lorenen Zinsbetrag vermehren sich also die Kosten meiner 
Wohnung im eignen Hause. “ Das ist aber nicht richtig. 
Die 20000 M., die für das Familienhaus gezahlt sind, 
sind dieselben, die im Mietsgebäude in den zwanzig 
Jahren an den Vermieter gezahlt werden müßten, und 
die bringen eben auch keinen Zins. Diese Kaufsumme 
ist nicht mit einem überschüssigen Kapital zu vergleichen, 
das man auf eine Bank legen und mit 4 oder 5 % ver 
zinsen kann; es sind nur dieselben 20000 M., die man zur 
Zahlung der Miete unbedingt brauchen würde, d. h. nicht 
fortlegen kann, und mit deren Zins man wohl in der 
Theorie, aber nicht bei verständiger Berücksichtigung der 
tatsächlichen Verhältnisse 
des praktischen Lebens 
rechnen kann. 
Nun habe ich bereits 
angedeutet, daß man im 
Eigenheim nicht nur eine 
luxuriöseVilla zu erblicken 
hat, sondern auch das 
bescheidenste Haus, das 
speziell für die Erforder 
nisse einer Familie ge 
baut oder eingerichtet ist. 
Die deutschen Groß 
städte, die keine ge 
trennten Geschäfts- und Wohnviertel besitzen, sind für die 
Lösung der Aufgabe wenig geeignet. In englischen und 
amerikanischen Großstädten, wo sich der ganze Geschäfts 
verkehr nur im Innern der Stadt abspielt, haben wir die 
kleinen Einfamilienhäuser, die natürlich weite Gebiete 
einnehmen, aber dafür auch dem Inhaber des einzelnen 
Häuschens viel mehr Freude und Genuß gewähren, als 
sie der Inhaber einer großstädtischen Mietswohnung irgend 
erreichen kann. Im übrigen finden wir aber auch in 
Deutschland außerhalb der Peripherie der Großstädte das 
System des Einfamilienhauses jetzt in großartiger Ent 
wicklung, und in den kleineren Städten auf dem Xiande 
sehen wir, daß Leute mit ganz kleinen Einnahmen ihr 
eignes Häuschen besitzen, mag dasselbe auch an Komfort 
noch manches zu wünschen 
tibriglassen. Jedenfalls 
zeigen diese Umstände, daß 
die rein materielle Frage 
weit geringere Schwierig 
keiten bietet, als im all 
gemeinen angenommen wird. 
Das Kapital, mit welchem 
man hier vor allen Dingen 
zu rechnen hat, das ist die 
Arbeitskraft des Menschen, 
seine Fähigkeit, das Brot 
für die Familie zu ver 
dienen. 
Das Einfamilienhaus bietet 
gegenüber der Mietswoh 
nung — mag es nun mitten in der Stadt oder außer 
halb des Weichbildes derselben liegen — wesentliche 
Vorzüge, wenn auch einige Nachteile zu verzeichnen sind. 
Die Familie kann in einem Hause, das sie ganz allein 
bewohnt, frei über alle Käume, Hof und Garten ver 
fügen; den Kindern kann ein allseitig umschlossener, 
durch den Wagenverkehr nicht gefährdeter Spielplatz 
eingeräumt werden; wir haben hier weder durch un 
ruhige Mieter über uns zu leiden noch einen Konflikt 
mit den Mietern unter uns zu befürchten; wir können 
eine Zentralheizung einrichten und sind doch hinsichtlich 
der Wärmeregulierung und Lufterneuerung vollkommen 
unabhängig; wir können hinsichtlich der Benutzung des 
Bodens, des Kellers, der Waschküche und des Trocken 
raums nicht beschränkt werden. Sehr wichtig ist aber 
Architekt M. Elsäßer, Stuttgart 
Yillenkolonie Baden-Baden
	        

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