22. Juni 1907
BAUZBITÜNG
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bindung mit Wangen und Untertürkheim. Annahme fand
auch der Antrag, unter die Erweiterungsbauten aufzu
nehmen den Umbau des Bahnhofs Ludwigsburg. Bezüg
lich der linksufrigen Neckarbahn wurde der Antrag der
Kommission, die Regierung zu ersuchen, weitere Er
hebungen nach der finanziellen, betriebstechnischen und
volkswirtschaftlichen Seite darüber anzustellen, ob der
viergleisige Ausbau der Hauptbahnstrecke Untertürk
heim—Eßlingen—Plochingen nicht vorteilhafter erscheint
als der Bau einer zweigleisigen linksufrigen Neckarbahn,
einstimmig angenommen. — Wir freuen uns, daß diese
schwerwiegende Frage bei unsrer Volksvertretung so
weitgehendes Verständnis und eine so glatte Erledigung
fand. Zur besonderen Genugtuung gereicht es uns, daß
die Entscheidung zugunsten des Schillerstraßenentwurfs
fiel, für den wir von vornherein als die zweckmäßigste
Lösung eingetreten sind.
Eisenbetonbauten. Die Firma Wayß & Frey
tag, A.-G., versendet gegenwärtig an ihre Geschäfts
freunde eine interessante, reich illustrierte Broschüre über
eine Reihe von ihr ausgeführter Eisenbetonbauten, welche
ein auschauliches Bild von der vielseitigen Anwendung
dieser modernen Bauweise gibt und Zeugnis ablegt, daß
diese älteste Firma im Eisenbetonbau alle Anwendungs
gebiete desselben in vorzüglicher Leistungsfähigkeit be
herrscht. Die Zusammenstellung der bis jetzt von der
Firma herausgegebenen Broschüren zeigt die Entwicklung
des Eisenbetonbaues von der ersten Abhandlung über
„Das System Monier. G. A. Wayß 1887“ bis zum letzten,
von Prof. Mörsch namens der Firma verfaßten Abhand
handlung „Der Eisenbetonbau, seine Theorie und An
wendung. 2. Auflage 1906“ und legt dar, welch hervor
ragenden Anteil die Firma an der Entwicklung der
Eisenbetonbauweise für sich beanspruchen darf. Die
Broschüre enthält im Eingang einige Beispiele ältester
Ausführungen von Monierkonstruktionen, denen charak
teristische Beispiele moderner Eisenbetonkonstruktionen
folgen; alle Arten von Bauten, in der Luft, im Boden,
im Wasser sind vorgeführt: Geschäftshäuser, Hotels,
öffentliche Gebäude, Museen, Theater, Fabrikbauten,
Lagerhäuser, große Silobauteu für Getreide bei Hafen
bauten, Malzsilos für Braüereien, Holzschnitzelsilos,
Zement-, Steinschlag-, Kohlen-, Erzsilos u. s. w., Kühl-
und Aussichtstürme, Kuppelbauten und -tragkonstruk-
tionen, Kirchengewölbe, Bahnhofhallen, Schwimmbad
hallen und -bassins, Dachkonstruktionen, Tribünen,
Treppen, Terrassen, Brückenbauten in gerader sowie in
gewölbter Konstruktion bis zu 70m Spannweite, Reservoire
verschiedener Form, Kläranlagen, Fundationen mit Eisen
betonplatten, -pfählen, Brunnen, Wasserkraftanlagen,
Bach- und Kanalüberdeckungen, Unter- und Ueber-
führungen bei Bahnbauten, Tunnelbau, Trambahnunter
bau u. s. w. Die vielerlei wasserdichten Behälter für
industrielle Anlagen, für Papier- und Zellstofffabriken,
Brauereien, Gerbereien, Färbereien u. s. w., die Ver
wendung von Eisenbetonröhren für Kanalisationen und
Wasserzuleitungen sind schon in früheren Veröffent
lichungen der Firma eingehend beschrieben. Der Sieges
zug des Eisenbetonbaues im Hoch und Tiefbau ist text
lich und bildlich so klar dargestellt, daß die Techniker
welt der Firma Wayß & Freytag, A.-G., den Dank für
diese interessante Darlegung nicht versagen wird. — d.
Die Einweihung des Mannheimer Industrichafcns
erfolgte am 3. Juni. Der Rede, die Oberbürgermeister
Beck anläßlich der Festlichkeiten hielt, entnehmen wir,
daß diese neuen gewaltigen städtischen Bauten nicht nur
durch ihre Eigenart und Schwierigkeit ungewöhnliche
Anforderungen an die städtischen Behörden und ihre
technischen Beamten stellten, sondern auch einen das
übliche Maß für kommunale Unternehmungen weit über
steigenden finanziellen Aufwand beanspruchten. Der Ge
samtaufwand werde sich von den bis jetzt verausgabten
9 Millionen Mark nach dem Ausbau des ganzen Projekts
bis zum Rbeinstrom auf etwa 16 Milk Mark erhöhen; es
werde dadurch aber eine Fläche von über 2,35 Mill.
Quadratmeter mit einer Kailänge von über 18 km an
nutzbarem Gelände der Industrie und dem Handel zur
Verfügung gestellt. Der Bau der Neckarbrücke er
forderte rund 2,96 Millionen Mark. Allerdings sei der
ganze Bau nur im Vertrauen auf einen für alle Zukunft
ungehemmten lastenfreien Verkehr auf dem Rhein in An
griff genommen worden.
Ein Riesenprojekt für Rheinliessen wird gegen
wärtig lebhaft erörtert. Unter Benutzung des Elektrizitäts
werkes der Stadt Mainz und unter eventueller Beiziehung
der Werke zu Bingen und Worms will man eine all
gemeine Versorgung aller interessierten G emeinden Rhein
hessens mit Elektrizität herbeiführen. Der Dreh
strom des Mainzer Werkes mit einer Maschinenspannung
von 3200 Volt soll auf 20000 Volt transformiert werden.
Von Mainz aus soll der Strom in drei Haupthoch
spannungsleitungen, den Bahnlinien Mainz—Oppenheim—
Worms, Mainz—Alzey und Mainz—Bingen, den einzelnen
Orten der Provinz zugeführt werden. Mit der Bahn
behörde sind Verhandlungen im Gange, um bei dieser
Gelegenheit alle Bahnstationen der genannten Linien mit
Licht und Kraft zu versehen. Wie verlautet, steht die
Verwaltung des städtischen Elektrizitätswerkes zu Mainz
dem Projekte sympathisch gegenüber. Gegenwärtig wird
ein Kostenvoranschlag nebst Rentabilitätsberechnung an
gefertigt. Die Finanzierung soll ähnlich wie bei dep
Gruppenwasserwerken in genossenschaftlicherWeise durch
die Gemeinden erfolgen.
Ernst-Ludwig-Verein, Die Hauptversammlung
findet am 27. Juni in Darmstadt statt. Außer geschäft
lichen Angelegenheiten steht auf der Tagesordnung ein
Vortrag des Geh. Baurats Dr. Ing. Stübben-Berlin über
Ausgestaltung der Bauordnungen und Bebauungspläne
unter besonderer Berücksichtigung des Kleinhauses.
Worms. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte
im Prinzip der Errichtung eines Erweiterungsbaues
des Rathauses mit einem Kostenaufwand von 250000M.,
vorbehaltlich genauer Nachprüfung, zu. Der Entwurf
stammt, wie der des gleichzeitig zu erbauenden Corne-
lianums, von Prof. Theodor Fischer in Stuttgart und
paßt sich trotz seiner Einfachheit vortrefflich dem präch
tigen Städtebild an, das an der Ecke des Marktplatzes
und der Hagenstraße entstehen wird.
Frankfurt a. M. Eine neue Klärbeckenanlage
für die Stadt Frankfurt ist dieser Tage fertiggestellt
worden; dieselbe befindet sich unterhalb der Eisen
bahnbrücke bei Niederrad auf der linken Mainseite
und präsentiert sich äußerlich als ein schmucker villen
förmiger Bau aus Tauuusgranit mit rotem Ziegeldach.
Nach der „Frkf. Ztg.“ mußte man sich bei dem Umbau
und der Erweiterung der Klärbecken nach den alten,
vor zwanzig Jahren von Liudley errichteten Anlagen
richten. Die bisherigen Betriebserfahrungen hatten er
geben, daß bei den Neuanlagen hauptsächlich eine Um
gestaltung der Vorreinigung ein treten müsse. Dabei
wurde ein von Stadtrat Kölle erfundener Rechen ver
wendet. Das neue Verfahren ist ökonomischer, rein
licher und zuverlässiger. Früher blieben noch 24'/ 2 °/ 0
Schmutzstoffe im Wasser zurück, jetzt sind es nur noch
9'/a %• Der zurückbleibende Schlamm wird getrocknet.
Später soll er als Heizmaterial für die neue Müll
verbrennungsanlage verwendet werden. Das gereinigte
Wasser wird in den Main abgelassen, der dadurch kaum
verunreinigt wird. Die Selbstreinigung der Flüsse be
seitigt die Schmutzreste so rasch, daß schon vor Gries
heim keine Spur mehr nachzuweisen ist.
Die Hafenanlagen von Rotterdam sollen einer
gemeinderätlichen Vorlage zufolge bedeutend erweitert
werden, da der Andrang von Schiffen beständig so stark