Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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13. Juli 1907 
BAUZEITUNG 
219 
Wettbewerb Schule für Wangen 
Motto „Natur“ 
Einheitlicher Bebauungsplan 
für Groß-Berlin 
Es ist mit Freude zu begrüßen, daß 
die bisherige, fast planlose Ausdehnung 
Groß-Berlins, wie sie in der bruchstück 
weise erfolgenden Bebauung von Vor 
orten und in der Ansiedlung von Land 
hausvierteln und gewerblichen Anlagen, 
in der Yerhökerung fiskalischer Wälder 
und kommunalen Besitzes, in dem Fehlen 
irgendeines großzügigen Gesamtplanes 
sich kundgibt, eine Reaktion in den beiden 
großen Architektenvereinen Berlins her 
vorgerufen und zur Einsetzung eines ge 
meinsamen Ausschusses geführt hat, der 
die Gewinnung des fehlenden Grund 
planes für die bauliche Entwicklung Groß-Berlins in 
die Hand nehmen soll. Die „Leitsätze“ dieses Aus 
schusses sind nunmehr in einer soeben im Verlag von 
Ernst Wasmuth-Berlin erschieneilen Schrift Groß-Berlin 
bekanntgegeben. Sie bezwecken die Ausschreibung 
eines künstlerisch-technischenWettbewerbs, zu welchem 
die Mittel durch einen Zweckverband der beteiligten 
Stadt- und Landkreise beschafft werden sollen. Ist 
die Aufgabe an sich eine ungewöhnlich große und 
wichtige, da es sich um die Regelung der An 
siedlung von 2—3 Millionen Menschen handelt — so 
hoch wird der in den nächsten 25 Jahren zu erwartende 
Bevölkerungszuwachs Groß-Berlins eingeschätzt —, so ist 
anderseits die Ueberzeugung eine ziemlich allgemeine, daß 
es mit der zersplitterten Behandlung dieser Fragen wie 
bisher nicht weitergehen kann. Man bedenke, daß außer 
der eigentlichen Stadt Berlin etwa 20 Vorortgemeinden 
selbständig über die großen Verkehrslinien und Bebauungs 
fragen entscheiden! Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man 
behauptet, daß Groß-Berlin in bezug auf das, was man 
Stadtbauplan nennt, nicht bloß hinter den meisten deut 
schen Großstädten wie München, Breslau, Frankfurt a. M., 
sondern auch hinter vielen Mittelstädten erheblich zurück 
steht. Man glaubt deshalb], daß die in Betracht kom 
menden Stadtgemeinden Berlin, Charlottenburg, Wilmers 
dorf, Schöneberg, Rixdorf, Potsdam, sowie die beteiligten 
Landkreise Hiederbarnim, Teltow und Westhavelland in 
der Erkenntnis innerer Notwendigkeit auf die Anregung 
der Architektenvereine eingehen werden. Der gemein 
same Ausschuß, zu welchem Persönlichkeiten wie Geheim 
rat March, Oberbaurat Stübben, Prof. Bodo Ebhardt, 
Stadtbaurat Krause, Landesbaurat Th. Göcke gehören, 
will, wie im Hauptverein der Architekten mitgeteilt 
wurde, demnächst eine Versammlung der Be 
teiligten einberufen, auch Volkswirte und Hygie 
niker heranzuziehen, damit von vornherein schon 
bei der Programmfeststellung dem großen Unter 
nehmen in sachkundigster Weise der Boden ge 
ebnet werde. Wie gewaltig die Aufgabe ist, die 
es zu lösen gilt, erhellt aus folgendem: 
Der Inhalt des zu entwerfenden Grundplanes 
soll ein doppelter sein, nämlich: a) die grundsätz 
liche Regelung der Ansiedlung auf dem vom Anbau 
noch nicht erreichten Gelände von Groß-Berlin 
in der beschriebenen Ausdehnung, b) die möglichen 
Verbesserungen in den bereits bebauten Teilen 
Berlins und seiner Vororte. Beide Teile der Auf 
gabe sind unter Beachtung der fortgeschrittenen 
technischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen 
Ansprüche des neuzeitlichen Städtebaues in künst 
lerischer Weise zu lösen. Nach den individuellen 
Eigenschaften der einzelnen Gebietsteile sind die 
Bedingungen eines auch im sozialen Sinne befrie 
digenden Wohnungsbaues für die verschiedenen 
Ein Preis 800 M. 
Architekt Fritz Müller, Stuttgart 
Bevölkerungsschichten sowie der zweckmäßigen und er 
leichterten Ansiedlung von Groß- und Kleingewerben voll 
auf zu berücksichtigen. Im wesentlichen handelt es sich 
um ein großzügiges Netz von Hauptverkehrsstraßen, von 
Schnellbahnen und Wasserwegen, um die Freihaltung aus 
gedehnter Wald- und Wiesenflächen, die Durchdringung 
der Baumassen mit Parkstraßen und Promenaden, Sport- 
und Spielplätzen und um die tunlichste Vorherbestimmung 
von Plätzen für öffentliche Bauten. Die wohldurchdachte, 
von künstlerischem Geist getragene Regelung dieser Grund 
linien der Stadtentwicklung soll in enger Anlehnung an 
die wasserreiche Schönheit der märkischen Landschaft 
die technische und ästhetische Einheit einer mächtigen 
Großstadt des 20. Jahrhunderts vorbereiten. Der so be 
schaffene Grundplan soll die Ausgangspunkte liefern und 
das Gerippe bilden für die von den Gemeinden nach den 
gesetzlichen Vorschriften zu entwerfenden und festzu 
stellenden Bebauungspläne. 
Wie sich der Ausschuß die Ausführung seiner groß 
zügigen Pläne denkt, wird in der Schrift des näheren 
ausgeführt. In dem Ring der Vor- und Nachbarorte 
Berlins wird die Bebauung aus ideellen Gründen viel 
weniger dicht als im Innern sein dürfen, vielleicht etwa 
nur einem Drittel des Flächenausmaßes entsprechen; als 
Gesamtareal wird nach dieser Schätzung ein Kreis er 
forderlich sein, der den Potsdamer Platz zum Mittelpunkt 
hat und 25 km im Halbmesser mißt; Spandau und Pots 
dam werden darin aufgehen. Wie aber soll sich zu diesem 
Zukunftsgelände die Gegenwart stellen? Ist es richtig, 
wenn weiterhin in diesem ganzen großen Umkreis ohne 
Einheitlichkeit drauflos gebaut wird? Nein! sagt der 
Ausschuß. Zwar ist London trotz seiner großen „Graf 
schafts “-Gemeinschaft baulich ein mittelpunktloses Agglo-
	        
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